Business-Strategien Der Shop im Shop
Mit dem Beginn des Web-Booms Mitte der Neunziger entstand das erste "besitzerlose" Medium, in dem zuerst Infrastrukturen und Inhalte entstanden - und man sich dann die Frage stellte, wie und von wem das alles zu bezahlen sei. In den Jahren 1995 bis 1997 entstanden einige Business-Modelle, von denen es hieß, dies sei nun der Ansatz, wie man auch im Internet Geld verdienen könne.
Verlage versuchten, ihre Abo-Modelle auf das Internet zu übertragen - und scheiterten. "Micropayments" schienen ein Weg: Die Zahlung kleiner Summen für einzelne Informationen. Auch das war eine Totgeburt, denn "Information wants to be free", wie es im Web hieß. Wer Geld verlangte, wurde von den Surfern gemieden. Zuletzt glaubte noch die Verlagsgruppe Handelsblatt, ihre Inhalte im Web verkaufen zu können - und scheiterte. Nach knapp einem Jahr gaben die Düsseldorfer im Spätsommer dieses Jahres auf.
Vielleicht sind die ersten Ideen am Ende doch die besten. Mit der erste Ansatz, den Unternehmen fanden, um im Web Profit zu suchen, war das Konzept der "Mall", der virtuellen Einkaufsstraße. Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel war 1995/96 die Mall des "MAZ-Net" (inzwischen aufgegangen in den IS Internet Services). Was als Homepage mit einer verblüffend großen Dichte werbender Klickbuttons begann, endete als Homepage mit einer noch verblüffenderen, noch höheren Dichte von noch mehr Klickbuttons. Das Konzept funktionierte nicht, die Einkaufsstraße entstand nur in den Köpfen der Werbefachleute. Der User sah Klickbuttons - mehr nicht.
Dabei schien das Konzept naheliegend: Wenn das Web ein "verteiltes" Medium ist, ohne Zentrum, dann baut man halt eines! Eine Denke, die in der "realen Welt" - siehe CentrO Oberhausen und ähnliche Projekte - durchaus funktionieren kann. Nur im "Cyberspace" funktioniert sie eben nicht. Anbieten kann man konkrete Waren und Dienstleistungen, nicht aber Unternehmen: Wer zu www.opel.de will, surft selbst hin - und braucht sicherlich keine "Mall" dazu. Firmenadressen sucht man auch nicht auf der Einkaufsstraße, sondern im virtuellen Branchenbuch. Surfer gehen dorthin, wo sie sich einen Nutzen versprechen. Dort kann und muss man sie mit entsprechenden Angeboten überraschen, und das erkennen nun auch Großunternehmen.
Doch was tun? Die Lösung liegt nahe: Wenn schon das Konzept der Einkaufsstraße nicht funktioniert, vielleicht könnte man irgendwo eine Filiale eröffnen? Mit einem kleinen, mobilen Marktstand der surfenden Kundschaft hinterher ziehen?
Wenn die Deutsche Bank 24 so etwas versucht und Untermieter beim Internet-Portal Yahoo wird, dann spricht man von "Kooperation", nicht von "Standgebühr". Die Kunden der Deutschen Bank können sich ihren Kontostand ab Januar nicht mehr nur auf der Internet-Seite der Bank 24 anzeigen lassen, sondern auch auf ihrer persönlichen Seite bei Yahoo. "Wir wollen als Bank dorthin gehen, wo sich viele Menschen im Internet aufhalten", sagt Rainer Necke, Generalbevollmächtigter der Deutschen Bank. Die Präsenz auf den Seiten von Yahoo sei die erste "virtuelle Zweigstelle" des Instituts im Internet.
Ein ähnliches Shop-in-Shop-Konzept verfolgt die Lufthansa. Sie will "überall dort präsent sein, wo der Kunde möglicherweise ein Flugticket kaufen möchte", sagt der Leiter der Abteilung Vertriebsstrategie, Markus Orth. Erster Partner ist die Autovermietung Sixt. Auf der Sixt-Seite im Internet verweist nun ein "Lufthansa Info Gate" zu einer gemeinsamen Seite von Lufthansa und Sixt. Dort können Flüge gebucht werden.
Mit solchen Allianzen wollen Firmen Internet-Kunden möglichst in einem Netzwerk von Partner-Unternehmen halten: Es entsteht ein "vernetzter Marktplatz". Eine Art virtueller Basar, der gar nicht mehr versucht, einen Ort zu haben: Ein engmaschiges, in sich geschlossenes Netz aus Links wird zu den Gässchen, die die einzelnen Geschäfte des Basars miteinander verbinden. Gleichzeitig werden Konkurrenten ausgesperrt. Deshalb unterstreicht Yahoo-Geschäftsführer Peter Würtenberger, sein Portal werde so schnell mit keiner anderen Bank kooperieren.
Auch Sixt und Lufthansa bevorzugen sich gegenseitig: Die Fluggesellschaft ist auf der werbefreien Sixt-Homepage zu finden, und Sixt seinerseits wird von Lufthansa als "bevorzugter Partner" auf den ebenfalls werbefreien Seiten der Lufthansa ausführlicher dargestellt als die Konkurrenten.
Nicht zuletzt bringen die Allianzen Geld in die Kasse. Die Deutsche Bank bezahlt für die Einbindung in das Yahoo-Angebot, spart aber die Kosten für die Werbebanner dort. Zusätzliche Einnahmen etwa durch eine gemeinsame Kreditkarte oder neu geworbene Kunden teilen sich beide Unternehmen.
Diese Erträge werden in den nächsten Monaten noch gering sein. Doch der Handel über das Internet wird nach allen Prognosen stark zunehmen. Nach Angaben des Internet-Investment-Unternehmens CMGI gehen allein im Dezember in Deutschland täglich etwa 50.000 Haushalte online. Jeder dieser Internet-Benutzer habe 1999 für durchschnittlich 77 Euro Waren und Dienstleistungen bestellt. CMGI selber hat im August die Mehrheit am Internet-Portal Altavista übernommen.
Um diese Kunden zu erreichen, will die Lufthansa im Internet viele parallele Vertriebswege aufbauen. Orth vergleicht die Strategie der Lufthansa mit der von Markenartikeln, die ein Image aufbauen: "Die platzieren ihre Marken auch, indem sie in immer mehr bestehende Läden reingehen." Shop in Shop - das ist auch die eigenständige Parfümerie im Kaufhaus. Neben den Portalen will die Lufthansa ihr "Info-Gate" auch anderen Marken in der Reise- und Transport-Branche anbieten. Mögliche Partner seien Hotelketten, Reiseveranstalter und -versicherungen. Die Website der Lufthansa: Flugterminal mit Ladenstraße.
Nach Ansicht der Lufthansa profitieren beide Seiten von der Zusammenarbeit: Die Lufthansa wolle mehr Tickets verkaufen und präsenter sein. Internet-Firmen suchten andererseits Partner mit Renommee - die Kooperation mit der Lufthansa werte ihre Internet-Seiten auf. Yahoo-Chef Jerry Yang stimmt dem zu: Der Aufbau von Marken gewinne im Internet stark an Bedeutung. Die Branche nennt das "Branding". Nur ist längst nicht immer ausgemacht, wer hier wen "brandet": Yahoo ist online eine erheblich stärkere Marke als zum Beispiel die Lufthansa. Ein Indikator mag hier sein, wer hier bei wem einen kleinen, mobilen Shop eröffnet.
Während Yahoo, Deutsche Bank, Lufthansa und Sixt Probephasen vereinbart haben, ist das US-Internet-Kaufhaus Amazon.com schon weiter: In der Abteilung zShops kann seit Oktober in Deutschland jedes Unternehmen Produkte anbieten. Dafür kassiert Amazon eine Gebühr. So bieten Online-Computerversandhäuser ihre Rechner nicht nur auf der eigenen Homepage an, sondern auch bei Amazon. Aylin Achcenich, Geschäftsführerin des Versandhauses Sendamac, sieht für ihre Firma die Chance, vom bekannten Namen Amazon zu profitieren. "Wir haben schon etwas davon, wenn die Leute nur einmal unseren Namen auf der Amazon-Seite sehen."
Kai Hattendorf/Frank Patalong