"Spore Labor" Gamedesign mit Tom-Sawyer-Trick

"Sims"-Schöpfer Will Wright hat es geschafft: Zehntausende Menschen sind derzeit dabei, unentgeltlich Inhalte für sein nächstes Spiel "Spore" zu entwickeln. Mit einem Vorabhäppchen der Evolutionssimulation lassen sich jetzt schon wilde Kreaturen erschaffen. SPIEGEL ONLINE hat Gott gespielt.

Dinge, Projekte, Aktivitäten, die etwas mit dem Internet zu tun haben, "Irgendwas 2.0" zu nennen, ist derzeit sehr in Mode. Um es deutlich zu sagen: Es gibt eine lästige, beliebige, nahezu unterträgliche Flut von "Irgendwas 2.0"-Überschriften und -Titeln. Für das, was Will Wright im Augenblick mit dem Vorlauf zu seiner lang erwarteten Evolutionssimulation "Spore" vormacht, passt "Gaming 2.0" aber einfach zu gut: "Spore" setzt - wie das Web 2.0 - auf nutzergenerierte Inhalte wie nie ein Spiel zuvor.

Seit das "Spore-Labor", Kreaturenbaukasten und gewissermaßen der Prolog des Spiels, am Dienstag auf den Markt kam, haben sich laut den internen Statistiken über 100.000 Menschen der "Spore Community" angeschlossen. Gemeinsam haben sie bis zum Mittwochabend 175.000 Kreaturen erschaffen: Saurierähnliche, Dreibeinige mit fünf Augen, Schneckenartige mit Stoßzähnen, türkisfarbene Äffchen mit Haifischflossen.

All diese Kreaturen werden in den Fundus eingehen, aus dem sich die Spielwelten für all jene zusammensetzen sollen, die das eigentliche "Spore"-Spiel kaufen, wenn es im September auf den Markt kommt. Anders gesagt: Will Wright hat dafür gesorgt, dass sehr viele Menschen überall auf der Welt nicht nur kostenlos an der Entwicklung seines Spieles mitarbeiten, sondern sogar noch dafür bezahlen - das "Spore Labor" kostet knapp 10 Euro.

Nun ist aber Will Wright eben nicht irgendwer, sondern ein Ein-Mann-Innovationsmotor, einer, der schon mit "Sim City" und den "Sims" extrem erfolgreiche und gleichzeitig einzigartige Marken geschaffen hat, denen viele vorher keine Chance gegeben hätten. Und er hat, erwartungsgemäß, das Unglaubliche geschafft: Das Kreaturenerschaffen mit dem "Kreaturen-Designer" macht so viel Spaß, dass die Menschen eben in Scharen und ganz freiwillig Inhalte produzieren, an denen Wrights Studio Maxis und der Spiele-Publisher Electronic Arts dann am Ende Geld verdienen werden. Eigentlich ist das eine Frechheit, aber irgendwie kann man Wright nicht böse sein.

Wie Knetmännchen, bloß mit mehr Zähnen

Die Kreaturen aus dem Editor werden irgendwann auf andere stoßen, die dann, im eigentlichen Spiel, durch ihre Schöpfer vom Einzellerstadium bis zu galaxienerobernden Kulturen geführt werden sollen. Auf fernen Planeten werden sie dann manche der Geschöpfen treffen, die von Fans jetzt schon erschaffen werden. Vielleicht auch auf den Spontosaurier (siehe Bilderstrecke).

Die Bedienung ist intuitiv, man kann Wirbelsäulen langziehen, stauchen und verbiegen, Gliedmaßen per Drag-and-Drop an den unmöglichsten Stellen anbringen und sein Geschöpf mit den unterschiedlichsten Farbkombinationen und Mustern überziehen. Es ist ein bisschen wie Knetmännchen basteln, nur einfacher (und mit mehr Zähnen und schärferen Klauen).

Wright hat also nur, wie immer sehr erfolgreich, nachgemacht, was YouTube, MySpace, Sevenload und all die vielen anderen Web-2.0-Plattformen vorgemacht haben: Eine Methode entwickelt, andere gratis für sich arbeiten lassen, indem man es ihnen ermöglicht, Spaß oder Befriedigung aus dieser Arbeit zu ziehen. Nur geht Wright eben noch einen Schritt weiter: Er lässt sich dafür sogar noch bezahlen. Genau wie Tom Sawyer  das in Mark Twains Geschichte mit dem Gartenzaunstreichen gemacht hat.

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