Online ins Auenland Ein Ring sie zu knechten...
"World of Warcraft" ist ein Phänomen. Weltweit bewegen sich rund 8,5 Millionen Online-Gamer in dem Multiplayerspiel. Softwarehändler beklagen stark zurückgehende Spieleverkäufe und machen "World of Warcraft" dafür verantwortlich. Denn, so das Argument, wer sich für das fantasievolle Online-Spiel begeistert, braucht nichts anderes mehr. Das Spiel scheint endlos: Immer neue Abenteuer locken in der virtuelle Welt, es gibt ständig neue Dinge, die man tun kann. Dazu setzt das Spiel wie kaum ein anderes auf Gemeinschaftsgefühl. Die monatlichen Abogebühren sind zudem weit günstiger als der Kauf eines neuen Spiels pro Monat.
Kein Wunder also, dass immer mehr Spielefirmen sich einen Teil des Online-Marktes sichern wollen. Bisherige Versuche konnten jedoch nicht einmal annähernd an den Erfolg des Vorbilds anknüpfen. Jetzt aber drängen zwei Spiele auf den Markt, die sich große Chancen ausrechnen dürfen, "World of Warcraft" substantielle Marktanteile abzunehmen. Ihr Vorteil: Sie haben nicht nur ein stark an den jeweiligen Millionenseller angelehntes Spielprinzip, sondern tragen zudem große Namen: "Der Herr der Ringe Online" und "Age of Conan" heißen sie.
Martialischer Trash bei "Conan"
Damit transportieren sie gerade für reifere Spieler Jugenderinnerungen und können vielleicht auch die locken, die sich für "World of Warcraft" noch nicht begeistern konnten.
Bei "Age of Conan" sind es die frühen Schwarzenegger-Fans. Das sind die, die sich heute verschämt an die mit Airbrush-Bildern dekorierten Jugendzimmer erinnern, sich aber immer noch ein Herz für muskelbepackten Trash bewahrt haben und ihre Fantasy-Comic-Sammlung gut verpackt aufbewahren. Wohl deshalb bleibt "Age of Conan" diesem Stil treu und wirkt durchaus barbarisch und martialisch. Kein Wunder, dass die norwegischen Entwickler von Funcom damit rechnen, dass das Spiel nur für Erwachsene freigegeben wird, wenn es Ende Oktober auf den Markt kommt.
Neues aus Mittelerde
Neues aus Mittelerde
Freundlicher hingegen kommt "Der Herr der Ringe Online" daher. Es ist der wahr gewordene Traum vieler Anti-Conans, Aushilfs-Hobbits und Möchtegern-Gandalfs: Endlich einmal selbst durch Mittelerde ziehen zu können, sich die im Buch ausführlich beschriebenen Landschaften anschauen und dort aufregende Abenteuer erleben.
Tolkiens Welt soll glaubhaft umgesetzt worden sein, sagen die Entwickler. Optisch ist das Hobbit-Game eine Pracht: Da liegt Hobbingen mit seinen putzigen Erdhäusern in grünen Auenland, da stapft Tom Bombadil durch die Wälder und da wirkt der Gasthof "Zum Tänzelnden Pony" in Bree genau so, wie man sich die düstere Spelunke aus dem Vorbild vorstellte.
In enger Absprache mit den Erben Tolkiens sei das Spiel entstanden, sagt Hersteller Codemasters. Alles musste von den Verwaltern Mittelerdes abgenommen und genehmigt werden. Das zahlt sich auch für die Spieler aus, denn schon bei einem kleinen Rundgang durch die Welt, beginnt man, Pläne zu schmieden und Listen von Orten zu machen, die man unbedingt besuchen will: Elronds Haus in Bruchtal, die düstere Wetterspitze oder auch die Minen von Moria. Diese werden aber erst später zu besichtigen sein, bisher endet Mittelerde-Online in Bruchtal. Doch weitere Gebiete sollen hinzukommen: Als kostenlose Erweiterungen, von denen die erste bereits im Juni erscheinen soll. Später sollen wohl auch kostenpflichtige Add-Ons folgen. So soll Mittelerde nach und nach zu jenem Gebiet anwachsen, das aus Büchern und Filmen bekannt ist.
Zuarbeit für die Gefährten
Wer jetzt aber glaubt, an der Seite der Gefährten Richtung Mordor ziehen zu können, hat sich zu früh gefreut: Das funktioniert nicht. Aus guten Gründen, wie die Entwickler glauben, denn sonst würde wahrscheinlich nur eine Karawane von Gandalfs, Aragorns und Gimlis durch Mittelerde ziehen. Alle anderen Schauplätze wären verwaist. Um den Posten des Ringträgers müssten wahrscheinlich Ringkämpfe ausgetragen werden. Von den Gefährten aber bekommt man trotzdem einiges zu sehen. Manchmal trifft man sie auf ihren Wegen, manchmal erteilen sie einem sogar Aufträge. So können die Spieler zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten, den Ring seiner Bestimmung zuzuführen.
Ein Rollenspiel soll "Der Herr der Ringe Online" sein, und das wird in eigenen Bereichen richtig ernst genommen. Eigene Server gibt es, auf denen auf dieses Element besonders geachtet wird. Im Gegensatz zu den normalen Servern gelten hier erweiterte Regeln. Schnelles Laufen zum Beispiel ist verpönt, die Figuren schreiten in Würde durch die Lande, Chatfunktionen dürfen nur benutzt werden, wenn sich die Avatare von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, am besten aber in einem der Wirtshäuser an einem Tisch sitzen.
Jeder soll hier die Möglichkeit haben, tatsächlich eine Rolle auszufüllen, sich noch stärker in die Welt von Mittelerde einzufühlen. Kontrolliert werden die Regeln von den Spielern selbst, wer öfter auffällt muss auf einen der normalen Server umziehen. Dort geht es etwas entspannter zu, wundersame Dinge geschehen aber auch dort. So berichtet ein Mitarbeiter des Herstellers davon, wie er eine einsame Gestalt traf, die auf einer Wiese stand und in sich versunken musizierte. Denn ab einer bestimmten Stufe können Spieler Musikinstrumente kaufen und sie über die Tastatur bedienen.
Erste Reaktionen von Spielern und Testberichte in den Fachzeitschriften schwärmen von dem Spiel, das liebevoll gestaltet ist. Der Herr der Ringe Online könnte World of Warcraft gefährlich werden. Und das wäre nur gerecht: Schließlich haben sich fast alle Rollenspiele bei den "Herr der Ringe"-Büchern bedient und auch die Fantasy-Wesen von World of Warcraft wären ohne Tolkiens Orks und Elben kaum vorstellbar.
"Der Herr der Ringe Online" für PC, ca. 40 Euro; die Abogebühren für die ersten vier Wochen sind im Preis enthalten, danach kostet das Abo 12,99 Euro pro Monat, USK: freigegeben ab 12 Jahren