Neues Gesetz Bundesregierung startet letzten Anlauf zur WLAN-Offensive

WLAN-Nutzer in Berlin
Foto: imagoWer sein offenes WLAN-Netz anderen zur Verfügung stellt, soll nicht mehr dafür zahlen müssen, wenn diese darin Rechtsverstöße begehen. Anbieter von Hotspots sollen außerdem in der Regel von Unterlassungs- und sogar den Gerichtskosten befreit werden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, mit dem das Bundeswirtschaftsministerium nach SPIEGEL-Informationen ein erst vor Kurzem beschlossenes WLAN-Gesetz nachbessern will.
In dem Entwurf, der dem SPIEGEL vorliegt, heißt es, dass Privatpersonen oder Betreiber von Cafés, die andere ihr WLAN nutzen lassen, selbst von Gerichtskosten befreit würden, die entstehen, wenn ein Dritter über ihr Netz Urheberrechtsverstöße begeht. Auch die "Rheinische Post" berichtet darüber.
Mit dem Vorstoß soll eines der großen Digitalprojekte der Bundesregierung doch noch gelingen: In Deutschland soll es viel mehr offene WLAN-Netze geben, mit denen Bürger ins Internet kommen.
Kritik am Gesetz aus dem Sommer
Erst im Juli hatte der Bundestag dazu ein Gesetz verabschiedet - es sollte das ungeliebte Konstrukt der Störerhaftung beerdigen. Die Störerhaftung führt in Deutschland immer wieder dazu, dass WLAN-Betreiber mit drei- bis vierstelligen Summen abgemahnt werden für Urheberrechtsverstöße, die andere ohne ihr Wissen, aber mittels ihres Netzwerks begangen haben. (Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Störerhaftung.)
Doch das WLAN-Gesetz wurde heftig kritisiert. Der Vorwurf: Es lasse weiterhin Risiken zu für jene, die ihr Drahtlosnetzwerk anderen öffnen wollen - vor allem bei Unterlassungsklagen. Abmahnanwälte, die ihr Geschäftsmodell daraus bestreiten, Einkünfte aus Verfolgungen von Urheberrechtsverletzungen zu erzielen, kündigten nach dem Gesetz an, verstärkt den Weg über kostenpflichtige Unterlassungen gehen zu wollen.
Die Abschaffung der Störerhaftung war zudem nicht ausdrücklich im Gesetzestext selbst festgelegt, sondern nur in der Begründung des Gesetzentwurfs - Opposition und Internetexperten äußerten daran heftige Kritik.
Urteil durchkreuzt Pläne der Koalition
Kurz darauf säte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs weitere Zweifel am Gesetz. Dabei war der Betreiber eines offenen Funknetzes zwar davon befreit worden, für den illegalen Download eines Albums Schadensersatz und Abmahnkosten zahlen zu müssen. Der EuGH erklärte aber gleichzeitig, dass im Falle einer Rechtsverletzung von dem WLAN-Betreiber verlangt werden könne, den Zugang künftig mit einem Passwort zu sichern.
Die Koalition hatte auf ein anderes Urteil spekuliert - und musste die Arbeit wieder aufnehmen. Zum einen will sie kostenpflichtige Abmahnungen verhindern, zum anderen will sie vermeiden, dass Hotspot-Anbieter wieder Passwörter für ihre Netze verhängen müssen. "Das Urteil hat erneut zu Rechtsunsicherheit geführt", heißt es im Entwurf des Wirtschaftsministeriums. Er soll klarstellen, dass keine Behörde eine Passwortpflicht anordnen darf.
Mit den neuen Vorschlägen des Wirtschaftsministeriums wäre es allerdings schwerer für Rechteinhaber etwa von Musiklizenzen, Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen und abstellen zu können. Das Ministerium spricht davon, dass das Problem ohnehin kleiner werde - da es mittlerweile bezahlte Streaming-Plattformen wie Spotify oder Apple Music gebe.
Noch keine Einigkeit in Reihen der Regierung
Auch in Reihen der Bundesregierung gibt es Skepsis. Der Vorschlag hängt bereits seit Monaten zwischen den Ministerien fest. Nach dem Wechsel an der Spitze des Wirtschaftsministeriums von Sigmar Gabriel (SPD) zu Parteifreundin Brigitte Zypries ist offenbar aber neuer Schwung in die Angelegenheit gekommen. Der Referentenentwurf ist nun an Verbände sowie Länder und Kommunen verschickt worden, damit diese Stellungnahmen abgeben können.
Doch Einigkeit besteht nach SPIEGEL-Informationen immer noch nicht: Die Ressortabstimmung dauert an. Vielleicht setzt das Wirtschaftsministerium auf ein kolportiertes Machtwort der Bundeskanzlerin. Die hatte schon vergangenes Jahr die Geduld beim Endlos-Projekt WLAN-Öffnung verloren und alle Beteiligten gemahnt, schnell zu einer Einigung zu kommen.