EuGH zu WLAN-Hotspots Das bedeutet das Urteil zur Störerhaftung für Deutschland

Mit einer Grundsatzentscheidung hat der EuGH klargestellt, dass Gewerbetreibende nicht bei Urheberrechtsverletzungen anderer haften müssen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das Urteil.
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Foto: imago

Wer als Gewerbetreibender seinen Kunden einen öffentlichen Hotspot zur Verfügung stellt, haftet nicht für deren Urheberrechtsverletzungen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat mit einer Grundsatzentscheidung einen wichtigen Aspekt der europäischen Rechtslage geklärt, der Streitpunkt in einem sechs Jahre währenden Streit vor dem Landgericht München ist.

Für wen gilt das Urteil?

Das Grundsatzurteil des EuGH bezieht sich nur auf gewerbliche Betreiber öffentlicher Hotspots. Für den privaten Betrieb eines öffentlich zugänglichen WLAN-Netzes gibt es kein entsprechendes Urteil.

Wobei ging es in dem Fall?

Das Landgericht München hat den Luxemburger Richtern in einem laufenden Verfahren konkrete Fragen vorgelegt. Geklärt werden sollte, ob eine mögliche Störerhaftung nach deutschem Recht der europäischen E-Commerce-Richtlinie widerspricht.

Konkret ging es um die Frage, ob Gewerbetreibende, die einen öffentlichen WLAN-Hotspot anbieten, für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden können, die sie selbst nicht begangen haben - nach der sogenannten Störerhaftung (siehe Kasten). Da es dabei um die Auslegung von EU-Recht geht, musste das der EuGH klären.

In München hatte der Musikkonzern Sony den Piraten-Politiker und Betreiber einer Firma für Licht- und Tontechnik abgemahnt. Über dessen freien WLAN-Hotspot soll ein Album der Gruppe Wir sind Helden zum kostenlosen Download angeboten worden sein, lautet der Vorwurf. Das EuGH sollte klären, ob Tobias McFadden haftbar gemacht werden kann, weil er seinen WLAN-Hotspot nicht gegen illegale Downloads gesichert hat.

Wie entschied das Gericht?

Nach Auffassung des EuGH dürfen gewerbliche Betreiber öffentlicher Hotspots nicht unmittelbar zur Verantwortung gezogen werden, wenn über das Netz durch Dritte etwa urheberrechtlich geschützte Dateien geleitet oder heruntergeladen werden.

Bei einer widerrechtlichen Nutzung kann von dem WLAN-Betreiber allerdings verlangt werden, dass er den Zugang durch ein Passwort sichert, urteilten die EU-Richter. Eine Anordnung zur Sicherung des Anschlusses mit einem Passwort sei geeignet, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten am geistigen Eigentum, dem Recht der Anbieter von Internetzugängen auf unternehmerische Freiheit und dem Recht der Nutzer auf Informationsfreiheit zu gewährleisten.

Für einen Abschreckungseffekt müssten Nutzer zudem ihre Identität offenbaren, um das Passwort zu bekommen. Der EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar kam in wichtigen Teilen zu einem ähnlichen Ergebnis, hielt in seinem Gutachten allerdings weitreichende Auflagen zum Schutz der Hotspots gegen Missbrauch für unzulässig. Welche Auswirkungen das Urteil in Sachen Abmahnungen gegen Störer und WLAN-Betreiber hat, ist unter Experten noch umstritten. Viele sehen aber immer noch Schlupflöcher für die Abmahnindustrie.

Was sagt die Branche?

Der Pirat McFadden wertete das Urteil als enttäuschend. Es sei zwar ein Teilerfolg, doch die Auflagen zum Schutz des Zugangs würden eine schnelle Verbreitung von WLAN-Hotspots in Europa auch künftig weiter behindern. Es gehe darum, dass es "niederschwelligen Zugang zum Internet geben soll für Jedermann". "Wenn ich aber erst mal rumlaufen muss und nach einem Passwort betteln muss, dann ist damit genau das Gegenteil erreicht."

Der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte: "EU- und Bundespolitik müssen schnell für Rechtssicherheit sorgen. Ansonsten sind die rechtlichen Risiken für Händler, die ihren Kunden freies WLAN anbieten wollen, groß", sagte der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Es sei unrealistisch, allen Kunden individuelle Passwörter zur Verfügung zu stellen. Der Gesetzgeber müsse zudem Unterlassungsansprüche gegen WLAN-Anbieter eindeutig ausschließen.

Enttäuscht äußerte sich auch der Hotelverband Deutschland (IHA): Es werde nun "aller Voraussicht nach bei der gewohnten Prozedur bleiben, dass sich Hotelgäste zuerst registrieren und separate Nutzungsbedingungen anerkennen müssen", sagte IHA-Hauptgeschäftsführer Markus Luthe. Die Hotellerie habe sich nach dem im März vorgelegten Gutachten des Generalanwalts "eine praxisgerechtere Handhabung des Urheberrechts erhofft".

Was ändert die Entscheidung für Hotspot-Betreiber in Deutschland?

Wie es bereits die Novelle des Telemediengesetzes vom Juni vorsieht, sollen sich Hotspot-Anbieter nicht mehr vor Abmahn-Anwälten fürchten müssen. Hotspot-Anbieter können bei Rechtsverstößen nicht mehr automatisch belangt werden. Kritiker hatten allerdings bemängelt, dass eine mögliche Unterlassungserklärung nicht explizit ausgeschlossen sei.

Das deutsche Gesetz sieht auch vor, dass keine weiteren Zugangshürden zum Netz verpflichtend sein sollen - das sehen, zumindest in konkreten Missbrauchsfällen, die EuGH-Richter anders. Laut Entscheidung vom Donnerstag sollen Betreiber angewiesen werden können, den Zugang per Passwort zu sichern und dabei die Identität der Nutzer zu registrieren.

brt/dpa

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