Technikärgernis Händetrockner Und ewig rauscht der Fingerfön

Warm, laut, lahm: Seit fast 80 Jahren pusten Händetrockner nach demselben Bauprinzip - und scheitern oft kläglich. Die Geräte hängen in fast jeder öffentlichen Toilette, trocknen aber selten richtig. Dabei gibt es wirksamere Geräte - die setzten sich nur langsam durch.

An deutschen Raststätten hat fast jeder Autofahrer ein eigenes Handtuch dabei. Manche tragen es um die Hüften, manche auf dem Kopf - man muss nur einmal genau hinschauen: Wenn in den Toiletten einer dieser betagten Handtrockner hängt, die röhrend heiße Luft in den Raum pusten, versuchen ein paar Unverdrossene es tatsächlich, sich damit die Hände zu trocknen.

Sie stehen ein paar Augenblicke lang vor dem röchelnden Gerät, reiben zunehmend hektisch die Hände, schalten vielleicht noch einmal den immer viel zu früh verstummenden Trockner ein. Und spätestens dann, nach dem zweiten Föndurchgang geben sie auf, reiben die Hände an der Hose trocken oder fahren sich durchs Haar - so wie das die Handfönverächter aus Erfahrung gleich machen. Denn die meisten Warmlufthändetrockner brauchen gefühlt einfach zu lang.

43 Sekunden dauert das Trockenpusten

Wie lange genau, haben zwei britische Biologen von University of Westminister vor zehn Jahren in einer Studie  beziffert: Ihren Experimenten in den Institutstoiletten zufolge braucht man mit Papierhandtüchern im Durchschnitt zwölf, mit Baumwollhelfern zehn Sekunden, mit Warmlufttrocknern aber 43 Sekunden, um die gewaschenen Hände zu 95 Prozent zu trocknen.

So viel Zeit nahmen sich die beobachteten Testpersonen aber nicht, wenn sie nicht angehalten waren, die Hände völlig zu trocknen. Gut 20 Sekunden gaben Männer, 25 Frauen dem Warmlufttrockner. Dann verließen sie den Handfön mit feuchten Händen und trockneten sie oft noch mal richtig an Hosen oder Haar ab.

Das mit den 43 Sekunden gilt für die neuen Warmlufttrockner nicht mehr. Georg Wohlfarth, Marketing-Manager beim deutschen Hersteller Starmix betont, man habe das Prinzip so weit verbessert, dass die neuen Händetrocknermodelle im Durchschnitt zwischen "20 und 25 Sekunden benötigen" und dabei "energieeffizient und wirtschaftlich" arbeiten.

Der Warmlufthändetrockner kommt aus Stuttgart

Überhaupt, gibt Wohlfarth zu bedenken, seien die Angaben der Trocknungszeit nur schwer zu verallgemeinern: "Es gibt da keinen Messstandard, da spielen viele Parameter eine Rolle: Reiben die Menschen beim Trocknen die Hände? Schütteln sie die Hände vorher ab?"

Stimmt alles, ändert aber nichts daran, dass die meisten Warmlufthändetrockner zu lange brauchen, egal wie lange das nun im Detail ist. Das liegt wohl daran, dass sich das Konstruktionsprinzip dieser Geräte seit mehr als 80 Jahren nicht grundlegend verändert hat. 1925 verkaufte die Stuttgarter "Elektrotechnische Spezialfabrik für Staubsauger und Gebläse" den ersten Warmlufthändetrockner der Welt namens Electrostar. Heute heißt die Firma so, ihre Warmlufthändetrockner aber Starmix.

Und die funktionieren immer noch wie ein umgedrehter Staubsauger, saugen hinten Raumluft an und pusten sie aufgewärmt vorne wieder raus. Starmix-Manager Georg Wohlfarth sagt selbst, dass Warmlufthändetrockner in den vergangenen Jahrzehnten zwar durch viele kleine Detailverbesserungen effizienter geworden sind, sich am Grundprinzip aber "nichts geändert" habe.

Dasselbe Bauprinzip seit 80 Jahren

Das Problem dieser Bauweise: Trocken werden die Hände entweder, weil heiße Luft das Wasser verdampfen lässt oder weil ein sehr starker Luftstrom das Wasser einfach wegpustet. Zu heiß darf die Luft aus dem Hängetrockner nicht werden, sonst wird es unangenehm. Zu stark dürfen die Geräte aber auch nicht pusten, sonst landet das von den Händen weggeblasene Wasser auf der Kleidung der Benutzer.

Diese nicht ganz optimale Konstruktion dominiert komischerweise seit Jahrzehnten den Markt für Handtrockner. Vor einigen Jahren erst, so Electrostar-Manager Wohlfarth, versuchten "asiatische Hersteller etwas Neues: Trockner mit extrem starkem Luftstrom, in die man die Hände von oben hält. Das ist die erste große Neuerung seit 1925, was den Gebrauch des Gerätes angeht."

Der Super-Pustetrockner braucht nur 10 Sekunden

Eine "Neuerfindung des Händetrocknens" reklamiert aber auch der britische Hersteller Dyson für seinen Airblade: Das Gerät bläst mit 650 Stundenkilometern schneller Luft das Wasser von den oben ins Gerät gehaltenen Händen. Das dauert Dyson zufolge 10 Sekunden. Und in der Tat: Beim Selbstversuch ist das Gerät nach einem Augenblick fertig. Ich komme nicht dazu, genervt zu sein oder auch nur zu überlegen, wie schnell das wohl wirklich geht. Der Trockner ist fertig, angenehm kühl (die Luft wird gefiltert, nicht erhitzt) und die Hände sind wirklich trocken.

Die Dyson-Trockner sind wirklich schnell. Der Hersteller wirbt auch damit, den "schnellsten hygienischen" Trockner gebaut zu haben, weil die angesaugte Luft hier gefiltert werde und nicht erhitzt wie bei herkömmlichen Geräten. Dass Warmlufttrockner Keimschleudern sind, hört man oft. So viel es an den antiquierten Geräten zu kritisieren gibt - das stimmt nicht.

Miranda Suchomel, Leiterin der Abteilung für Entkeimungsverfahren am Institut für Hygiene der Medizinischen Universität Wien, erklärt: "Aus Hygienesicht ist es unerheblich, auf welche Art man sich die Hände abtrocknet. Abgesehen von feuchten, schon oft benutzten Handtüchern, die wahre Keimschleudern sind, sehe ich da keine hygienisch relevanten und statistisch signifikanten Unterschiede bei den diversen Einweg-Trockenmethoden."

Warmlufttrockner brauchen noch lange lang

Die Vorstellung, dass Heißlufttrockner die Luft in Toilettenräumen ungefiltert ansaugen und erhitzen, mag unappetitlich sein. Kritisch sieht Hygiene-Expertin Suchomel das nicht: "Diese Luft atmen sie ohne jede Beeinträchtigung - dass man sich damit die Hände trockenblasen lässt, macht das nicht gefährlicher."

Aber entscheidend ist das Hygieneargument ohnehin nicht. Es ist ja schon toll, dass nach gut 80 Jahren endlich ein paar Ingenieure Händetrockner entwickelt haben, die tatsächlich funktionieren. Diese Geräte stehen derzeit allerdings nur an wenigen Orten: Time Warner Center in Manhattan, Edel-Casinos in Las Vegas, Buckingham Palace - diese Klasse eher. Das getestete Dyson-Gebläse hängt in den Räumen eine Hamburger Werbeagentur.

Die alten Heißlufttrockner aber laufen weiter, weil sie für die Betreiber in vielen Fällen auf lange Sicht günstig sind. Peter Koß, Manager beim Hersteller Stiebel Eltron, rechnet vor: "Die Anschaffungskosten sind gegenüber Handtuchspendern deutlich höher. Aber je stärker die Sanitärräume frequentiert werden, desto höher ist die Einsparung gegenüber anderen Systemen." Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer einmal viel Geld für einen Warmlufthändetrockner ausgegeben hat, nimmt die Investition nicht einfach so außer Betrieb.

Versteckte Einschaltknöpfe, verwirrende Anleitungen, verrückte Automaten - in der Reihe "Fehlfunktion" stellen wir in loser Folge Technikärgernisse vor, die Millionen nerven. Schicken Sie uns Ihre Anregungen mit einer kurzen Begründung. Am besten per E-Mail .

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