Kramnik gegen Deep Fritz Das letzte Match Mensch gegen Maschine?
Am Samstag, dem 25. November, wird in der Bonner Bundeskunsthalle die erste von sechs Partien zwischen Schachweltmeister Wladimir Kramnik und dem Schachprogramm "Deep Fritz" gespielt. Schon einmal kam es zum Vergleich Mensch gegen Maschine in dieser Besetzung. Das Treffen endete 2002 im Inselscheichtum Bahrain mit 4:4 unentschieden. Kramnik konnte damals die erste Hälfte des Matches dominieren und lag zur Halbzeit mit 3:1 vorne. Dann schwächelte er und die Maschine biss zurück.
In den vier Jahren seitdem hat Kramnik in Brissago gegen Peter Leko (2004) und kürzlich in Elista gegen Wesselin Topalow zwei Titelkämpfe für sich entschieden. Seine Zweikampfstärke hat ihn in Elista wieder zum Weltmeister gemacht. Dennoch ist es eher fraglich, ob er sich gegenüber 2002 wirklich weiter entwickelt hat. Seine heutige Wertungszahl ("Elo-Zahl", mit der die Spielstärke von Schachspielern bewertet wird) liegt unter der von 2002, als er mit 2807 nach Kasparow der zweite Spieler war, der die 2800-Grenze überschreiten konnte.
Anders sieht es in der technischen Entwicklung aus. Hier ist die Zeit keinesfalls stehen geblieben.
Schon die handelsüblichen Notebooks mit Dual Intel Core Duo -Prozessoren erzielen heute die gleichen Geschwindigkeiten wie der Vierprozessorserver, auf dem Deep Fritz vor vier Jahren lief. Beim Wettkampf wird ein Dual Intel Core 2 Duo 5160 zum Einsatz kommen, der Deep Fritz - gegenüber Bahrain ebenfalls von Version 7 auf Version 10 verbessert - auf eine Geschwindigkeit von etwa acht Millionen Stellungen pro Sekunde katapultiert.
Die Bahrain-Version rechnete 2002 "nur" 2,7 Millionen Stellungen pro Sekunde. Bei acht Millionen kommt Deep Fritz auf eine Suchtiefe von etwa 17 bis 18 Halbzügen im Mittelspiel, das sind neun Züge, die er für jede Seite im Voraus berechnet. Im Endspiel kann die Suchtiefe bei reduziertem Material auch deutlich höher liegen.
Obwohl also einiges dafür spricht, dass Deep Fritz die besseren Karten besitzt, ist der Ausgang des Wettkampfes doch offen und kann nicht prognostiziert werden. "Man kann im Laufe der Entwicklung durch Testserien gegen andere Schachprogramme einige Erkenntnisse sammeln, aber die entscheidenden Messpunkte sind die Vergleiche gegen Toppspieler, wie hier gegen den Weltmeister. Wir wissen erst danach, wo wir genau stehen", charakterisiert Matthias Wüllenweber , Entwicklungsleiter des Deep-Fritz-Teams, den Wettkampf.
Wettkampfvorbereitungen
Viel hängt von der Vorbereitung ab. Kramnik wird wieder von dem deutschen Großmeister und Eröffnungsexperten Christopher Lutz unterstützt. Außerdem hat er einen Schachprogrammierer dazu geholt, der ihm erklären soll, wie sein Gegner "denkt".
Zwecks Vorbereitung erhielt Kramnik bereits im Mai dieses Jahres eine aktuelle Deep Fritz Version. Die endgültige Version, die beim Wettkampf zum Einsatz kommen wird, wurde ihm Mitte Oktober zugeschickt. Seitdem können er und seine Sekundanten nach Schwachstellen im Programm suchen.
Ähnlich hat er es beim Wettkampf in Bahrain gemacht und damals festgestellt, dass Deep Fritz 7 sich in manchen Positionen mit Doppelbauern ungeschickt anstellte. Prompt kam damals eine Variante der Schottischen Partie auf das Brett, bei dem Schwarz auf c7 und c6 einen Doppelbauern hatte. Außerdem wird er das Eröffnungsbuch von Deep Fritz 10 genau untersuchen.
In früheren Zeiten wurde der junge Deep Fritz bei Partien gegen Menschen gegen seinen Willen gerne in Stellungen mit isolierten Zentrumsbauern getrieben. Das Programm war zwar stets genervt, eine solche Schwäche verwalten zu müssen, verteidigte den schwachen Bauern aber wie ein Tiger sein Junges und war zudem sehr geschickt bei der Nutzung der benachbarten offenen Linien.
In der Vorbereitung für den Wettkampf gegen Kramnik hat das Deep Fritz-Team außerdem einen Topgroßmeister und exzellenten Eröffnungsexperten engagiert, dessen Namen jedoch geheim gehalten wird. Vor großen Schachwettkämpfen lässt man sich nicht gerne in die Karten schauen. Die eigentliche Rechenleistung des Wettkampfrechners und das modifizierte Eröffnungsbuch sind für Kramnik die großen Unbekannten in diesem Wettkampf.
Es geht um viel Geld - und mehr
Als Antrittsgeld erhält der Schachweltmeister 500.000 Euro. Gewinnt er den Wettkampf, ist ein Bonus in gleicher Höhe ausgelobt. Den Weg zu der zweiten Kuchenhälfte versperrt ihm allerdings eine Maschine, die während einer Partie insgesamt knapp sechs Milliarden Stellungen berechnen wird.
Doch es geht hier nicht nur ums Geld. Falls der Weltmeister den Wettkampf gegen Deep Fritz deutlich verlieren sollte, würde die menschliche Spezies in einer weiteren Domäne von ihren "Rechenknechten" überholt werden. Das weiß auch Kramnik: "Vielleicht bin ich der letzte Topspieler, der sich diesem Vergleich stellt."