Digitale Collagen
Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
Bilder kann man nicht nur machen, sondern regelrecht komponieren: Was früher profan Collage hieß, ist heute das Bildcompositing. Welchen Stellenwert dabei die Technik hat und was Sie beim Fotografieren für ein Compositing beachten sollten, zeigt Uli Staiger.
Wer sich heute eine Zehn-Megapixel-Kamera zulegt, der hat in puncto Abbildungsqualität ein Gerät, das dem klassischen Kleinbildfilm in vielfacher Hinsicht ebenbürtig oder gar überlegen ist. Auch wenn die Zeiten, als man Kameras noch für unbestimmte Zeit gekauft hat, längst passé sind, sollten wir eingedenk dieser Tatsache die Grundlagen der Fotografie eingehender betrachten.
Obwohl digitales Fotografieren sich anders anfühlt als analoges, was die meisten Fotografen bestätigen, die einmal der Verheißung des kleinen Monitors auf der Kamerarückseite erlegen sind, scheint es erstaunlich wenige Unterschiede im Handling zu geben. Zeit, Blende und Empfindlichkeit werden wie bisher auch entsprechend einer Belichtungssituation frei gewählt oder vom Messsystem der Kamera vorgegeben. Das Bildkorn ist dem Rauschen gewichen, wo also sind sie, die großen Unterschiede?
Ganz klar: Der Bedienkomfort ist gestiegen, Gewicht und Abmessungen der Gehäuse mitsamt den Kosten pro Bild drastisch gesunken. Trotz fieser Kreativfallen wie dem allgegenwärtigen Zoomobjektiv oder sich ausbreitender Löschmentalität ist eines besser denn je: Bilder drucken, verschicken, manipulieren, bearbeiten, verfremden oder sie zu einem großen ganzen, völlig neuen Bild zusammenzufügen, eröffnen völlig neue Möglichkeiten im Umgang mit dem bald 180 Jahre alten Medium.
Die entfesselte Phantasie eines gelungenen Compositings gibt's aber leider nicht gratis wie eine Speicherkarte oder einen Ersatzakku an der Kasse dazu, sie fordert in erster Linie Lernbereitschaft. Wer seine Ideen umsetzen möchte, muss anders fotografieren, umdenken. Nicht das eine Bild zählt, in dem die gesamte Bildaussage liegt, vielmehr ist die Idee wichtig, die aus vielen Einzelbildern zusammengetragen wird. Die Phantasie ist unersetzbar, doch sie erfordert einen neuen Blick, quasi eine zielorientierte Strategie, um die Einzelstücke zu erkennen und dem späteren Pixelmosaik angemessen zu fotografieren. Was es dabei zu beachten gilt und was Sie unbedingt vermeiden sollten, erfahren Sie hier.
Alte Kamera?
Wenn Sie das Gefühl haben, mit Ihrer "alten" Sechs-Megapixel-Kamera fast schon einen Oldtimer zu besitzen: Fotografieren Sie damit, warten Sie nicht auf "das" Modell. Neuere Technik hilft, doch sie macht nicht die besseren Bilder. Die machen nur Sie selbst.
Foto: Uli Staiger
Zoom Boom
Nur wenige fotografische Stilmittel haben einen derart großen Einfluss auf die Bildwirkung wie die Wahl der Brennweite. Überlegen Sie vor der Aufnahme, ob Sie die starke Perspektivwirkung des Weitwinkels oder eher die flache Perspektive des Teleobjektivs wollen.
Foto: Uli Staiger
Rohkost
Selbst die Automatikfunktionen eines Raw-Konverters, der beispielsweise in Photoshop ab der Version CS vorhanden ist, liefern ein besseres Ergebnis als die anonymen Algorithmen des Fertigproduktes jpg, auf deren Wirkung man keinerlei Einfluss hat.
Foto: Uli Staiger
Zeitrechnung
Verwacklungsunschärfe bedeutet oft das Aus fürs Bild. Zeit und Brennweite sollten in einem direkten Verhältnis zueinander stehen, also zum Beispiel: Verwendet man ein Objektiv von 50 Millimeter Brennweite, sollte die Belichtungszeit nicht länger als 1/50 Sekunde sein.
Foto: Uli Staiger
Stitchen? Nur mit Stativ
Bei der Erstellung von Panoramen sorgt ein sauber ausgeleveltes Stativ für gerade Einzelaufnahmen, aus denen sich dann das Panorama zusammenstitchen lässt. Auch Aufnahmen in der Dämmerung sollten Sie unbedingt mit Stativ machen.
Foto: Uli Staiger
Ex oriente lux
Die Festlegung auf eine Lichtrichtung ist eine Voraussetzung für ein einheitliches Erscheinungsbild des späteren Compositings. Weiches Licht, wie bei bedecktem Himmel, ist einfacher zu handhaben als das harte Sonnenlicht.
Foto: Uli Staiger
Perspektive
Welche Perspektive wollen Sie haben? Betrachten Sie die Kuh von oben oder liegt der Horizont der Aufnahme tief, was das Tier groß und majestätisch erscheinen lässt? Oft sind es nur geringe Unterschiede im Standpunkt oder der Kamerahöhe, die ein Bild verwendbar machen, schonen Sie in solchen Situationen also nicht Ihren Auslösefinger.
Foto: Uli Staiger
Kontrolle
Vergleichen Sie das Bild des Kameramonitors mit einem Ausdruck der Datei, in die das eben fotografierte Detail eingebaut werden soll. Besser: Sie haben einen Rechner dabei, stellen das Motiv grob frei und überprüfen, ob es passt oder ob Sie Ihren Standpunkt ändern müssten.
Foto: Uli Staiger
Schmuddelecke
Wenn möglich, vermeiden Sie das Ausnutzen des Formates speziell in den Ecken. Nicht alle Objektive sind asphärische Glaswunder, die Fehler wie chromatische Aberration oder Verzeichnung bei Weitwinkeln so weit ausgleichen, dass sie vernachlässigbar werden.
Foto: Uli Staiger
Größe
Legen Sie die ungefähre Größe des jeweiligen Details schon vor der Aufnahme fest, sonst kann es passieren, dass bei formatfüllender Abbildungsgröße die Schärfentiefe zu gering ist, was sich in sehr störender, partieller Unschärfe äußert.
Umgebung
Vermeiden Sie unruhige Hintergründe, sie machen ein schnelles und vor allem überzeugendes Freistellen schwer. Versuchen Sie für genügend Kontrast von Motiv und Hintergrund zu sorgen!
Foto: Uli Staiger
Archiv
Motive, die Sie in unterschiedlichen Erscheinungsformen immer wieder benötigen, sollten Sie archivieren. Dazu gehören bei mir Himmel, Wellen, Wasserflächen, Flugzeuge, Schiffe und technische Strukturen. Dann lohnt es sich, stets eine Kamera dabei zu haben, denn gute Motive lassen sich schlecht vorhersehen.