Zugang zur Web-Suche China zwingt Google zum Rückzieher
Kotau in Fernost: Im Streit über die Zensur des chinesischen Datenverkehrs gibt der US-Suchmaschinenkonzern Google nach - er hebt die Umleitung auf seine unzensierte Hongkong-Seite auf. Sonst hätte ihm der Verlust einer Geschäftslizenz in der Volksrepublik gedroht.
Mountain View - Es war ein für Google eindeutiges Signal der Behörden, das zum Strategiewechsel im Konflikt mit China führte: Peking sei nicht bereit gewesen, die Umleitung des Datenverkehrs von China auf die unzensierte Hongkong-Seite weiter hinzunehmen. Wer künftig Google China nutzt, wird wieder auf einer chinesischen Seite landen und nicht innerhalb von Googles Hongkong-Angebot. Allerdings werde diese neue chinesische Seite einen deutlich sichtbaren Link zum Service in Hongkong zeigen. Wer dann also unzensiert suchen wolle, könne sich selbst dafür entscheiden und zur Hongkong-Seite wechseln.
Damit gibt Google
die automatische Umleitung des Web-Traffics von seiner chinesischen Web-Seite zur unzensierten Seite in Hongkong auf. Eingeführt worden war die als Reaktion auf die angeblich chinesische Industriespionage gegen Google und rund 40 weitere US-Unternehmen. Dieser Vorfall hatte als Google-Hack zur Jahreswende weltweit Schlagzeilen gemacht und für deutliche Irritationen auch auf diplomatischem Parkett gesorgt. Google hatte auf dem Höhepunkt des Streits seine Büros von China nach Hongkong verlegt und Ende März damit begonnen, auch den Datenverkehr diesen Weg nehmen zu lassen, um die staatliche Zensur zu umgehen.
Hätte Google nun die Datenumleitung beibehalten, erklärte dazu Google-Justitiar David Drummond in einer Veröffentlichung im offiziellen Firmen-Blog, wäre Googles Geschäftslizenz für China am 30. Juni erloschen.
Chinas Regeln: Halt dich dran oder geh!
Damit wäre Google in China der Stecker gezogen worden. Dort betreibt Google weiterhin Forschungs-, Entwicklungs- und Vertriebsbüros. Deren Betrieb zumindest wäre aber nach Aussage eines deutschen Google-Sprechers von der nun neu zu bestätigenden Lizenz nicht betroffen gewesen: Die fragliche Lizenz bezöge sich nur auf den laufenden Betrieb der Google.cn-Web-Seite. Der wirtschaftliche Erfolg der chinesischen Vertriebsmannschaft ist allerdings eng an den Erfolg der China-Seite geknüpft.
Google begründet den "Kompromiss", den man durchaus als Einknicken vor den ruppigen Realitäten des chinesischen Marktes deuten kann, damit, dass eine Abschaltung verhindert werden musste, weil man Millionen von chinesischen Nutzern sonst Googles Dienste entzogen hätte. Kommentatoren merkten schnell an, dass auch das mittelfristig vielversprechende China-Geschäft davon wohl kaum profitiert hätte.
Google ist in der Volksrepublik kein übermächtiges Such-Angebot mit dominanter Marktposition. Mit über 60 Prozent Marktanteil liegt dort das lokale Angebot Baidu vorn - und gilt als größter Nutznießer des kleinen Rückzugs, den Google im März unter Protest vollzog. Das Unternehmen ist auf Expansionskurs auch über die chinesischen Grenzen hinaus: Am Dienstag meldete Reuters, dass Baidu zurzeit auf dem US-Markt IT-Experten anheuert, die die Internationalisierung des Angebotes vorantreiben sollen.
Google wird die Datenumleitung in den nächsten Tagen für alle Suchanfragen in China aufheben und hat am Montag um Bestätigung seiner eigentlich bis 2012 laufenden ISP-Geschäftslizenz gebeten. Auch laufende Lizenzen werden in China auf jährlicher Basis überprüft und können storniert werden, wenn Auflagen nicht erfüllt werden.
Mit dem Kompromiss hofft Google, hier auf der sicheren Seite zu sein. Justitiar Drummond: "Der jetzt gewählte Schritt folgt eindeutig unserem Bekenntnis einer nicht-zensierten Suche. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit diesem Ansatz unseren Prinzipien treu bleiben, dass er konsistent mit der Sicht der Regierung auf die Gesetzeslage ist und dass damit das Bestehen der Seite google.cn gewährleistet wird."
Ob das die Pekinger Behörden auch so sehen, bleibt abzuwarten: Google ersetzt mit der aktuell sichtbaren Lösung die automatische Datenverkehrs-Umleitung durch einen Daten-Umweg. Wie genau die Umsetzung für alle Surfer aussehen wird, wird man erst in den nächsten Tagen nachprüfen können.
pat