Umfrage "Zukunft der Musik" Die Musikbranche verdirbt sich das Geschäft
Es war verdächtig lange ruhig geblieben in Apples kalifornischer Firmenzentrale. Denn immer wieder hatten Verbraucherschützer gefordert, das "FairPlay" genannte Digital Rights Management-System (DRM) solle auch an andere Hersteller lizenziert werden, Apple möge den iPod auch für andere geschützte Audio-Formate öffnen. Ein Affront, aber versuchen kann man es ja mal. Denn schließlich dienen die Mühen einem guten Zweck: Der Kundenfreundlichkeit, dem problemlosen Konsum von digitaler Kaufmusik.
Es war verdächtig ruhig geblieben, doch dann ließ Steve Jobs am Mittwoch dieses schlitzohrige Manifest verbreiten, in dem er sich von jeglicher Schuld an dem derzeitigen DRM-Dilemma freispricht. Sein Appell an die Musikindustrie: Lizenziert die Musik doch künftig einfach ungeschützt, er ziehe dann auch gern mit.
Der Bundesverband der phonographischen Wirtschaft (IFPI) reagierte prompt mit einer schäumenden Presseerklärung: Die Vorwürfe seien scheinheilig, und überhaupt möge Apple dem Namen "FairPlay" doch endlich mal gerecht werden. Der deutsche IFPI-Vorsitzende Michael Hantjes gesteht zwar ein, dass DRM nicht lebenslang gesetzt sein müsse, verweist für die aktuelle Diskussion aber auf die nach wie vor hohe Anzahl illegal getauschter Musiktitel in den Tauschbörsen. Ein alter Streit mit nicht weniger alten Argumenten. Vielleicht sollten die offenbar zerstrittenen Parteien einfach einmal auf ihre Kunden hören.
Ein wichtiger Aspekt der "Umfrage zur Zukunft der Musik", die das Darmstädter "Forschungsprojekt Zukunftsmusik" mit Unterstützung von SPIEGEL ONLINE Ende des vergangenen Jahres durchgeführt hat, war deshalb: Akzeptieren die Konsumenten DRM-geschützte Downloads? Welche Eigenschaften eines Downloads sind für sie wichtig? Mit rund 11.000 Teilnehmern ist die Umfrage die umfangreichste wissenschaftliche Studie zum Thema, die je durchgeführt wurde. Die Gesamtauswertung läuft noch, doch das Thema DRM haben wir aus aktuellem Anlass vorgezogen.
Reizthema DRM: Selbstschutz - oder Handelshindernis?
Zunächst fragten wir nach der Zahlungsbereitschaft für einen handelsüblichen Download, der DRM-geschützt ist und eine Klangqualität von 192 KBit/s aufweist. Das Ergebnis ist deutlich: Zum gängigen Preis von 99 Cent würden gerade einmal sieben Prozent der Befragten zugreifen.
Wir baten die Teilnehmer, sich in eine fiktive Kaufsituation zu versetzen, in der ein bestimmter Song in unterschiedlichen Ausstattungen im Angebot ist, etwa in verschiedenen Klangqualitäten. Diese Varianten wurden von den Befragten dann verglichen und bewertet. Das deutliche Resultat: Würde derselbe Titel bei ansonsten gleichen Konditionen ungeschützt angeboten, könnten sich plötzlich 82,3 Prozent der Nutzer zum Kauf entscheiden. Eine deutliche Absage an Nutzungsbeschränkungen für bezahlte Downloads.
Manche Musikfirmen befürchten mehr Piraterie, wenn das DRM gänzlich weggelassen würde. Eine häufig diskutierte Alternative sind digitale Wasserzeichen ("Watermarking"), bei denen eine Transaktions-ID in die Audiodatei eingebettet wird. Das beschränkt zwar nicht die praktische Nutzung des Titels. Wenn der Titel jedoch in einer Tauschbörse auftaucht, kann der ursprüngliche Käufer über das Wasserzeichen identifiziert werden.
Könnten digitale Wasserzeichen also ein Kompromiss zwischen den Interessen der Rechteinhaber und denen der Urheber darstellen? Die Ergebnisse legen das nahe: Einen Song mit Wasserzeichen würden bei ansonsten identischen Ausstattungsmerkmalen immerhin 60 Prozent der Umfrageteilnehmer erwerben. Doch bislang setzen nur wenige Dienste auf Wasserzeichen nicht zuletzt deshalb, weil insbesondere die großen Plattenfirmen die Zustimmung hierzu verweigern und die Technologie als noch nicht ausgereift gilt.
Michael Pütz, Marktforscher bei Sony BMG, hatte dagegen in einem Interview mit SPIEGEL ONLINE die Option des Wasserzeichens als überlegenswert eingeschätzt. Dabei ist es bei den Branchenriesen bislang jedoch geblieben. Und da ist sie dann wieder, diese merkwürdige Ruhe, die der Industrie möglicherweise mehr Schaden zufügt als die Risiken größerer Kundenfreundlichkeit das könnten.
DRM bleibt ein Thema, das polarisiert und dem von den Kunden zumeist mit strikter bis wütender Ablehnung begegnet wird. Auch die im Verlauf der Umfrage zahlreich eingegangen Zuschriften belegen dies.
"DRM und auch Kopierschutz bei CDs ist für mich und viele meiner Bekannten ein absolutes Killerargument", schrieb uns ein Leser. "Ich weiß ja nie, ob die CD im Auto funktioniert oder mein MP3-Player mit dem Download klarkommt."
Ein anderer Umfrageteilnehmer hat sich - zumindest von der legalen - digitalen Welt gleich ganz verabschiedet: "DRM heißt, dass mir das Eigentum verweigert und stattdessen ein eingeschränktes Recht großzügig gewährt wird. Dafür bin ich nicht bereit, auch noch Geld zu bezahlen. Also verzichte ich lieber."
Scheinheilig oder nicht: Ganz unrecht scheint Herr Jobs also nicht zu haben.