Online am Strand Fluch der Karibit
Er sitzt im Strandkorb und checkt seine Mails. Sie liegt daneben und döst. "Gib mir mal Saft, Baby", sagt er und stöpselt das Laptopkabel in ihren Solar-Bikini. Ein Kontrolleur kommt vorbei, scannt die Kurtaxe der Familie mit dem Handheld-PC. Tochter Stella butschert derweil im Sand. "Papa, Papa, guck mal, Kuchen!", plärrt sie - und schaufelt dem Vater eine selbstgebackene Sandtorte aufs Laptop.
Am Strand der Zukunft gehen Hi-Tech und High Tide Hand in Hand. In Ocean City, New Jersey, soll diese Zukunftsvision bereits im Sommer 2008 Wirklichkeit werden. Pünktlich zum Saisonbeginn will die Stadt ihre Gestade ans kabellose Funk-Internet anschließen. Rund drei Millionen Dollar blättert sie dafür hin, Palmen, Plankton und Puderzuckerdünen mit Wireless Lan zu bestücken.
Macht das Modell Schule, könnte sich der Mikrokosmos des kollektiven Badens und Bräunens bald nachhaltig verändern: Sonnenanbeter, die wie bräsige Ölgötzen in der Sonne brutzeln, könnten sich mit YouTube-Videos statt mit Glamour-Zeitschriften verdingen. Beachboys mit knappen roten Badehosen könnten gleichzeitig im Internet und im Ozean surfen, gestresste Vorstandsvorsitzende gleichzeitig Überstunden machen und familiären Pflichten nachkommen.
Je nachdem, aus welchem Winkel man ihn betrachtet, ist der ans Funk-Internet angeschlossene Hi-Tech-Strand also eine Inkommodität des Informationszeitalters oder eine Ausweitung der Plantschzone in den Büroalltag.
Kurtaxe per Kreditkartenfunk
Strände mit W-Lan-Anschluss gibt es bereits heute, wenn auch noch sehr vereinzelt. New Jerseys Ansatz geht jedoch um einiges weiter: Die Infrastruktur der gesamten Strandpromenade soll durch Online-Vernetzung revolutioniert werden.
Die Besucher von Ocean City zumindest brauchen laut Pressemitteilung bald Funk-Armbänder, um das maritime Glück genießen zu dürfen. Passieren sie damit einen Parkplatz, betreten den Strand oder breiten ihr Badetuch unterm Strohschirm aus, wird ihre Kreditkarte automatisch mit der jeweiligen Gebühr belastet. Wer Caipirinha und Magnum Mandel an der Strandbar ordert, hält ebenfalls nur kurz das Armband an den Scanner, fertig. Der multifunktionale Bezahl-Armreif ist durchaus praktisch: Auf dem Parkplatz findet man mit ihm schneller eine Lücke, das Portemonnaie kann ganz zu Hause bleiben; wer schwimmen geht, muss sich keine Sorgen mehr darum machen.
Andererseits wird durch den funkfähigen Kontrollschmuck die Kurtaxe schneller fällig, als man sich die Zehen im Sand verbrühen kann. Aber die Besucher der Ozeanstadt haben ohnehin keine Wahl: Die in Amerika allgegenwärtigen Strandmarken werden am New-Jersey-Beach bald abgeschafft, Schwarz-Sonner werden in Zukunft per Radio Frequency Identification (RFID) aufgespürt. Diese Technik wird bislang vor allem in Einkaufszentren und Büchereien eingesetzt; dort macht sie sich immer dann piepend bemerkbar, wenn jemand ein Buch oder eine CD durch den Ausgang zu schmuggeln versucht.
Sonnenanbeter sollen indes nicht vor versammelter Mannschaft bloßgestellt werden. Ein Kurtaxen-Kontrolleur wird per Handheld die Sanddünungen scannen. Hat jemand kein Armband um, schlägt das Gerät diskret Alarm, er tippt dem UV-Strahlen-Klauer auf die gerötete Schulter und kassiert die ausstehende Gebühr. Beach Checker Will McKinley findet an diesem Prinzip durchaus Gefallen: "Die Leute werden sich weniger schikaniert fühlen, wenn sie nicht mehr andauernd ihre Armbänder hochhalten müssen", meint der Gebühreneintreiber, der seit Jahren an der Promenade des 19th Street Beach seine Runden dreht, zu Yahoo News.
Fragt sich, wie es mit seiner Begeisterung stünde, wenn sein Job einfach wegrationalisiert würde. Im letzten Jahr gab Ocean City rund 282.000 Dollar für seine 170 Strandmarkenkontrolleure aus. Nun sollen die Ausgaben um die Hälfte sinken, unter anderem weil man zur Kontrolle eines Hi-Tech-Strands wesentlich weniger Manpower braucht.
Strand als Babysitter
Doch die funkenden Armbänder sollen nicht nur dazu dienen, den idyllischen Beruf der Kurtaxen-Kontrolettis obsolet zu machen; sie sollen vor allem Eltern dabei helfen, ihre Kinder besser unter Kontrolle zu halten. Vorgesehen ist, dass Zeuger und Zöglinge ihre Armreife beim Betreten des Strandes elektronisch aneinanderkoppeln.
Liegen Mama und Papa dann später schnarchend auf der Liege, und einer der Drei-Käse-Hochs verlässt Flutschfinger-Eis lutschend die Promenade oder treibt auf einem Auftriebskörper langsam auf den Atlantik hinaus, registrieren Sensoren das unbeaufsichtigte Kind und schicken den Eltern eine Warnung via SMS. Das gesamte Areal wird so zu einer Art elektronischem Babysitter.
Sogar die Mülleimer sollen in Ocean City ihre eigene Funkfrequenz bekommen: In New Jeserys Strandutopie kontrollieren solarbetriebene Sensoren permanent den Füllstand der Abfallbehältnisse und fordern per E-Mail zur Leerung auf, wenn sie mehr als dreiviertel voll sind.
Schon heute gibt es für den Strand der Zukunft übrigens die passende Mode: den Solar-Bikini von Triumph. In die "alternative Energiequelle, die sich dem Körper faszinierend anschmiegt" sind insgesamt 200 Solarzellen eingearbeitet, mit denen sich Mobiltelefone und MP3-Player aufladen lassen. Damit die Energiespender nicht kratzen und drücken, haben die Ingenieure von Conergy spezielle Solarmodule entwickelt. Deren Gesamtleistung soll, bei wolkenlosem Himmel, vier Watt betragen. Ein Stecker zum Anschluss elektrischer Kleingeräte ist integriert.
Allerdings: Die Anmachesprüche an der Strandbar werden dadurch sicher nicht niveauvoller.