Internet Explorer 7 Microsoft kämpft um seine Macht - mit Sicherheit
Kein Zweifel: Der Open-Source-Browser Firefox ist ein Erfolg. Wenige Monate nach seiner Veröffentlichung hat er dem etablierten Platzhirschen Internet Explorer so einiges vom Marktanteil abjagen können. Der aber machte es seinen Konkurrenten auch leicht: Von Microsoft seit Jahren nur "geflickt", technisch aber kaum vorangebracht, hinkt der Browser kräftig hinter allen Konkurrenten hinterher. Von Firefox und Opera über Netscape bis Konqueror: Ist da ein Produkt, das dem Internetnutzer nicht mehr böte als "MSIE", Microsofts zigmillionenfach verbreiteter Browser?
Tatsächlich hatte Microsoft auch keine Pläne, daran vor der Veröffentlichung der nächsten Windows-Version ("Longhorn") irgendetwas zu ändern. Die aber wird frühestens 2006 erwartet, auch ein Veröffentlichungstermin 2007 ist möglich.
Das ist zu weit entfernt, und der stete Sturm aus Spott und Kritik muss etwas bewirkt haben: Durchaus überraschend kündigte Bill Gates am Dienstag auf der RSA IT-Sicherheitskonferenz in San Francisco die Veröffentlichung eines Internet Explorer 7 an.
Gates stemmt sich seit längerem vehement gegen die öffentliche Wahrnehmung, Microsoft-Produkte hätten nicht nur Sicherheitsprobleme, sondern sie seien eines: IT-Sicherheit ist das per Chef-Dekret definierte Ziel für alle Microsoft-Entwickler. So soll auch der MSIE 7 vor allem durch verbesserte Sicherheitsfeatures glänzen.
Integraler Bestandteil der Browsersoftware soll unter anderem die neue Anti-Spyware-Software von Microsoft werden. Ob der MSIE 7 auf Windows-Versionen unterhalb von XP überhaupt laufen wird, blieb offen. Auch bestehende MSIE-Versionen sollen aber, wie zuletzt im Rahmen des Service Pack 2, im Laufe des Sommers Sicherheitsupdates erfahren.
Viel mehr wollte Gates über das geplante Browser-Update nicht verraten - doch es wäre schon eine Überraschung, wenn Microsoft nicht zumindest mit den Features gleichziehen würde, über die alle nennenswerten Konkurrenten längst selbstverständlich verfügen, von Tabbed Browsing bis zu Mausgesten.
Firefox stagniert
Für die Microsoft-Konkurrenz ist Gates Ankündigung keine gute Nachricht. Ihre bisher besten Argumente sind einerseits das Mehr an Features, andererseits die deutlich niedrigere Zahl von Sicherheitsproblemen. Vor allem der Mozilla-Browser Firefox, der im Ruf steht, bequemer, sicherer und schneller zu sein, hatte im Laufe des letzten Jahres eine völlig unerwartete Erfolgsgeschichte produziert.
Zunächst mit rapiden Tempo, getragen von einer regelrechten Begeisterungswelle, knabberte Firefox am Browsermarkt-Kuchen. Mittlerweile jedoch ist wieder Ruhe eingekehrt. Firefox scheint die Konsumenten erreicht zu haben, die nicht erst vom Wechsel überzeugt werden mussten: Ab jetzt wird es mühseliger.
Für diese These gibt es stichhaltige Indizien. Die besten liefern die zahlreichen verschiedenen Browserstatistiken.
Denn die eine, gültige Statistik, die beanspruchen könnte, die Wirklichkeit im Web abzubilden, gibt es natürlich nicht. Alle Web-Statistiken beruhen darauf, dass an bestimmten, stark frequentierten Punkten im Web die Browserkennungen der Besucher von Webseiten erfasst werden. Je nachdem, wo man da misst, kommt es zu krass unterschiedlichen Ergebnissen.
So weisen inzwischen weltweit IT- und Technews-Seiten einen Mozilla-Marktanteil von über 30 Prozent aus (die meisten Statistiken trennen Firefox und Mozilla noch nicht). Je spezialisierter und anspruchsvoller diese Seiten, desto höher der Anteil von Alternativ-Browsern, desto geringer der Marktanteil des Internet Explorer. Reine Publikumsseiten hingegen sehen den MSIE weiterhin klar vorn, Mozilla/Firefox dagegen mit drei bis sechs Prozent im Hintertreffen.
In den USA sieht es so fast flächendeckend aus, im für IT-Sicherheitsfragen weit sensibleren Europa hat Firefox eine deutlich stärkere Verteilung erreicht. Doch nirgendwo dürfte der Marktanteil der Alternativbrowser höher sein als in Deutschland: Die Logstatistiken von SPIEGEL ONLINE, basierend auf deutlich über 200 Millionen Seitenaufrufen im Monat, sehen Firefox/Mozilla inzwischen bei stolzen 27,86 Prozent Marktanteil.
Selbst das aber ist schon so etwas wie eine beginnende Stagnation. Gegenüber dem Vormonat wuchs der Firefox-Anteil um nur noch 1,8 Prozent, MSIE verlor im gleichen Zeitraum noch 1,05 Prozent und steht nun bei 64,28 Prozent. Der Rest der Verschiebungen ging vor allem zu Lasten der Browser von Netscape und Opera (beide noch 2,99 Prozent).
Das lässt sich fast überall beobachten: Auf den rapiden Zuwachs Ende letzten Jahres folgte in den letzten zwei Monaten ein nur noch verhaltener Anstieg.
Kurzum: Der für Firefox, Opera und Co leicht erreichbare Markt scheint abgedeckt. Kein Wunder, dass sich die Gerüchte über Kooperationen häufen.
Jeeves balzt um Firefox
So pfeifen es seit einigen Tagen die Spatzen von den Dächern, dass es neben dem Schau-Schmusen der Google- und Firefox-Entwicklerteams auch Verhandlungen mit dem Searchengine Ask Jeeves, angeblich die Nummer 5 am Markt, geben soll. Aus dem Mozilla-Lager dringt da nichts, aus dem Ask Jeeves-Lager um so lauter: Ja, man habe großes Interesse am Open-Source-Gedanken, an Firefox sowieso, und vielleicht wolle man sogar die eigene Softwareentwicklung zum Großteil der Open-Source-Gemeinde überlassen.
Ein netter Köder in Richtung Mozilla, denn Symphatien hin oder her - mit einem kommerziellen Partner wie Google verbinden manche der Open-Source-Überzeugungstäter doch auch Befürchtungen. Zwar ist Google, als integraler Bestandteil der Firefox-Browsermaske, längst der Suchdienst der Wahl für Firefox-Nutzer, doch vor dem Schritt, Firefox zu einer Art Google-Browser zu machen, schreckt die Programmierer-Gemeinde dann doch zurück.
Das aber wollen die großen Searchengines: Wer auf diesem profitablen Markt in Zukunft weiter mitspielen will, sucht nach Software-Schnittstellen, die Desktopsuche, Websuche und diverse Multimediaanwendungen unter einer Programmoberfläche vereinen. Dass Microsoft den eigenen, seit etlichen Jahren nicht weiterentwickelten Browser für die nächste Windows-Generation im Jahr 2006 entsprechend aufbohren wird, gilt als ausgemachte Sache. Spätestens dann dürfte auch der MSN-Suchdienst zum ernsthaften Google-Konkurrenten werden, selbst, wenn er nur mediokre Ergebnisse liefern sollte.
Denn Otto-Normalsurfer nutzt für Suche und Bewegung im Web vornehmlich die Software, die er bequem vorinstalliert findet - und wenn es Würmer und Viren vom virtuellen Himmel regnet, das verpufft und wird vergessen. Hält der MSIE 7 ab Sommer 2005 aber, was Bill Gates verspricht, kommen den Konkurrenten womöglich die Argumente für den Browserwechsel abhanden. Will Firefox da noch Wachstum, wollen Suchdienste wie Google, Ask Jeeves oder Yahoo da ihre Marktanteile sichern, werden sie zu Kooperationen finden müssen - und zwar schnell.