Dialer Vorsicht vor dem "OK"

Wer kennt ihn nicht, den ärgerlichen kleinen Kasten? Keck springt er auf und verlangt ein "OK" von uns - worauf sich der Preis der Internetverbindung prompt vervielfacht. Otto Normalverbraucher kommt das kriminell vor, verboten ist es aber nicht: Ein Grund mehr, sich vor "Dialern" zu hüten.

Wochenlang hatte sich die werdende Mutter überlegt: Welchen Namen soll unser Kind bekommen? Schließlich ging sie ins Internet und landete über eine Suchmaschine bei der in Zartrosa gehaltenen Website vornamen.de, wo unter zwei süßen Babyfotos die Top 100 der Vornamen versprochen werden.

Nach einem Mausklick forderte ein Pop-up-Fenster die Zustimmung zur Nutzung des "Premiumbereichs". Daraufhin musste noch einmal ein "Ja" angeklickt und wieder ein "OK" eingegeben werden. Stutzig wurde die Besucherin der Web-Site erst, als ein "Anwählprogramm" installiert wurde.

Doch da war es schon zu spät. In der nächsten Telefonrechnung wurden 25,28 Euro für eine drei Sekunden dauernde Verbindung zu eine 0900-Nummer abgebucht. Erfahrene Internet-Nutzer sehen darin vielleicht die Quittung für ein naives Verhalten. Aber nach Auskunft der Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikation (RegTP) fallen nach wie vor tausende Menschen auf solche Dialer-Geschäfte herein. Allein 2004 habe es rund 50.000 Beschwerden gegeben, sagt Behördensprecher Rudolf Boll.

Dabei verstoßen die Dialer-Schleudern bislang nicht gegen geltendes Recht. Der gesetzlich vorgeschriebene Hinweis auf entstehende Nutzungskosten taucht bei vornamen.de bereits auf der Startseite auf. Allerdings versteckt sich der Hinweis am untersten Rand der Seite: "Dieses Angebot ist nicht geeignet für Personen unter 18 Jahren. (29,95/call aus Deutschland)".

Nicht illegal: Dialer kassieren für "Mehrwertdienste"

Auch das ist nicht illegal: Das deutsche Recht beschränkt die Kosten für die Einwahl in einen "Mehrwertdienst" auf pauschal 30 Euro (respektive 2 Euro pro Minute bei zeitabhängiger Abrechnung). Alles darunter mag den wohl meist unfreiwilligen Kunden kriminell vorkommen, ist es aber nicht. Der Versuch, ein härteres Recht durchzusetzen, war am Widerstand der Opposition im Parlament gescheitert.

Also geht es munter weiter, mit kostenpflichtigen Mehrwert-Angeboten zu jedem erdenklichen Thema: Ähnlich wie bei vornamen.de verhält es sich bei den Web-Sites hausaufgaben.de und referate.de, die Hilfen für Schüler, Eltern und Lehrer versprechen. Wenn man sich weiter klickt, landet man aber bei kostspieligen Einwählprogrammen.

Gleiches gilt für die Domain malvorlage.de, die "geeignete Malvorlagen für Ihr Kind" anpreist. Unter den ähnlich gehaltenen Sites wohnung.de und pflanzen.de wird sogar eine Vergütung für die Anwerbung weiterer Dialer-Kunden in Aussicht gestellt, die interessante Aufschlüsse über das Geschäft gibt.

Leicht verdientes Geld: "Kunden" zu Dialern lotsen

Für jeden Kunden wird eine Standardvergütung von 65 Prozent oder 0,83 Euro netto pro Minute versprochen. "Beispiel: Sie schicken täglich auf pflanzen.de 100 Besucher. Davon wählen sich 10 Besucher durchschnittlich 5 Minuten ein. Sie verdienen pro Tag also: 10 Besucher mal 5 Minuten mal 0,83 Euro = 41,50 Euro Netto. Das sind pro Monat 1245 Netto! Einfacher geht es nicht Geld zu verdienen!"

Versuche, mit den Betreibern der Sites in Kontakt zu treten, schlagen fehl: Entweder führen sie zu einer Firma im hessischen Büttelborn oder nach Österreich. Unter den angegebenen Telefonnummern hebt niemand ab, E-Mails werden nicht beantwortet.

Die Regulierungsbehörde verweist darauf, dass die jüngste Verschärfung des Telekommunikationsgesetzes Dialer-Missbräuche ausschalten soll: Das dritte und letzte "Zustimmungsfenster" (Pop-up) muss demnach den eindeutigen Hinweis auf den Preis des Mehrwertdienstes sowie eine Wahl 'ja' oder 'nein' enthalten.

Das Mehrwertdienstmissbrauchgesetz ist seit 17. März 2005 in Kraft. Laut Behördensprecher Boll gilt es aber nur für neu registrierte Dialer. Bereits bestehenden Anbietern wurde eine Übergangsfrist bis 16. Juni eingeräumt, um ihnen einen "Bestandsschutz" zu gewähren. Jochen Diebel vom Interessenverband Deutsches Internet (IDI) versteht dagegen nicht, "warum man Betrügern drei Monate extra gibt". Den Hintermännern der Sites gehe es um "reine Abzocke".

Diebel zufolge reißen sich die Verantwortlichen frei werdende attraktive Domains mit guten Google-Rankings sofort unter den Nagel. "Die sind wie die Geier und klatschen dann irgendwas drauf." So sei die IDI-Adresse robinsonlist.de einmal versehentlich als frei annonciert worden. "Zehn Minuten später kam ein Münchner Dialer darauf", berichtet Diebel.

Betroffenen rät Diebel nur, sofort Widerspruch gegen die Telefonrechnung einzulegen. Dann müsse die Dialer-Firma die Kosten selbst einfordern. Allerdings seien die Urheber sehr erfindungsreich. "Ich bin gespannt, welche neuen Schlupflöcher die im Juni finden, sagt er. Immerhin sei es technisch möglich, dass schon allein der Besuch einer Web-Site Geld kostet.

Nikolaus von Twickel, AP

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