Digitale Fotografie Tipps für das Bild der Bilder
Die meisten E-Mails, die ich nach dem ersten Band meines neuen Buchs erhalten habe, bezogen sich auf das letzte Kapitel - Tipps für das Bild der Bilder.
Ich zeige Ihnen in diesem Artikel einige meiner Aufnahmen und verrate Ihnen Details, wie Sie ähnliche Aufnahmen erzielen, welches Material Sie dafür benötigen, zu welcher Tageszeit Sie fotografieren sollten und welche Einstellungen notwendig sind etc. Es handelt sich also um Rezepte für das Bild der Bilder.
Auch wenn es Fotografen gibt, die alles für eine Aufnahme tun würden, so sollten Sie wissen, dass ich nicht dazugehöre. Ich habe sogar schon oft mit dem Gedanken gespielt, eine Gewerkschaft für Leute wie mich zu gründen und sie "Internationale Gewerkschaft angehender Fotografen" zu nennen.
Der Gedanke, der dahintersteckt, wäre dann dieser: "Zu jeder Aufnahme, die es wert ist, sollte man hinfahren." Ideal wäre es, zu einem Ort zu fahren, das Fenster herunterzukurbeln, das Foto zu machen und wieder zu verschwinden. Das wäre die bequemste Variante. Es gäbe eine spezielle Anerkennung für Mitglieder, die es in einem Umkreis von circa 15 Metern um uns aushalten.
Eine Regel besagt: "Sollte sich eine einmalige Chance zum Fotografieren ergeben, kann sich das Mitglied bis zu 15 Meter von seinem Auto fortbewegen, muss dabei jedoch den Motor und die Klimaanlage laufen lassen."
Dann stellte ich jedoch fest, dass ich damit die meisten Studiofotografen ausschließen würde, deshalb habe ich extra einen Spezialabsatz in Regel 153.45, Abschnitt B, eingefügt: "Ein Studiofotograf sollte es vermeiden, die Pose seines Objekts zu verändern, um das Licht nicht unangenehmerweise neu ausrichten zu müssen." Auch wenn es sich bei den Studiofotografen nur um eine kleine Gruppe handelt, müssen sie trotzdem beachtet/mit einbezogen werden.
Jetzt aber zu den konkreten Bildbeispielen!
Wasserfall

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: eine mitreißende Aufnahme eines seidigen Wasserfalls mit vielen Details in der gesamten Tiefe. (Hinweis: Der Wasserfall befindet sich im Yosemite Nationalpark.)
(1) Für dieses Motiv benötigen Sie einen starken Weitwinkel - ich wählte hier zwölf Millimeter (das ist noch kein Fischauge, einfach nur ein Super-Weitwinkel).
(2) Um die Schärfentiefe zu erreichen, fotografieren Sie mit Zeitautomatik (A) und wählen für die Blende die höchste zur Verfügung stehende Zahl (hier f/22), um alles scharf abzubilden.
(3) Sie benötigen unbedingt ein Stativ, denn bei der Blende f/22 bleibt der Verschluss sehr lange geöffnet.
(4) Ein weiterer Vorteil der Blende f/22 ist, dass der Wasserfall schön seidig erscheint (vielleicht kennen Sie diesen Trick noch aus dem ersten Band des Buchs). Benutzen Sie nach Möglichkeit eine Fernbedienung oder den Selbstauslöser der Kamera, um Verwacklungen während des Auslösens zu vermeiden.
(5) Der letzte wichtige Schlüssel ist der richtige Aufnahmezeitpunkt: die Morgendämmerung. (1) Dadurch, dass es noch etwas dunkler ist, bleibt der Verschluss noch länger geöffnet und das Wasser sieht noch seidiger aus. (2) Sie finden diese Lichtqualität und die netten weichen Schatten nur zu dieser Tageszeit (und bei Sonnenuntergang). Also los, stehen Sie zeitig auf und machen Sie die Aufnahme!
Teller

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: sehr geringe Schärfentiefe (die vordere Ecke des Tellers ist unscharf, ebenso der hintere Teil). Der Mittelpunkt, das Dessert, ist sehr scharf und das Licht einfach großartig.
(1) Setzen Sie sich am besten in die Nähe eines Fensters, dort gibt es natürliches Licht. Ich habe dieses Foto in einem Restaurant aufgenommen und den Kellner gebeten, uns einen Tisch in Fensternähe zu geben. Da stand ein Tisch an einem Nordfenster und als wir daran vorbeiliefen, fragte ich, ob wir den haben könnten, was man uns gerne zugestand. Plazieren Sie den Teller so, dass das Licht von der Seite darauf fällt (um die Tiefe zu verstärken).
(2) Um den Teller aus dieser kurzen Distanz zu fotografieren, benötigen Sie ein Makroobjektiv oder eine Nahlinse. Ich montierte eine Nahlinse von Canon auf meinem 17-55 Millimeter-Objektiv von Nikon, das ich mit der Blende f/2.8 verwendete. Ein Makroobjektiv oder eine Makroeinstellung tun es aber auch.
(3) Makroobjektive und Nahlinsen besitzen bereits eine geringe Schärfentiefe. Bei einem Motiv wie diesem arbeiten Sie am besten mit der kleinsten Blende (f/2.8 oder f/4).
(4) Fotografieren Sie mit einem Makroobjektiv, brauchen Sie ein Stativ - ich nutzte hier ein ganz kleines, das gerade groß genug war, meine Kamera zu halten.
(5) Um die Weichzeichnung im Bild zu minimieren, sollten Sie den Selbstauslöser der Kamera verwenden (oder einen Fernauslöser, wobei das in einem Restaurant etwas komisch aussehen könnte).
Gesichtshälfte

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: weiches, hübsches, natürliches, gerichtetes Licht, die Schatten auf der dunkleren Gesichtshälfte sind nicht allzu dunkel.
(1) Der Schlüssel zu dieser Aufnahme ist das Licht - für dieses unglaubliche Licht sollten Sie die Personen ca. zwei Meter neben einem Nordfenster positionieren - am besten etwas hinter dem Fenster, damit das Licht nicht direkt, sondern nur leicht auf die Personen fällt (so wird es schön weich).
(2) Um die dem Licht abgewandten Gesichtshälften nicht zu dunkel werden zu lassen, plazieren Sie rechts neben den Personen (aus Sicht der Kamera) einen silbernen Reflektor - am besten so nah wie möglich, aber ohne dass er im Bild zu sehen ist. Stellen Sie ihn auf wie eine Wand, leicht versetzt nach vorn (damit das reflektierte Licht von vorn und nicht von hinten auf die Personen fällt).
(3) Da das Licht hier etwas schwächer ist, sollten Sie mit einem Stativ fotografieren, um ein möglichst scharfes Foto aufzunehmen.
(4) Um den kurzen Abstand zwischen den Personen zu realisieren, nutzen Sie am besten den Trick, den ich Ihnen bereits in Kapitel drei gezeigt habe, lassen Sie sie zusammenrücken.
(5) Bringen Sie zwischen sich und den Personen einen Abstand von 3 bis 3,5 Meter und fotografieren Sie mit einem Zoomobjektiv (in einem Bereich von 110 Millimeter bis 140 Millimeter).
Model Stephanie Cross

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: weiches, natürliches Licht, ein heller Hintergrund, scharfe Details und alles in allem ein sehr energiegeladenes Foto.
(1) Das Foto habe ich vor einem weißen, nahtlosen Hintergrund aufgenommen (das Model ist Stephanie Cross, Nachrichtensprecherin bei Photoshop User TV). Damit der Hintergrund so schön weiß aussieht, richten Sie direkt einen Blitz darauf. Plazieren Sie diesen hinter der Person, damit sie ihn verdeckt. Falls Sie einen Belichtungsmesser benutzen, sollten Sie einen helleren Wert nehmen als für die Person (halten Sie den Belichtungsmesser unter das Kinn und richten Sie das Gerät dann auf die Kamera - zeigt es f/11 an, verwenden Sie für den Hintergrund f/8. Verstärken Sie ansonsten den Blitz, bis Sie den Wert f/8 erreicht haben).
(2) Dieses Foto habe ich mit nur einem Blitz und einem Reflektor aufgenommen. Ich verwendete eine 7' Elinchrom Octabank-Softbox und positionierte diese in einem Winkel von 45 Grad rechts vor dem Model. Für extrem weiches Licht, wie es hier zu sehen ist, arbeiten Sie mit einer wirklich großen Softbox und plazieren diese so nah wie möglich an der Person (das ist das Geheimnis).
(3) Damit die Schatten auf der rechten Gesichtshälfte nicht zu dunkel werden, sollten Sie einen Silberreflektor verwenden, um einen Teil des Lichts zu reflektieren und auf das Gesicht fallen zu lassen.
(4) Für das wehende Haar verwenden Sie einfach einen Ventilator.
Männerporträt

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: ein sehr ausdrucksstarkes Porträt, geeignet für Männerporträts mit sehr theatralischer Beleuchtung. Die Freistellung verleiht dem Foto eine noch intensivere Wirkung.
(1) Für solche Aufnahmen benötigen Sie ein geeignetes Blitzgerät, wie das SB-800 von Nikon (mit dem ich diese Aufnahme gemacht habe) oder das 580EX beziehungsweise EX II von Canon.
(2) Für die Beleuchtung trennen Sie Blitz und Kamera räumlich - Sie benötigen also entweder einen drahtlosen Blitz oder ein wirklich langes Kabel.
(3) Leiten Sie den Blitz durch einen Diffusor, damit er schön weich aussieht (für diese Aufnahme verwendete ich einen Lastolite TriGrip-Diffusor, den ich auf einem Lichtstativ befestigte).
(4) Positionieren Sie das Licht rechts von der Kamera. Der Winkel zur Person sollte etwa 45 Grad betragen. Plazieren Sie den Diffusor dann so nah an der Person wie möglich, ohne dass er im Bild zu sehen ist. Der Blitz sollte sich etwa 30 Zentimeter dahinter befinden.
(5) Sie benötigen für solch ein Foto weder einen Reflektor noch ein Stativ (der Blitz friert das Motiv ein).
stille Wasseroberfläche

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: eine spiegelglatte, stille Wasseroberfläche, ein wunderschöner Himmel, reichhaltige Farben und ein weitläufiger Ausblick.
(1) Der Schlüssel für diese Aufnahme ist (einmal mehr) der Aufnahmezeitpunkt. Fotografieren Sie diese Art Foto etwa 30 Minuten nach Sonnenuntergang (jeder andere hätte zu diesem Zeitpunkt seine Sachen schon wieder zusammengepackt, aber oft bietet sich erst dann das schönste Licht). Die Horizontlinie befindet sich hier im unteren Drittel des Fotos und erzeugt Weitläufigkeit.
(2) Unter solch schwachen Lichtbedingungen brauchen Sie natürlich ein Stativ und einen Fernauslöser oder den Selbstauslöser der Kamera, um zu verhindern, dass die Kamera verwackelt. Da Sie mit einem Stativ arbeiten, können Sie ruhig einen ISO-Wert von 100 verwenden, um Bildrauschen zu reduzieren.
(3) Nutzen Sie ein Weitwinkelobjektiv (hier verwendete ich ein 12-24 Millimeter-Objektiv mit der Blende f/2.8 und der Brennweite 19 Millimeter).
(4) Für diese Art Foto sollten Sie die Blende f/8 oder eine höhere Zahl wählen.
(5) Für solch eine spiegelglatte Wasseroberfläche benötigen Sie Glück. Das Foto nahm ich in Cape Porpoise, Maine auf - an diesem Tag wehte dort kein Lüftchen. Deshalb erscheint das Wasser wie eine Glasoberfläche. Manchmal brauchen Sie sehr viel Geduld und müssen immer wieder an einen Ort zurückkehren, bis Sie die richtigen Bedingungen vorfinden. Haben Sie den genauen Zeitpunkt erwischt, befolgen Sie einfach die Schritte eins bis vier und Sie erhalten Aufnahmen wie diese.
Baseballstadion

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: eine Tageslichtaufnahme, bei der das Sonnenlicht durch einen Blitz zusätzlich verstärkt wurde, der jedoch nicht so streng wirkt.
(1) Das Foto habe ich zwischen 15.30 und 16.00 Uhr nach dem Spiel in einem Baseballstadion aufgenommen. Bei solch hartem Licht können Sie entweder einen Diffusor verwenden (ein durchscheinendes Stück Stoff ), den Sie zwischen Sonne und Motiv plazieren, oder Sie fotografieren mit Blitz (so wie ich es hier getan habe). Den Blitz plazierte ich (aus Sicht der Kamera) rechts außerhalb des Fotos - ich montierte ihn auf ein Lichtstativ vor Sitz fünf in der vordersten Reihe.
(2) Damit das Blitzlicht nicht zu hart wirkt, plazieren Sie einen Diffusor zwischen dem Blitz und der Person. Der Mann sitzt auf Platz Nummer elf. In derselben Reihe auf Sitz Nummer 13 plazierte ich einen Lastolite TriGrip-Diffusor (direkt neben seiner rechten Hand, aus Sicht der Kamera). Der Blitz befindet sich eine Reihe davor. Das Blitzlicht fällt durch den Diffusor und wird dadurch weicher.
(3) Verwenden Sie für die Aufnahme ein Weitwinkelobjektiv (hier: 17-55 Millimeter f/2.8 mit der Brennweite 44 Millimeter). Um Vorder- und Hintergrund scharf abzulichten, wählen Sie Blende f/8 oder eine höhere Zahl.
(4) Durch den Blitz frieren Sie Bewegungen ein, ein Stativ ist nicht nötig.
(5) Da Sie unter Tageslicht fotografieren, ist ein ISO-Wert von 100 (für wenig Bildrauschen und maximale Schärfe) kein Problem.
rechte Gesichtshälfte

Charakteristiken für diese Art Aufnahmen: wunderschönes, einhüllendes Licht mit einem schönen dramatischen Schatten auf der rechten Gesichtshälfte.
(1) Diese Aufnahme könnte einfacher nicht sein, denn sie arbeitet hauptsächlich mit Tageslicht, das durch das große Fenster fällt. Normalerweise würden wir die Person etwas weiter vom Fenster weg positionieren, um ein weicheres Licht zu erhalten. Da das Licht durch das bunte Glas jedoch schon sehr weich ist, können Sie den Abstand zum Fenster deutlich verringern.
(2) Soll das Bleiglasfenster ein wichtiger Teil des Fotos werden (wie in diesem Fall), entfernen Sie sich selbst etwas weiter vom Fenster und richten Sie die Kamera eher in Richtung Fenster aus.
(3) Jetzt benötigen Sie nur noch einen silbernen Reflektor, den Sie links neben der Person plazieren (aus Sicht der Kamera) - gerade so weit entfernt, dass er nicht im Foto zu sehen ist. Dadurch verhindern Sie, dass die im Schatten liegende Gesichtshälfte zu dunkel wird.
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