»Stoppt den Wahlbetrug!« skandieren Trump-Anhänger in den umkämpften Schlüsselstaaten – und das täglich, seit Joe Biden zum gewählten Präsidenten erklärt wurde. Es sind meist kleinere Gruppen, die sich zusammentun. Der befürchtete »Bürgerkrieg« auf den Straßen Amerikas ist ausgeblieben – es kommt vereinzelt zum Handgemenge.
Doch im Netz formiert sich der Widerstand.
Ayla Kiran, Ressortleiterin Social Media DER SPIEGEL
"Man kann schon sagen, dass der Hashtag "Stop the Steal" eine relevante Größe bekommen hat in den sozialen Netzwerken. Auch weil es da natürlich um Sichtbarkeit geht und darum, das Thema am Leben zu halten, haben republikanische Kongressabgeordnete zum Teil angefangen, das in ihren Usernamen zu setzen. Es gibt eine Facebook-Gruppe, die relativ schnell gesperrt wurde. Nichtsdestotrotz geht es jetzt, glaube ich, den Trump-Anhängern darum, die Sichtbarkeit zum Thema weiter voran zu tragen. Dabei hat man sich auch prominente Gesichter auf die Seite geholt, wie z.B. den Hollywood-Schauspieler Jon Voight , den Vater von Angelina Jolie."
Jon Voight, Schauspieler
"Dies ist unser größter Kampf seit dem Bürgerkrieg. Es ist ein Kampf der Rechtschaffenheit gegen den Satan. Ja, Satan. Denn diese Linken sind böse."
Die "StoptheStealers" rufen nun zu einem Protestmarsch in die Hauptstadt am Samstag auf. Einer der Hauptagitatoren ist der berüchtigte Verschwörungstheoretiker und Radiomoderator Alex Jones. Knurrend und murrend kündigt er den Einsatz von Truckern aus ganzem Land an:
Alex Jones, Radiomoderator
"Keine Sorge, Präsident Trump. Die Kavallerie ist unterwegs."
Und was macht der US-Präsident selbst? Er hat sich nur einmal öffentlich gezeigt seit der Wahlnacht. Ein Auftritt im strömenden Regen am Veteranentag – sehr präsidentiell und vor allem: stumm. Seine Kommentare hat er – wie gewohnt – via Twitter abgegeben. Trumps Account explodiert förmlich vor Wahlbetrugsvorwürfen.
Ayla Kiran, DER SPIEGEL
"Twitter hat vor der Wahl gesagt, dass sie Tweets, die den Ausgang der Wahl oder den demokratischen Prozess an sich angreifen oder unterminieren oder abstreiten, mit einem Warnhinweis versehen würden, dass hat auch ganz gut geklappt. Twitter geht davon aus, dass die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer die entsprechenden Tweets von Trump schon mit dem Warnhinweis gesehen hat. Zusätzlich behaupten Trump-Anhänger ja, Twitter habe Trumps Tweets geblockt. Das ist nicht wahr. Sie sind nur mit dem Warnhinweis versehen. Wenn man darauf klickt, erscheinen die Tweets trotzdem mit dem Hinweis. Aber das passt ihnen natürlich ganz gut ins Bild, dass man Trump zensiert habe. Was Trump weiterhin macht, ist ohne Kontext z.B. Videos zu teilen wie eines aus Kalifornien, wo man sieht, wie eine Ballot Box geleert wird."
Das Video deutet fälschlicherweise an, dass es sich beim Einsammeln der Briefwahlunterlagen aus den offiziellen Sammelboxen am Tag nach der Wahl um einen ungewöhnlichen Vorgang handelt – womöglich sogar um Betrug. Die Antwort der Behörden in Los Angeles auf das Video kam prompt: Das Einsammeln der am Wahltag versiegelten Boxen am Folgetag ist normales Procedere. Alle Wahlzettel werden bearbeitet, auch wenn das Endergebnis im Staat schon bekannt gegeben wurde – die Mehrheit für den Demokraten war zu diesem Zeitpunkt schon sicher. Der Pressesprecher des kalifornischen Justizministers kommentierte lapidar: "Es wird richtig angenehm sein, einen Präsidenten zu haben, der kein Internet-Troll ist."
Ayla Kiran, DER SPIEGEL
"Am 20. Januar 2021 um Punkt 12 Uhr Eastern Standard time werden die offiziellen Accounts WhiteHouse, Potus und Flotus an die neue Administration übergeben und die aktuellen Tweets werden archiviert unter White House 45. Was aber auch passiert ist, dass Trumps Account, sein Privat-Account, nicht mehr gesehen wird als die einer Person öffentlichen Interesses und auch nicht nur unter dem Schutz von Twitter fällt, was die Aussagen von der Staats- und Regierungschefs angehen, sondern er ist dann im Sinne von Twitter eine Privatperson wie du und ich. Das heißt, seine Tweets können geblockt werden. Das kann auch zu einer temporären bzw. dauerhaften Einschränkung oder Sperrung seines Accounts führen. Man muss aber dennoch sagen Trump geht aus dieser Präsidentschaft mit einem (Twitter-Account) von 90 Millionen FollowerInnen mit 30 Millionen FollowerInnen auf Facebook. Das ist natürlich immer noch ein großes und relevantes Werkzeug, um Leute zu erreichen und die Rechtmäßigkeit dieses Wahlergebnisses und die Rechtmäßigkeit der neuen Regierung auch weiterhin zu untergraben. Und das ist natürlich ein großes Problem."
Bis es so weit ist und der US-Präsident sich aus seinem Amt verabschieden muss, bleiben noch 69 Tage. Genügend Zeit für Donald Trump, um eine Menge Falschbehauptungen in die Welt zu setzen.