Internet-Energiebilanz Das Web braucht zu viel Strom
Der Strombedarf des Internet ist viel zu hoch, warnt der britische " Guardian ". Der Zeitung zufolge haben viele Online-Anbieter mit den Kosten ihres rasant steigenden Energiebedarfs zu kämpfen. Jede Suchanfrage, die beantwortet wird, jedes Bild, das in einem Browser-Fenster erscheint und jedes Video, das man sich auf den Rechner überspielt verbraucht Strom, nur ist das eben nicht so offensichtlich.
Düsenjets beispielsweise sieht man an, wie sie die Umwelt verpesten: Sie sind laut, sie stinken und manchmal rauchen sie auch. Beim Internet ist das anders. Die Computer, mit denen man durchs Web surft, sind vergleichsweise klein, sollten nicht ungewöhnlich riechen und verbrauchen keine Unmengen an Strom. Bei den Rechenzentren, die das Internet mit Daten vollpumpen, die Suchanfragen beantworten, Bilder, Texte und Filme ausliefern, ist das anders.
Diese Anlagen sind groß, irrwitzig laut und müssen durch armdicke Kabel mit Strom versorgt werden. Aber davon merkt man nichts, wenn man einfach nur Google nach einer Erklärung für ein Fremdwort befragt, denn Rechenzentren sind für den Nutzer unsichtbar, stehen in den Kellern grauer Bürogebäude oder in den Industriegebieten am Rande der Städte. Und doch sind es gerade diese Rechenzentren, die das Internet am Leben erhalten, die enorm viel Energie verbrauchen.
Wie viel Energie das ist, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen, nur Schätzungen. In einer Hinsicht allerdings sind sich die Angaben immer ähnlich: Es ist viel Energie, die das Internet verbraucht, sehr viel.
12.000 Kilometer Suchanfragen pro Stunde
So verbraucht eine einzige Web-Suche bei Google eine Strommenge, bei deren Produktion 200 Milligramm CO2 freigesetzt werden, berichtet der "New Scientist". Das ist erst einmal nicht viel. Aber beim Internet gilt eben noch die alte Regel, dass es die Masse ist, die den Ausschlag gibt. Zusammengenommen nämlich erzeugen 1000 Google-Anfragen ebenso viel CO2, wie ein Auto auf einem Kilometer Fahrt ausstößt.
Hört sich auch nicht gewaltig an, bis man sich Gedanken darüber macht, wie viele Anfragen Google bewältigen muss. Allein im März 2009 sollen das laut Comscore in den USA mehr als neun Milliarden Suchanfragen gewesen sein. Umgerechnet auf den CO2-Ausstoß eines Autos entspricht das pro Stunde einer Fahrstrecke von 12.000 Kilometern - und das ist doch schon eine ganz beachtliche Strecke, ein beachtlicher Energieverbrauch.
Wie beachtlich der tatsächlich ist, hat die US-Umweltbehörde zuletzt 2006 ausgerechnet. Schon damals verbrauchten die amerikanischen Rechenzentren 61 Milliarden Kilowattstunden Strom, genug Energie, um Großbritannien zwei Monate lang zu versorgen. Aber das war vor drei Jahren. Schätzungen zufolge wächst das Internet Jahr für Jahr um zehn Prozent.
Mittlerweile, so der "New Scientist", gibt es 1,5 Milliarden Websurfer. Aufgrund dieser Entwicklung, so wird geschätzt, belaufe sich der Energiebedarf der Internet-Rechenzentren auf rund 152 Milliarden Kilowattstunden. Auf dem kommerziellen Frage-Antwort-Portal UClue rechnet David Sarokin sogar vor, der weltweite Energiebedarf des Internet samt der daran angeschlossenen Computer, Kühlanlagen und Netzwerk-Hardware könnte sich bereits auf 867 Milliarden Kilowattstunden summieren.
Was kosten YouTubes Videos?
Egal, ob es nun soundsoviel oder soundsoviel Milliarden Kilowattstunden sind: Es ist eine ganze Menge Strom, den das Internet verbraucht. Und das macht den Anbietern von Online-Diensten immer mehr Sorgen. Subodh Bapat, Vizepräsident des Server-Herstellers Sun Microsystems, etwa warnt im "Guardian", man müsse den Energieverbrauch des Internet schon aus wirtschaftlichen Gründen eindämmen. Schließlich würden den rasant steigenden Energiekosten aufgrund der Finanzkrise sinkende Profite gegenüberstehen.
Wie hoch diese Kosten sein können, mag das Beispiel YouTube illustrieren. Genaue Zahlen darüber, wie viel man sich den Betrieb des Gratis-Videoportals kosten lässt, rückt dessen Eigentümer Google zwar nicht heraus, Schätzungen aber gibt es schon. So rechnet etwa die Credit Suisse damit, dass die Auslieferung der Bandbreite fressenden YouTube-Videos jährlich mehr als 350 Millionen Euro kostet.
Schwimmende Öko-Rechenzentren
Kein Wunder also, dass immer mehr Firmen versuchen, die Energiekosten ihrer Rechenzentren zu minimieren. IBM etwa will CO2-neutral werden, indem die Abwärme der Rechenzentren genutzt wird, um Wohn- und Bürogebäude zu heizen. Google investiert bereits seit Jahren in Klima schonende Technik, hat bereits Pläne für schwimmende Rechenzentren vorgelegt, deren Computer vom Meerwasser gekühlt werden und deren Generatoren die Bewegungen der Wellen zur Stromerzeugung nutzen.
Aber noch existieren solche Öko-Rechenzentren nur auf dem Papier. Einen Weg, wie man den Internet-Energiebedarf schneller senken könnte, glauben Forscher der University of Berkeley gemeinsam mit Experten von Intel und Microsoft gefunden zu haben. Sie wollen den Fluss der Daten durch das Internet einfach ausbremsen, wenn auch nur ein klein wenig.
Indem sie die die Datenströme glätten, die Auslieferung einzelner Datenpakete beispielsweise um einige Millisekunden verzögern, wollen sie Einsparungen von bis zu 50 Prozent erreichen, weil die Netzwerk-Hardware in Phasen geringerer Belastung einen Gang herunterschalten kann, dann weniger Strom verbraucht.
Ein Teil unseres täglichen Konsums
Alternativ könnte man auch Datenpakete zusammenfassen, geballt verschicken, schlagen die Forscher vor. Auf diese Weise wären die Netzwerkgeräte kurzzeitig voll ausgelastet, könnten sich nach getaner Arbeit in einen energiesparenden Ruhezustand versetzen. In Simulationen haben die Forscher mit ihrer "Load Skewing" genannten Techniken Einsparungen von 40 bis 80 Prozent erreicht.
Noch allerdings wird der steigende Stromverbrauch des Internet nicht von allen Beteiligten als bedrohlich empfunden. Der Google-Vizepräsident, Urs Hölzle, findet Bedenken über die ökologische Bedeutung des Energieverbrauchs des Internet vollkommen überzogen. Nach seiner Ansicht ist die Internet-Nutzung, ebenso wie TV und Autofahren, ein Teil unseres täglichen Konsums. Hölzle: "Ja, dabei wird Energie verbraucht, aber im großen Zusammenhang gesehen ist das kein Problem."
Schließlich, so Hölzle, würde ja schon ein Kilometer Autofahrt den Energiebedarf eine Google-Anfrage bei weitem übertreffen. So kann man das natürlich auch sehen.