Browserspiel "Power of Politics" Klick-Kanzler für eine Woche

Mit wenig Zeitaufwand können politisch Interessierte im Onlinespiel "Power of Politics" eine steile Karriere starten. Das Spiel lockt mit viel Liebe zum Detail, schwächelt aber bei seinem wichtigsten Feature: der Gestaltung von Politikinhalten.

Dieser deutsche Bundeskanzler lebt in Köln, arbeitet hauptberuflich im Verlagswesen und ist 36 Jahre alt. Er nennt sich Christian Corvin. Seinen tatsächlichen Namen hält er - im Bewusstsein seiner Prominenz - geheim. Abgesehen von dieser Vorsichtsmaßnahme sieht der Rheinländer seine mächtige Position jedoch recht locker: "Es langt, wenn ich zweimal die Woche fünf bis zehn Minuten in meine Politik investiere. Mehr Zeit habe ich auch gar nicht."

Corvin regiert 35.000 Untertanen in der neuen Online-Republik " Power of Politics ". Wie Corvin kann sich jeder in dem kostenlosen Browserspiel zu einem mächtigen Politiker hocharbeiten - vorausgesetzt, man hat den richtigen Riecher für spannende Themen, ist in der richtigen Partei und besitzt einen guten Orientierungssinn.

Der neue Spielcharakter sitzt nach der Registrierung in einem virtuellen, hellen, stets einwandfrei geputzten Büro mit Designercouch, Computer und großer Fensterwand. Zuweilen zieren die Möbel des Büros auch Werbeartikel - so wollen die Spielmacher Geld verdienen. Das Spiel steuert man über eine Menüleiste mit 13 Optionen.

Egal, wohin man klickt, es öffnet sich stets ein neues Fenster mit mindestens genauso vielen Optionen wie zuvor. Diese anfängliche Vielfalt macht das Spiel einerseits sehr interessant, andererseits nicht gerade übersichtlich.

Analyse von 250 deutschsprachigen Medien

Zunächst sollte man sich ein politisches Spezialgebiet aussuchen. Das kann man aus einem Pool von 18 Themenkomplexen wählen. Beispiele: Bildung, Technologie oder Asien.

Wie gut oder schlecht ein Spezialgebiet angesehen ist, gibt der tägliche Medienbericht an. Und der wird nicht einfach per Zufallsfunktion berechnet, sondern spiegelt wider, mit welchen Anteilen die einzelnen Themenkomplexe in der realen Presse vertreten sind.

Hierfür werden jeden Tag 250 deutschsprachige Medien ausgewertet, die Ergebnisse in das Spiel eingeschleust. Durch dieses Feature bekommt das Spiel einen angenehmen Bezug zur politischen Realität. Nur wer aktuelle politische Diskussionen verfolgt, wird die Themenschwerpunkte im Spiel richtig setzen können.

Parteien wie "KapitalistInnen und LeninistInnen"

Nach der Wahl des Spezialgebietes sollte sich der machtstrebende Nutzer eine Partei suchen, die seinen Präferenzen entgegen kommt. Dabei bietet sich ihm eine schier unendliche Auswahl, in der sowohl reale (zum Beispiel "Die LINKE") als auch fiktive Parteien mit lustigen Namen (zum Beispiel "KapitalistInnen und LeninistInnen Deutschland") vertreten sind.

Mit dem Geld aus ihrer Gemeinschaftskasse kann eine solche Partei Räumlichkeiten kaufen, die zunächst renoviert und ausgebaut werden müssen. Erst wenn das erledigt ist, können die Mitglieder in den Zimmern tagen, Sport treiben oder sich ausruhen. Die Kommunikation innerhalb der Partei erfolgt über ein internes Forum.

Bis also die Welt mit ersten politischen Handlungen gerettet werden kann, muss allerhand geklickt, organisiert und überlegt werden. Aber hat man sich erst einmal durch den Dschungel der zahllosen Entscheidungen und Optionen gekämpft, kann man auf der Karriereleiter aufsteigen. Unterstützend hierfür gibt es geschultes Personal für alle Arbeitsbereiche. Ein Guide, der durch die endlosen Funktionslisten des Spiels führt, ist aber leider nicht darunter.

Vitamin B, Intrigen und Korruption gibt es in "Power of Politics" leider nicht. Stattdessen sind bei der allsonntäglichen Wahl das Wissen um aktuelle Themen, die eigene Popularität und Fitness entscheidend für den Erfolg.

Wenig Neues nach Karriereschub

Bedauerlich: Egal, wie weit man die Karriereleiter hinaufsteigt, an den täglichen Regularien ändert sich nichts. Es bleibt bei den gleichen Terminen, den gleichen Aktionen. Es sei denn, man wird Mitglied in einem Parlament auf Kreis-, Landes- oder Bundesebene. Dann gehört man zur priviligierten Riege derer, die an der Gesetzgebung teilhaben dürfen. In einer solchen Position kommt ein Spielcharakter aber kaum dazu, konkrete Politikinhalte zu präsentieren oder durchzuboxen.

Lediglich über die groben Themenkomplexe, zu denen Gesetze hervorgebracht werden sollen, wird abgestimmt. Virtuelle, inhaltsvolle Gesetze zu den auserkorenen Themen kann man nicht erarbeiten. Wo im Spiel sonst mit Liebe zum Detail allerlei Optionen präsentiert werden, blieb zur Mitgestaltung der Politik kaum Raum.

"Das ist auf Dauer wirklich immer wieder dasselbe", bemängelt Bundeskanzler Corvin. "Die Langzeitmotivation ergibt sich mehr aus der angeregten Kommunikation in den Foren und innerhalb der eigenen Partei."

Nur wer zahlt, bekommt etwas Abwechslung

Wer sich mit diesen Aussichten auf Dauer nicht zufrieden geben will, kann das Spiel entweder gelangweilt beenden oder für rund drei Euro pro Monat zum "Supporter" werden. Diesen zahlenden Spielern winken unter anderem noch mehr Statistiken, Freundeslisten mit Bildern und ein Gästebuch. Alles Funktionen, die den Kontakt der Politiker untereinander vereinfachen. Was aber die politischen Inhalte und Mitspracherechte bei der Gesetzgebung angeht, ändert sich auch für den zahlenden Nutzer nichts.

Abwechslung könnte in den nächsten Jahren die Ausweitung des Spiels auf die gesamte EU bringen. Bisher gibt es Power of Politics nur für den deutschsprachigen Raum. "Wir werden alle Länder untereinander vernetzen, so dass Teilnehmer aus allen Ländern untereinander kommunizieren können", erklärt der Erfinder des Spiels, Peter Merschitz, "dafür werden wir auch eine Übersetzungsfunktion einbauen."

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