"Monat der Apple-Bugs" Hacker verärgern Mac-Gemeinde

An jedem Tag im Januar wollen zwei Sicherheitsexperten bislang unbekannte Bugs des Apple-Betriebssystems Mac OS X veröffentlichen. Die Hacker-Aktion stößt auf ein geteiltes Echo: Manche begrüßen sie, andere halten sie beinahe schon für Blasphemie.

Kevin Finesterre und sein Hackerkollege mit dem Pseudonym LMH wissen genau, was sie erwartet: "Wir spielen gern mit Mac OS X und wir freuen uns über Hass-Mails."

Einige wüste Beschimpfungen dürften mittlerweile in der Mailbox ihres Blogs "The Month of the Apple Bugs"  eingetrudelt sein. Seit dem 1. Januar stellen sie dort täglich einen bislang unbekannten Fehler aus dem Betriebssystem Mac OS X ins Netz, oder aber Bugs aus Programmen, die für Mac OS X geschrieben sind. Bis Ende Januar sollen so 31 mehr oder weniger gefährliche Lücken zusammenkommen. LMH hatte erst im November den "Month of Kernel Bugs"  ausgerufen und Fehler aus Windows, Linux und Mac OS X gesammelt.

Dass der "Monat der Apple-Bugs" von der Apple-Community kaum wohlwollend aufgenommen werden würde, überrascht kaum. Viele Mac-Anwender identifizieren sich sehr stark mit der Marke des kalifornischen Computerherstellers und belächeln Windows-Anwender, die seit Jahren mit schwerwiegenden Sicherheitsproblemen zu kämpfen haben. Weil Würmer und Viren in der Macwelt praktisch nicht vorkommen, hält mancher Apple-Besitzer das Betriebssystem Mac OS X gar für hundertprozentig sicher.

"LMH ist eindeutig ein Idiot", heißt es in einem Leserkommentar im Blog der "Washington Post". Ein Leser des "Mac Observer" schreibt: "Dieser Typ ist wahrscheinlich ein rotznäsiger Teenager." Der Kolumnist John Martellaro verfasste eigens ein Editorial im "Mac Observer" mit dem Titel "Ein Monat kontinuierlichem Blödsinns" . Man solle die "Möchtegerns" einfach nur bedauern und ignorieren, empfiehlt der Apple-Experte.

"Rotznäsige Teenager"

Die beiden Hacker behaupten hingegen, im Interesse aller Mac-Nutzer zu handeln. Man wolle Mac OS X verbessern, in dem man Sicherheitslücken im Betriebsystem und in Programmen aufdecke, erklären sie. Ein positiver Nebeneffekt könnten sensibilisierte Anwender sein, hoffen sie, und ein besserer Umgang des Apple-Managements mit bekannt werdenden Bugs.

Heftig kritisiert werden Finesterre und LMH auch dafür, dass sie gefundene Lücken nicht etwa vorab Apple mitteilen, sondern zuerst in ihrem Blog publizieren. Programmierer von Schadcodes könnten so womöglich sogenannte Exploits programmieren, die einen Bug ausnutzen, bevor dieser von Apple selbst behoben wird.

In vielen Blogkommentaren wird bezweifelt, ob das Treiben der beiden Hacker überhaupt nötig ist. "Ich bin mir sicher, dass Apple alles tun wird, was möglich ist, um Lücken zu stopfen, die tatsächlich gestopft werden müssen", schreibt ein Mac-Nutzer. Viele der bislang bekannt gewordenen Bugs ließen sich durch Exploits ohnehin kaum ausnutzen, lautet der Tenor. "Es gibt keine Exploits für Mac OS", mockiert sich ein Surfer. Das System sei zwar nicht absolut sicher, aber das Risiko, beim Surfen den Rechner zu infizieren, gehe gegen Null.

Kultähnliche Markenanbetung

Was auch immer hinter der Aktion "The Month of the Apple Bugs" steht - Eitelkeit, Wichtigtuerei oder ernsthaftes Bemühen um mehr Sicherheit - erstaunlich ist, mit welcher Vehemenz mancher Anwender die von ihm genutzten Apple-Rechner gegen die vermeintlichen Nestbeschmutzer verteidigt.

Markenforscher wie Albert Muñiz von der DePaul University Chicago haben in der Identifikation mit der Marke Apple gar schon religiöse Komponenten entdeckt, was die teils heftigen Reaktionen auch erklären würde. All das, was grundlegend bei Religionen sei - gemeinsame Werte, großer Zusammenhalt, das Erzählen von Geschichten, finde sich auch bei Anhängern bestimmter Marken, erklärt Muñiz. Beispiele dafür seien neben Apple auch bestimmte Automarken (Saab, Jeep) und Harley-Davidson. Gleiches sei auch bei Fans bestimmter Filme und Serien zu beobachten wie Star Trek oder Star Wars.

"Alle diese Markengemeinschaften haben bewiesen, dass sie übertragbare Erfahrungen ihrer Mitglieder hervorrufen können, in allen gibt es Hinweise auf Magie, Religion oder Übernatürliches", sagt der Wissenschaftler. Menschen, die einer Art Konsumentenreligion frönten, zeigten eine kultähnliche Anbetung einer Marke. "Wir sehen traditionelle religiöse Motive und Personen, die sich auf dem Markt abspielen."

Unter den Anhängern des Apple-Organizers Newton, die Muñiz intensiv studiert hat , fand der Wissenschaftler sogar das Motiv der Wiederkehr des Schöpfers. Die Community habe immer darauf gehofft, dass eines Tages ein Mann auftauche, um einen neuen Newton von Apple herauszubringen. Das Unternehmen hatte die Produktion des legendären Organizers 1998 eingestellt - zum Bedauern vieler begeisterter Anhänger.

"Selbst auferlegte Quarantäne"

Bei Apple-Fans hat Muñiz zudem ein Zelebrieren der Markengeschichte beobachtet. "Macintosh-User genießen ihre Geschichte des Außenseiters, Underdogs und Innovators", schreibt er in einem Artikel für das "Jahrbuch Markentechnik 2004/2005". Zu den untereinander geteilten Markengeschichten gehöre jene von der "Mac-Immunität" - eine Story über ruhige Zeiten, während zugleich PC-Nutzer Virenplagen erlebten. "Diese Erzählung bezieht sich natürlich auf Macintoshs Überlegenheit und auf ein Gefühl besserer Abgeschirmtheit (selbst auferlegte Quarantäne) von der IBM-Herde."

In der Tat profitieren Mac-Besitzer von der "selbst auferlegten Quarantäne", denn sie bilden global gesehen unter allen Computernutzern eine kleine Minderheit. Mac-Rechner stellen für Programmierer von Würmern und Viren deshalb kein lukratives Ziel dar. Wären Macs so populär, wie mancher Fan glaubt oder hofft, wäre dies anders.

Unabhängig davon ist Mac OS X aber auch ein sehr sicheres Betriebssystem, vor allem im Vergleich zu Windows XP und seinen Vorgängerversionen. Die Unix-Architektur mit einem restriktiven Rechtemanagement macht Apple-Rechner deutlich sicherer, auch wenn der Anwender selbst von Sicherheit wenig versteht. Ob Vista, das Ende Januar auch für Privatkunden verfügbare neue Windows, hier aufholen kann, wird sich zeigen, wenn es millionenfach weltweit installiert ist.

Doch auch wenn bislang kein gefährlicher Mac-Virus die Runde macht, sollten sich die Nutzer von PowerBook, iMac & Co nicht in zu großer Sicherheit wiegen. Insofern ist das Projekt "Monat der Apple-Bugs" durchaus in ihrem Interesse.

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