Preisausschreiben Wer weiß, was man mit UMTS anfangen könnte?
Sprache ist eine lebendige Sache. Sie verändert und entwickelt sich ständig fort,und manchmal weit schneller, als man vermuten würde. Nehmen wir die englischen "ght"-Worte wie "Night" oder "Light": Zuerst im Alltagsgebrauch, später in der Werbung mutierten sie in den letzten Jahrzehnten zu "Nite" und "Lite", und allzu lang wird man nicht mehr warten müssen, bis sie in dieser Form in die Lexika Einzug halten.
So etwas gibt es auch im Deutschen, und manchmal schließt es sogar Abkürzungen mit ein.
"UMTS" ist so ein Begriff mit ganz erheblichem phonetischem Wandel. In den Jahren 2000 und 2001 streute der Durchschnittsmanager von Welt das Kürzel mindestens neunzehn Mal in jeden Nebensatz ein, körpersprachlich stets begleitet von einem schwer zu unterdrückendem "Gleich werde ich reich"-Lächeln und einem euphorischen Funkeln in den Augen.
In den letzten zwei Jahren mutierte das Kürzel im Sprachgebrauch von Wirtschaftsbossen und Politikern zu "Umpffff", und weil das so unschön nach Schlag-in-den-Magen klang, verzichteten sie zunehmend auf den Gebrauch des ihnen einst so teuren Kürzels.
Jetzt müssen sie wieder, weil ja bekanntlich die Vergabe der für Multimilliardensummen erzockten Mobilfunklizenzen an Auflagen gebunden waren. Zwei davon führen nun zum Revival zumindest des Begriffes: Erstens müssen die Lizenzhalter bis Herbst dieses Jahres ihre Infrastruktur stehen haben,und zweitens bis zum Frühjahr 2004 auch mit entsprechenden UMTS-Diensten zu Potte kommen. Sonst ist die Lizenz wieder futsch, und Hans Eichel kann sie neu verhökern (wenn er dafür Bieter findet).
Das aber ist gar nicht so einfach
"Die neue Technik UMTS verspricht sechsfache ISDN-Geschwindigkeit", erklärt der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhagen seinen Bürgern. Unerklärt bleibt bei diesem Satz, wozu das gut sein sollte, wenn man nur telefoniert.
Genau da liegt der Hase im Pfeffer: Die Mobiltelefonie der "3. Generation" macht keinen Sinn, solang man die Apparate nur zum Quasseln nutzt. Darum gilt es, für die nun vorhandene Technik Anwendungen zu finden, nach denen dringender Bedarf besteht.
Den Entwicklern und Euphorikern der Dotcom-Zeit war da vor allem das bewegte Bild eingefallen: Jedes Handy ein Hosentaschen-Fernseher. Dass aber vielleicht die Bereitschaft zur Bezahlung teurer UMTS-Bilddienste eher gering sein könnte, wurde anfänglich nur schüchtern angemerkt: In unserem Lande macht man das Licht aus, wenn der GEZ-Mann klingelt.
Aber was sollte den Massenmarkt sonst interessieren? Dass "Daten, Bilder, Sprache und Videos" so zukünftig "über Mobiltelefone in Windeseile verschickt und empfangen werden" können, wie Bauckhage ausführt, ist zwar toll, interessiert aber eher meinen Chef als meine Tante. Die redet gern und lang und wünscht sich deshalb ein Mobiltelefon der 3. Generation, mit dem man billiger schnacken kann als über das Festnetz. Daraus, Tantchen, wird wohl nichts. Sorry.
Ideensuche per Preisausschreiben
Und weil der ganze Kram nicht als Sonderangebot daherkommen darf, weil man sonst die Milliarden nie wieder hineinholt, sucht die Industrie nach "Mehrwertdiensten". Doch was ist den Konsumenten mehr wert?
UMTS-Handys werden wie mobile Computer funktionieren", sagt Bauckhage, "die Termine und Daten verwalten. Zugriff auf Fax, E-Mail, Internet und Intranet sind schnell und unkompliziert von überall aus möglich."
So hat man das auch schon anlässlich der Cebit 2000 gehört, und irgendwie scheinen auch die UMTS-Lizenzthalter selbst nicht mehr daran zu glauben, dass es zieht. Auch spielerische Anwendungen, in Japans iMode-Netz erfolgreich, hier zu Lande weitgehend erfolgsfrei erprobt, scheinen das Killerargument für den Kauf von UMTS nicht zu liefern. Aber was dann?
Die Frage soll in den nächsten Wochen die größte UMTS-Entwicklungsabteilung der Republik klären: die Bevölkerung von Rheinland-Pfalz. "Die Einsatzmöglichkeiten sind enorm", lockt deren Wirtschaftsminister. "Es gilt jetzt, die Weichen zu stellen. Entscheidend für den Erfolg der neuen Technologie wird sein, ob den privaten und geschäftlichen Anwendern praxistaugliche und nützliche Dienste zur Verfügung stehen."
Vodafone und Landesregierung wollen mit einem aktuellen Preisausschreiben dafür sorgen, dass da entsprechende Ideen zusammen kommen. Bauckhage: "Mit dem Ideenwettbewerb UMTS sind daher alle interessierten Rheinland-Pfälzer - vom Schüler bis zum Unternehmer - aufgerufen, ihre Nutzungsideen für die neuen UMTS-Handys zu formulieren und damit aktiv an der Gestaltung der neuen mobilen Zukunftstechnologie mitzuwirken."
Noch - siehe oben - ist es dafür ja ganz und gar nicht zu spät. Zu gewinnen gibt es Geld- und Sachpreise im Wert von immerhin 20.000 Euro. Mal im Ernst: Viel billiger bekommt man Marktforschung nicht. Denn selbst, wenn auch beim öffentlichen Brainstorming nichts Neues rumkommt, wird Vodafone zumindest abklopfen können, welche der alten Ideen vielleicht doch eine Chance haben.
Nicht-Pfälzer, die dazu ehrenamtlich etwas beisteuern wollen, sind willkommen: Ihre besten Tipps und Ideen, wozu man Handys der 3. Generation gebrauchen könnte, veröffentlichen wir gern. E-Mail genügt!