Adobe gegen Microsoft Kampf ums Video-Web

Dass Microsofts neue Web-Film-Software ausgerechnet "Silverlight" heißt, ist wohl kaum ein Zufall: Wer denkt dabei nicht gleich an Blitze? "Flash" heißt auch Adobes etablierte Konkurrenz dazu. Der Marktführer kontert die Attacke mit einem neuen Mediaplayer mit Film-Speicherfunktion und mehr.

Die Konkurrenz zwischen Adobe und Microsoft besteht seit langem, und doch schienen die Unternehmen die offene Konfrontation lang vermieden zu haben: Sie besetzten mit ihrer Media-Software unterschiedliche Nischen des Marktes.

Während Adobe sich mit seinem Flash-Player vor allem auf den Bereich der Web-Animationen und in Webseiten integrierbarer Video-Streams konzentrierte, besetzte MS mit dem Media Player eher die Nische der Multimedia-Download-Dateien. Letztlich ergänzten sich so die konkurrierenden Produkte. Was das eine nicht konnte, schaffte das andere.

Jetzt aber wollen beide alles und vor allem mehr als bisher. Im Kielwasser des Online-Werbebooms werden Technologien immer interessanter, mit denen sich Videoinhalte direkt in Webseiten einbetten lassen. Bisher hat hier Adobe mit Flash ganz klar die Nase vorn: Wie bei Harry Potter bringt Flash Bewegung in die Nachrichtenseiten im Web. So wie auch SPIEGEL ONLINE integrieren immer mehr Nachrichtenseiten Videos direkt in ihre Artikel (siehe nebenstehende Beispiel-Nachrichtensendung), geschätzt wird auch die Möglichkeit, andere mediale Inhalte darzustellen (wie etwa die Musikauszüge unter unseren CD-Rezensionen).

Solche Dinge konnte Microsoft bisher nicht. Wer auf einen MS-Medienlink klickte, bekam die betreffenden Inhalte zwar integriert in den Webbrowser, aber auf einer gesonderten Seite oder direkt im Media-Player zu sehen oder zu hören. "Silverlight", das heute vorgestellt wird , soll das ändern. Eine gezielte Bedienung von Windows-Vista-Features (und die aller Nachfolgeprogramme) soll die Verbreitung fördern, für Kompatibilität mit den großen Web-Browsern und auch mit Mac OS X ist gesorgt.

Einen Fehler will Microsoft allerdings nicht wiederholen: Silverlight zum integralen Bestandteil seiner Betriebssysteme zu machen, denn solche Taktiken hatten das Unternehmen in der Vergangenheit mehrfach in Konflikt mit Kartellbehörden gebracht. Microsoft, erklärte Manager Forest Key bei MSNBC (die Nachrichtenseite ist eine 18-prozentige MS-Tochter), setze auf die Produzenten von Web-Videoinhalten, sich für die neue Software zu entscheiden und sie ihren Nutzern zum Download zu empfehlen.

Flash kann jetzt mehr

In Panik wird man derweil bei Adobe kaum verfallen. Flash ist ein etablierter Standard, zudem bohrt Adobe das Format gerade auf. Denn auch der bisherige Spezialist für Sonderformate (PDF kommt aus gleichem Hause) sucht die offene Konfrontation. Flash soll vielseitiger werden, und gewährleisten soll dies ein eigener Media Player, der dann mit dem MS Media Player, mit iTunes oder WinAmp konkurriert.

Und weil die alle mehr oder minder das Gleiche können - nämlich Mediendateien abspielen, organisieren, Streamen, CDs rippen und Dateiformate konvertieren - setzt Adobe noch eins oben drauf: Der Adobe Media Player wird Funktionen enthalten, Web-Videos zu speichern.

In Zeiten des YouTube-Booms ist schon das ein nicht zu unterschätzender Trumpf, auch, wenn es nicht neu ist: Es gibt zahlreiche Programme, mit denen sich gestreamte Videos mitschneiden lassen. Wie deren Entwickler allerdings künftig ihre Brötchen verdienen wollen, erscheint unklar, denn Adobe will den Player kostenlos verteilen.

Das Programm ist auch für Inhalteanbieter attraktiv, denn es erweitert das Leistungsspektrum des Flash-Formats: Neu ist auch die Möglichkeit, Interaktionen in Web-Filme einzubinden. Das reicht von der Abstimmung über ein Video bis zu Bestellmöglichkeiten für das Online-Shopping - ein feuchter Traum für Online-Werber und Medienhäuser, die in der wachsenden On-demand-Kultur nach neuen Refinanzierungsmöglichkeiten suchen.

Denn einher geht eine massive Veränderung der Features von Flash-Videos: Nutzer werden begrüßen, dass sie Filme nicht nur speichern , sondern sie auch auf Handys übertragen sowie im Vollbildmodus sehen können. Für Werber und Medienunternehmen weit interessanter ist das Digital Rights Management (DRM) der Software: Nicht nur, dass sie nun Werbung einspielen können, die Videos werden auch "zählbar" - sie werden zu werberelevanten Klicks. Dazu kommt ein DRM, das sicherstellt, dass die Filme nicht zweckentfremdet werden. Der Anbieter kann bestimmen, ob die Filme verändert und in anderen Kontexten gezeigt werden können oder nicht.

Sowohl Microsofts Silverlight als auch Adobes Player-Software verfügen zudem über die Möglichkeit, aktuelle Informationen in laufende Streams einzubinden. So plant die Major League Basketball, mit Microsofts Silverlight ständig aktualisierte Spielstand-Nachrichten in Stream-Übertragungen einzubinden, berichtete am Montag das "Wall Street Journal". Adobe, heißt es in der gleichen Quelle, habe derweil einen Deal mit eBay in trockenen Tüchern, die eine auf Adobes neue Software aufsetzende Software anbieten wollen, die dynamischere Auktionen ermöglichen soll.

Denn Adobes Format löst sich auch vom Web-Browser. Die unterliegende Programmierplattform "Apollo" des Media Players kombiniert einen Stand-alone-Mediaplayer mit der Möglichkeit, Web-Inhalte live einzuspielen. Prinzipiell lässt sich damit so gut wie alles darstellen - man kann Apollo als Plattformübergreifendes web-basiertes Mini-Betriebssystem verstehen, wenn man will. Das eröffnet wie einst bei Java die Möglichkeit der Programmierung von Anwendungen, die auf allen Betriebssystem-Plattformen lauffähig wären - nur diesmal mit besserer Performance, behauptet Adobe.

Ob all das hält, was es verspricht, wird man erst in einigen Monaten sehen. Adobe kündigte die neuen Produkte im Rahmen einer Konferenz-Keynote am Wochenende an, hat aber bisher nicht viel mehr zu bieten als Screenshots und Feature-Listen. Microsoft ist da weiter: Silverlight steht in einer Vorversion für Anwendungs-Entwickler bereits zum Download bereit, eine Version für Endnutzer soll in den nächsten Wochen folgen.

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