Jetzt geht's los Sony eröffnet den deutschen E-Book-Markt
Was den hiesigen Markt angeht, haben alle Anbieter von E-Book-Lesegeräten eine deutliche Ladehemmung: In der Regel bedienen sie den europäischen Markt erst Jahre, nachdem ihre Geräte sich in Asien und Amerika bewährt haben. Das gilt für Amazons Kindle, von dem in den USA kürzlich die zweite Generation vorgestellt wurde, während ein Verkaufsbeginn für Europa noch nicht einmal in der konkreten Planung zu sein scheint.
Und es gilt auch für Sonys PRS-505, den das japanische Unternehmen auf der Leipziger Buchmesse im März noch einmal als Novität vorstellen wird, obwohl das Ding in den USA bereits seit Oktober 2007 über die Ladentheke geht.
Dort werden inzwischen die letzten Bestände abverkauft, um Platz in den Regalen zu schaffen: Seit dem Weihnachtsgeschäft macht dem PRS-505 in den USA bereits der eigene Nachfolger PRS-700 Konkurrenz.
Siehe da: Die vermeintliche Novität ist ein Auslaufmodell.
Aber immerhin, zumindest scheint es jetzt auch hierzulande langsam loszugehen mit dem elektronischen Lesen. Schön, aber langsam ist allerdings auch Sonys Reader, wie SPIEGEL ONLINE bei einem Test im vergangenen Jahr herausfand.
In Deutschland hatte Sony das PRS-505 erst im August 2008 auf der IFA - und dann noch einmal auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Dort war auch angekündigt worden, dass der Reader im Frühjahr 2009 mit der Thalia-Buchhandelskette als Partner auf den Markt gebracht werden sollte. Dass diese Ankündigung nun noch einmal bekräftigend und fast wortgleich wiederholt wird, mag blödsinnig erscheinen, ist aber angesichts der Eigenheiten des deutschen Marktes sinnvoll: Seit 1996 ("Rocket E-Book") lösten sich hier so gut wie alle E-Book-Ankündigungen in heiße Luft auf.
Jetzt soll das anders sein, verspricht Sony und rührt noch einmal kräftig die PR-Trommel: Bereits einen Tag vor Messebeginn werde der Sony Reader am 11. März unter anderem in 230 Filialen der Buchhandelskette Thalia erhältlich sein. "Unter anderem" deshalb, weil als zusätzlicher Vertriebspartner nun auch der Buchhandels-Grossist Libri mit an Bord ist. Dessen Tochterfirma Libri.de, an der die SPIEGELnet AG mit zehn Prozent beteiligt ist, wirbt bereits mit dem neuen Lesegerät.
Eine interessante Konstellation: Drei gegen Amazon
Die Thalia-Kette ist aktuell die größte Buchhandelskette im Lande, verfolgt weiter eine offensive Expansionspolitik. Thalia betreibt rund 290 Buchhandlungen und einen Buchshop im Internet, der Marktanteil bewegt sich gegen zehn Prozent. Im Internet spielt das Unternehmen allein bisher aber keine große Geige.
Thalia.de wird allerdings von Buch.de produziert, an dem die Douglas Holding, Haupteigner der Thalia-Firmen, 35,2 Prozent hält. Die buch.de internetstores AG produziert und betreibt nicht nur Thalia, sondern insgesamt 18 Webshops in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich "auf den Online-Verkauf von Büchern, Musik, Filmen, Software und Spielen spezialisiert" haben und "außerdem Elektronik- und Büroartikel" zu bieten haben - das hiesige Gegengewicht zu Amazon, wenn man so will.
Im Internet aktiv ist auch Libri, das Amazon wie Thalia mit einem eigenen Buchshop im Web Konkurrenz macht, aber auch seine klassische Hauptklientel weiter einbindet: Als Deutschlands führender Buch-Grossist versorgt Libri rund 4000 stationäre Buchhändler mit Ware. Auch Amazon gehört zu den Kunden.
Als Internet-Händler bietet die Firma Endkunden die Wahl zwischen postalischer Buchzustellung und eigener Abholung bestellter Bücher bei einer von rund tausend angeschlossenen Buchhandlungen.
Auch Sony betont in seiner Pressemitteilung zum Verkaufsbeginn des E-Readers die Partnerschaft mit dem Buchhandel: "Grundsätzlich kann jeder Buchhändler den Reader und E-Books im EPUB-Format von Sony Deutschlands Großhandelspartner Libri beziehen, im eigenen Geschäft verkaufen und so am Zukunftsmarkt des elektronischen Lesens partizipieren."
Thalia wie Libri besitzen in Deutschland noch immer ein größeres Marktgewicht als Amazon. Der Online-Versender ist in vielerlei Hinsicht ein Liebling der Verlage, nicht aber des Handels, denn den hebelt Amazon regelrecht aus.
Im Web hat Amazon ein Standing in seiner Marktnische, das dem von Ebay, iTunes oder Google in deren Marktdomänen entspricht: Das Internet fördert Monopole.
Amazon ist noch nicht so groß wie man denkt
Noch aber ist das US-Unternehmen zwar der weltweit größte Versandbuchhändler und dominiert hier auch den deutschen Markt. Doch das Gros der Buchverkäufe findet noch immer im physischen Handel statt: Aktuelle Zahlen für 2008/2009 liegen noch nicht vor, doch was den Gesamtmarktanteil angeht, dürfte Amazon noch immer kleiner sein als Thalia. 2007 wurde Amazons Marktgewicht auf nur drei bis vier Prozent geschätzt.
Alle gegen Amazon. Es geht darum, Standards zu setzen, bevor der Kindle kommt
E-Books könnten all das aber äußerst schnell ändern. Bereits zum Verkaufsbeginn am 11. März, hieß es von Seiten Sonys und seiner Partner, sollen "einige tausend Bücher" digital erhältlich sein, darunter zahlreiche Bestseller. "Der Fokus liegt aber auf Qualität, nicht auf Masse", behauptet Sony, das dem Reader Leseproben und zwei Romane beipacken wird.
Wenn das nach kleinen Anfängen klingt, dann täuscht der Eindruck durchaus. Libri hat bereits 93.228 Titel als E-Books zum Download im Angebot. Die Betonung liegt auf Download: Muss der Buchhandel nun befürchten, dass ihm eine Konkurrenz entsteht, die ihn wirklich erschüttern könnte?
Das E-Book: Gefahr für den Handel?
Bis Mitte 2009, konnten Buchhändler etwa dem Branchendienst "Buchreport" entnehmen , könnte allein Amazon rund eine Million Kindles an den Mann gebracht haben - allein in den USA. Der Branchendienst befragte acht Experten zu ihren Erwartungen in Bezug auf E-Books und kondensierte die Meinungen zu einem Bild, das auf die Branche teils hoffnungsvoll, teils beängstigend wirken muss. Bis zu 25 Prozent der Verkäufe, orakeln die Experten, könnten sich etwa im Sachbuchbereich binnen nur fünf Jahren auf den E-Book-Markt verlagern. Der, das zeige das Beispiel USA, habe die Umsätze der Verlage aber kräftig belebt.
Und die des Handels - genauer, eines Händlers. Amazon-Chef Jeff Bezos freute sich vor Tagen in einem Interview mit der "Washington Post": "Wenn die Leute einen Kindle kaufen, setzen sie den Kauf physischer Bücher in selbem Umfang fort wie zuvor. Zusätzlich kaufen sie im Schnitt noch einmal 1,6 bis 1,7 Kindle-Bücher pro physisch gekauftem Buch."
Dieser Umsatz muss aber nicht beim klassischen Handel landen, Libris Klientel. Denn elektronische Bücher brauchen den physischen Buchhandel nicht mehr. Der Download ist ihre natürliche, weil naheliegende Vertriebsform. Das wird auch bei Thalia und Co nicht anders sein. Buch-Datentankstellen oder physische Träger wie zum Beispiel Bücher auf SD-Karten plant der Händler selbst derzeit nicht - das wäre auch eher Sache der Verlage. Dass dies nie der Fall sein werde, will Firmensprecher Markus Schuberth aber auch nicht sagen: "Das ist ein dynamischer Markt, da ist sehr viel vorstellbar."
Wichtig ist den Partnern nun erst einmal, einen Standard zu setzen: Gerätehersteller Sony, Händler Thalia und Grossist und Handelsdienstleister Libri wollen Tatsachen schaffen, bevor Amazon doch noch mit dem Kindle kommt. Denn der setzt auf ein proprietäres, Amazon-eigenes Datenformat: Mobipocket. Wer es aber schafft, ein Format als Standard durchzusetzen, diktiert eine Menge Bedingungen - gegenüber Verlagen, Händlern wie konkurrierenden Hardware-Herstellern.
Das will auch der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels verhindern - und stattdessen eine eigene Marke setzen. MVB setzt auf ein abgespecktes PDF-Format namens Mobiles PDF, das mit allen Lesegeräten kompatibel sein soll. MVB-Chef Ronald Schild: "Alle Verlage erhalten so die Möglichkeit, ihr Verlagsprogramm als E-Book über libreka! zum Verkauf anzubieten."
Jetzt muss nur noch der Kunde mitspielen, ohne die Verlage dabei zu sehr zu beklauen. Denn natürlich bremste die Branche in den letzten Jahren auch deshalb kräftig, weil sie dem Schicksal von Musik- und Filmindustrie entgehen wollte: Digital vertriebene Waren werden natürlich auch kopiert und illegal verteilt. Das ist bittersüß: Es ist nicht zuletzt die Aussicht auf kostenfreie, manchmal sogar legale, weil urheberrechtsfreie oder frei angebotene Inhalte, die einen potentiellen Kunden erst zu einem tatsächlichen machen mag. Ganz ohne "kostenlos" wird das elektronische Lesen nicht funktionieren.
Denn auch das ist ja neu für einen Buchkäufer: Nun soll er, bevor er durch weitere Kaufhandlungen erst Inhalte ersteht, zuerst einmal in Vorlage gehen und satte 299 Euro auf den Tisch legen, damit er seine elektronischen Bücher überhaupt lesen kann. Denn so viel soll der 260 Gramm leichte Sony-Reader kosten. Technik-Verkäufern mag das nicht viel vorkommen, Leseratten aber kaufen sich für so einen Batzen Geld locker 20 bis 30 Bücher.
Die Eingangshürde ist also hoch, wenn man vom Bücherwurm zum E-Book-Leser werden will. Sony hofft hier auf "Vielleser und Reisende", denen der Gedanke, schon auf den internen Speicher bis zu 160 Bücher laden zu können, durchaus behagen mag. Ganz gierige Leser, die ihre 13.000 Titel umfassende Bibliothek überall mitnehmen wollen, kaufen sich dafür eine 16-GB-SD-Karte.
Die gibt es aktuell ab 21 Euro. Bei Amazon.