Zoff um Vorratsdaten Grüne pfeifen SPD-Innenminister zurück

Flyer gegen die Vorratsdatenspeicherung (Archivbild): Grüne lehnen die Speicherung ab
Foto: dapdDüsseldorf - Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Ralf Jäger und Reinhold Gall von der SPD, wollen die umstrittene Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Sechs Monate lang sollen Provider und Telefonanbieter die Kommunikationsdaten aller Nutzer speichern, wie von Unionspolitikern und Sicherheitsbehörden gefordert.
Der Vorstoß der SPD-Politiker provoziert die Koalitionspartner in den Ländern: "Die Grüne Fraktion in Nordrhein-Westfalen lehnt eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung klar ab", sagte der innenpolitische Sprecher der Partei, Matthi Bolte, auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Dies gelte auch für den Vorschlag einiger SPD-Innenminister, der auf der Innenministerkonferenz diskutiert werden soll.
Bolte erklärte, es werde eine Bundesratsinitiative zur Vorratsdatenspeicherung aus Nordrhein-Westfalen ebenso wenig geben wie eine Zustimmung aus Nordrhein-Westfalen zu möglichen Initiativen aus anderen Ländern oder zu den bisherigen Vorstellungen aus Kreisen der schwarz-gelben Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag habe man vereinbart, in einem solchen Streitfall im Bundesrat nicht zuzustimmen.
"Nicht bereit, diesen Vorschlag mitzutragen"
Auch sein Kollege in Baden-Württemberg, der Landtagsabgeordnete Alexander Salomon, weist die Speicherung entschieden zurück: "Der Vorstoß der beiden SPD-Innenminister Gall und Jäger ist weder inhaltlich noch in seiner Vorgehensweise mit uns Grünen abgestimmt. Wir sind nicht bereit, diesen Vorschlag mitzutragen."
Die Grünen hatten in Wahlkämpfen ihre Ablehnung der verdachtslosen Massenspeicherung von Kommunikationsdaten geäußert. "Als Bürgerrechtspartei haben wir uns immer wieder auf allen politischen Ebenen klar gegen die Vorratsdatenspeicherung positioniert und werden dies auch weiterhin tun", sagte Salomon SPIEGEL ONLINE. "Wir werden unser Ziel, die Vorratsdatenspeicherung nicht einzuführen, weiter verfolgen und für dieses Ziel arbeiten."
Auch aus der Bundesspitze der Grünen gibt es heftige Kritik für die offenbar nicht abgestimmten Vorlagen der SPD-Innenminister. Jeder überschätze sich mal oder schieße über das Ziel hinaus, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, zu Handelsblatt Online . "Mit Hans-Peter Friedrich sollte man aber kein Wettrennen auf der rechten Überholspur eingehen."
"Gegen die eigenen Beschlüsse"
"Wir wissen zurzeit nicht, warum @spdbawue-Innenminister Gall sich gegen die eigenen Beschlüsse äußert", twitterte Markus Winkler am Dienstag. Für die SPD betreut er mit weiteren Mitstreitern den Twitter-Account @spd_netzpolitik - mit dem Logo der Partei, aber ohne an ein offizielles Parteigremium angeschlossen zu sein. Winkler weist auf einen offenen Brief gegen die Vorratsdatenspeicherung hin, den rund 40 SPD-Netzpolitiker unterzeichnet haben.
Die SPD-Nachwuchsorganisation in Baden-Württemberg lehnt die sechsmonatige Speicherung ebenfalls ab. "Dieses Vorhaben ist ein völlig überzogener Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger", teilte Juso-Landeschef Frederick Brütting mit . Innenminister Gall solle nicht den Hilfssheriff für die CDU-Hardliner auf der Innenministerkonferenz spielen.
Die Innenministerkonferenz beschäftigt sich in Frankfurt zwei Tage lang mit der umstrittenen Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze und der Vorratsdatenspeicherung. Im vergangenen Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung kassiert. Die Richter hatten vom Gesetzgeber restriktive Kriterien für die Nutzung und bessere Sicherheitsvorkehrungen zur Speicherung der Daten verlangt.
SPD-Innenminister aus Rheinland-Pfalz für Speicherung
Am Dienstag zeichnete sich zu beiden Themen eine überraschend deutliche Annäherung der SPD-Innenminister an die Position der Union ab, die auf die Erfassung der Daten drängt. Der rheinland-pfälzische Ressortchefs Roger Lewentz erteilte unmittelbar vor dem sogenannten Kamingespräch im Frankfurter Römer den Plänen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine Absage. Stattdessen plädierte er im Interesse der Inneren Sicherheit für eine Speicherzeit von drei bis sechs Monaten.
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will Daten erst bei einem konkreten Anfangsverdacht speichern. Ihr Kompromissvorschlag an die Union, die auf der Speicherung beharrt: Es wird nur für sieben Tage gespeichert, nicht länger. Erst bei einem konkreten Verdacht werden Daten bis zu einem Monat aufbewahrt und erst auf Anordnung eines Richters an Ermittler übergeben. Dieser Kompromiss wird von Unionspolitikern zurückgewiesen - und auch von SPD-Innenminister Jäger: "Wo nichts ist, kann auch nichts gespeichert werden", hält er dagegen.