Bundestagsanhörung Politiker rudern bei Datenschutzreform zurück

Macht die Bundesregierung einen Rückzieher beim Datenschutz? Im letzten Jahr hat sie einen besseren Schutz von Verbraucherdaten versprochen. Nun fürchtet die Industrie um Arbeitsplätze und Einnahmen - der Bundestag diskutiert eine Entschärfung der geplanten Gesetze.

Der Innenausschuss des Bundestages beschäftigt sich heute mit dem geplanten Gesetz gegen Datenmissbrauch. Nach den Unternehmen verlangen jetzt auch führende Politiker der SPD und der Union, dass der im Dezember vorgelegte Entwurf für einen besseren Schutz von Verbraucherdaten entschärft wird.

Nachdem im letzten Jahr zahlreiche Fälle von illegalem Handel mit Datensätzen bekannt geworden waren, kündigte die Bundesregierung an, das Bundesdatenschutzgesetz zu erweitern. Demnach muss der Nutzer der Weitergabe seiner Daten zu Werbezwecken künftig explizit zustimmen. Bisher hatten Kunden nur die Möglichkeit, einer Weitergabe ausdrücklich zu widersprechen. Eine Option, die nur selten wahrgenommen wurde.

Verlage, Versandhändler, Direktbanken und -versicherer sowie Meinungsforscher laufen gegen die Datenschutznovelle Sturm. Sie fürchteten Arbeitsplatzverluste und Steuerausfälle. Ohne Adresslisten würde ganzen Branchen das Rückgrat gebrochen, betonten Lobbyisten. Nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes erreichte die Bundestagsfraktionen eine Flut von Protestschreiben. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ), die berechtigen Bedenken der Wirtschaft müssten ernst genommen werden.

Sollte der Entwurf in seiner ursprünglichen Fassung durchkommen, dürfen Unternehmen die Verbraucherdaten nur noch mit schriftlicher Einwilligung weitergeben, einzig für die eigene Werbung ist keine Zustimmung notwendig. Diese Neuregelung entziehe der Wirtschaft die Grundlage für Kundenwerbung, so Unionsinnenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) in der NOZ.

Während die einen Politiker dafür werben, eine Lösung zu finden, die sowohl für die Branchen zufriedenstellend ist als auch dem Datenschutz gerecht wird, warnt der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), vor zu großen Zugeständnissen an die Wirtschaft. "Über Details der Ausgestaltung wird man reden können, im Zweifel muss aber der Verbraucherschutz Vorrang haben", so Edathy. Die Koalition müsse zu ihrem Versprechen stehen, nach den jüngsten Datenschutz-Skandalen einen Paradigmenwechsel zu vollziehen.

An der heutigen Bundestagsanhörung nimmt der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), Thilo Weichert, als Sachverständiger teil. Er ist der Meinung, die Neuerungen würden der Wirtschaft nicht schaden. Erreicht würde mit dem Gesetz voraussichtlich genau das Gegenteil: "ein intensivierter und verbesserter Dialog zwischen Verbraucher und Wirtschaft".

can/ddp/AFP
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