Fan-Zorn So lästert das Web über Apples Pannenserie

Kunden-Mails wurden verschlampt, für "Gratis"-Zugänge wird Geld abgebucht: Apple hat mit seinem neuen Online-Dienst einen katastrophalen Start hingelegt, auch bei anderen Angeboten hakt es. SPIEGEL ONLINE dokumentiert, wie kleine Schlampereien den Ruf des iPhone-Konzerns gefährden.

Apple nimmt den Mund sehr voll: Unbeirrt vom katastrophalen Start wirbt der Konzern mit dem Slogan " Der einfache Weg zu synchronen Daten " für seinen neuen Online-Dienst MobileMe. Der einfache Weg? Seit zwei Wochen ist der Dienst aktiv - zumindest behauptete Apple das anfangs.

Aber mindestens ein Prozent (das gibt Apple selbst zu) der Abonnenten kann bis heute keine E-Mails über den kostenpflichtigen Dienst empfangen oder versenden. Bei Web-Diensten wie Google funktioniert das fast immer - und das sogar kostenlos.

Verspätete Updates, Ärger im Download-Shop - SPIEGEL ONLINE zeigt, wie kleine Schlampereien Apples Ruf gefährden.

MobileMe - "Lass mich im Stich" statt "Mobiles Ich"

Apple-Fans schimpfen in Foren, Blogs und auf IT-Seiten. Und einige reagieren den Frust mit so amüsanten Satiren wie der Webseite "Fail me"  ab. Die sieht der Werbeseite für Apples Pannen-Service zum Verwechseln ähnlich. Die feinen Unterschiede: Apples Dienst heißt Mobile Me - die Satire Fail Me, also sinngemäß "Lass mich im Stich" statt "Mobiles Ich". Die Seite parodiert Apples Werbesprüche: Der "einfache Weg zu synchronen Daten" wird zum "einfachen Weg zum totalen Versagen".

Wer seinen Apple-Frust in die Online-Welt hinausschreien will, kann bei FailMe ein schickes Fail-Logo für Apples-Chatsoftware iChat gratis herunterladen: Damit, so die Macher "können Sie der Welt zeigen, wie sehr sie FailMes ständige Ausfälle und verpassten Fristen bewundern. Ziehen Sie das Icon einfach in ihr iChat-Fenster. Das ist so einfach, dass sogar wir es hinkriegen." Völlig ironiefrei rufen die FailMe-Macher dann noch zum Mail-Protest bei Steve Jobs und dem Apple-Kundendienst auf: "Es gibt nur einen Weg, die Dinge zu ändern - wir müssen Apple sagen, dass wir diese Behandlung nicht dulden."

Wie groß der Unmut über die Pannen beim MobileMe-Dienst ist, zeigen die Kommentare in Web-Foren - von Apple erwarten Kunden Produkte, die einfach funktionieren. Mobile Me jedenfalls funktioniert offensichtlich bei einigen Kunden überhaupt nicht:

  • "MobileMe hat den Begriff Versagen neu definiert. Das sind inzwischen Synonyme." (Twitter-Blogger Ian Baird )
  • "Ein Prozent der MobileMe-Kunden kommen nicht an ihre E-Mails. Wow, ich fühle mich, als hätte ich in der Lotterie gewonnen!" (Web-Producer Fraser Agar )

Apple reagiert inzwischen auf die Welle des Missmutes: Seit Freitag sollen Apple-Mitarbeiter in einem Blog zum MobileMe-Status  über die Erfolge bei der Problembehebung berichten. Bislang gibt es zwei Einträge:

  • Freitag: "Steve Jobs hat mich gebeten, hier alle zwei Tage zu schreiben, was bei MobileMe los ist."
  • Sonntag: "Wie Sie wissen, ist es unser wichtigstes Ziel, auch dem restlichen Prozent der MobileMe-Nutzern einen vollen Zugriff auf ihre E-Mails zu ermöglichen."

Der immerhin 79 Euro im Jahr kostende Dienst läuft also für einige Unglückselige auch nach zwei Wochen nicht so einfach und reibungslos, wie Kunden es von Apple erwarten.

Kreditkarten-Abbuchungen für kostenlose Probezugänge

Das Wort "kostenlos" lässt eigentlich keinen Spielraum für Interpretation. So mancher Apple-Freund, der sich einen "kostenlosen" Test-Account für Apples Online-Dienst MobileMe zulegte, erfuhr jedoch: Für Apple-Kunden kann "kostenlos" auch soviel wie "152 Euro teuer" heißen.

Denn eine Reihe von Nutzern, die sich für den Probebetrieb von MobileMe angemeldet hatten und dabei zur Identifikation die Daten einer Bezahlkarte hinterlegten, stellten anschließend fest, dass ihnen Geld vom Konto abgebucht worden war. In Großbritannien beispielsweise 121 Pfund. Im Apple-Forum beschwerten sich auch Nutzer aus Norwegen, Russland und den USA, ihnen sei Geld abgebucht worden, obwohl sie nur den "free trial" bestellt hätten.

Inzwischen gibt es eine offizielle Entschuldigungsmail von Apple, die auf Probleme mit Kreditkarten und sogenannten Debit Cards verweist. In Apples Nutzungsbedingungen wird darauf hingewiesen, dass zur Überprüfung der Karte eine kleine Summe "in der Größenordnung von einem Dollar" abgebucht werden könne. Nun aber verschwanden von den Konten der erbosten Kunden den Berichten zufolge Summen, die weit über dem liegen, was der kostenpflichtige Dienst MobileMe im ganzen Jahr kostet (79 Euro).

Kunden, die dem Abbuchungsfehler zum Opfer fielen, erhielten eine E-Mail, in der von einer "inkorrekten, temporären" Abbuchung die Rede ist. Die Summe würde schnellstmöglich ersetzt, wann genau, hinge aber von der jeweiligen Bank ab. Der Zeitraum könne "zwischen einer Woche und einem Monat" liegen. Man arbeite daran, diese Fristen zu verkürzen, wo es möglich sei. Als Kompensation bietet Apple den betroffenen Kunden an, ihre kostenlose Testperiode für den Dienst um 30 Tage zu verlängern.

Microsoft stopft DNS-Lücke schneller als Apple

Die Lücke im sogenannten Domain Name System (DNS) ist ein äußerst ernstes Problem. Die meisten Internet-Nutzer profitieren inzwischen von Updates, die das Loch schließen - nur nicht die Besitzer von Apple-Rechnern.

Wie der Sicherheitsexperte Dan Kaminsky bereits im März feststellte, lassen sich durch ein Problem im Adresssystem des Internets zumindest theoretisch Netznutzer beliebig auf gefälschte Seiten umlenken. Das DNS ist dafür zuständig, IP-Adressen, die aus Zahlenkombinationen mit Punkten dazwischen bestehen, Buchstaben-Adressen wie www.spiegel.de zuzuordnen. Dieses System hat nun ein Loch. Das könnte es erlauben, beispielsweise eine falsche, aber täuschend echt aussehende Bank-Seite aufzusetzen, um so an Passwörter und Transaktionsnummern von Bankkunden zu kommen. Trotz einer korrekt eingegebenen Adresse könnten die Kunden auf einer gefälschten Seite landen.

Die meisten großen Anbieter, darunter Microsoft, Cisco, und die Linux-Distributoren Red Hat und Ubuntu haben bereits am 8. Juli ein Update zur Verfügung gestellt, das die Lücke stopft. Von Apple aber fehlt ein solches Update bis heute. Das gilt für Mac-Desktops unter OS X ebenso wie für Server, die mit dem Apple-System OS X Server laufen. Der IT-Fachdienst Heise.de kommentiert: "Sollte sich bestätigen, dass auch die DNS-Caches der OS-X-Clients direkt angreifbar sind, können Anwender nur hoffen, dass auch Apple Patches bereitstellt, bevor die ersten Angriffe auf Clients beginnen."

Trotz Vorauswahl fiese Software in Apples Download-Shop

Apple besteht darauf, dass nicht jeder beliebige Programme auf iPhone installieren kann - das kann man mit einem Apple-Handy im Originalzustand nur über Apples zentralen Downloadshop AppStore. Vorteil dieser Zentralisierung: Apple kontrolliert, welche Anwendungen verfügbar sind, prüft sie vorab, verhindert so, dass Spyware oder anderweitig riskante Programme aufs iPhone gelangen.

Das hat bei dem iPhone-Rollenspiel "Aurora Feint" auch geklappt - allerdings erst nachträglich, Das Spiel durchforstete alle Einträge im iPhone-Adressbuch und schickte die so abgegriffenen Daten ohne Verschlüsselung an den Server des Spielherstellers. So sollten Spieler automatisch Freunde entdecken, die auch "Aurora Feint" spielen. So erklärt der Hersteller die Adressbuch-Schnüffelei. Apple ermöglicht Programmierern diesen Adressbuch-Zugriff mit seinem iPhone-Entwicklerwerkzeug.

Wie Programme diese Möglichkeit ausnutzen, wurde aber im Fall von "Aurora Feint" offensichtlich nicht vorab geprüft - Apple hat die Software nachträglich aus dem Download-Portal entfernt, nachdem sicher schon so einige Adresslisten unverschlüsselt verschickt worden sind.

Und das nach all dem Ärger, der beim Start schon auftauchte

Die Probleme mit Apples zweitem Telefon und dem Online-Dienst MobileMe gingen schon bei Start los: Zunächst versagten die Server, mit denen man neue iPhones freischalten sollte - nicht einmal in Telefonläden ließen sich die neuen Telefone in einen telefonierfähigen Zustand versetzen.

Dann schickte eine Aktualisierung der iPhone-Software Telefone ins Koma und zuletzt dauerte die Umstellung der alten .mac-Dienste auf den neuen Dienst MobileMe länger als angekündigt - wenn er überhaupt gelang.

Auch die hartgesottenen Fans des Konzerns mit dem Apfel-Logo hatten in den zurückliegenden Wochen einige Geduldsproben zu überstehen.

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