Webzugänge Merkel verspricht High-Speed-Internet für Millionen Deutsche
Berlin - Das Thema Breitband-Internet beschäftigt Angela Merkel (CDU) schon seit einiger Zeit. Beim sogenannten IT-Gipfel im November 2008 hatte die Kanzlerin schon von ihren ehrgeizigen Plänen für den Ausbau des Breitbandnetzes in Deutschland gesprochen, nun, zwei Tage vor Eröffnung der IT-Messe Cebit, wurde sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft konkreter: Breitband für alle bis 2010, auch unter Ausnutzung freiwerdender Fernsehfrequenzen: "98 Prozent der Haushalte haben bereits die Möglichkeit, einen Breitbandanschluss mit einer Übertragungsrate von mindestens einem Megabit pro Sekunde zu bekommen. Das allerdings reicht uns noch nicht."
Der nächste Schritt, den Merkel ankündigte, ist weitaus ehrgeiziger: High-Speed-Anschlüsse für 75 Prozent der Haushalte bis 2014. Wo derzeit ein bis sechs Megabit pro Sekunde durch die Leitungen rieseln, sollen bis dahin 50-Megabit-Ströme rauschen, und zwar "mindestens", so Merkel.
Doch die Zeiten, da Deutschlands Telefonnetz dem Staat gehörte, sind vorbei - und so kann auch die Bundesregierung hier nur appellieren, verhandeln und ein bisschen fördern - Kabel verlegen lassen aber kann Merkel nicht. Und bei dem, was sie sich vorstellt, stehen ihr die EU-Institutionen im Weg.
"Natürlich", so die Kanzlerin, brauche man "die privaten Anbieter". Merkel weiter: "Dazu muss die Regulierung der Märkte so erfolgen, dass Anreize für Investitionen nicht nur in den Ballungsgebieten gesetzt werden, sondern auch in den weniger besiedelten Gebieten." Man werde im EU-Rat im März über dieses Thema mit der Europäischen Kommission sprechen.
Gemeint ist: Die Kanzlerin möchte sich gerne auf die Seite des ehemaligen Staatskonzerns Deutsche Telekom stellen. Denn der will einerseits gerne Hochgeschwindigkeitsglasfaserkabel verlegen, wie man sie für Merkels 50-MBit-Netz bräuchte. Andererseits hätte man es bei der Telekom am liebsten, wenn dann zunächst auch nur das eigene Unternehmen Zugriff auf diese neue Infrastruktur hat. Für Verbraucher würde das bedeuten: Wer ultraschnelle Netzzugänge will, muss wohl oder übel Telekom-Kunde werden. Für die Wettbewerber im Telekom-Markt wäre das eine mittelschwere Katastrophe. Die EU-Kommissarinnen Viviane Reding (Medien) und Neelie Kroes (Wettbewerb) sehen die Begehrlichkeiten des ehemaligen Staatskonzerns dementsprechend höchst kritisch.
Die Telekom fordert möglichst wenig Regulierung
Telekom-Chef René Obermann hatte schon beim IT-Gipfel im November gewarnt, die Branche werde die nötigen Milliarden nur investieren, wenn die unternehmerischen Risiken kalkulierbar seien und man in diesem Bereich auch Geld verdienen könne. Bislang gebe es eine Überregulierung von Seiten der EU-Kommission, die das Augenmerk auf populäre Preissenkungen für die Verbraucher lege. Dies sei jedoch eine entscheidende Investitionsbremse. Obermann: "Wir brauchen eine Regulierung, die nicht noch mehr Geld aus dem Markt nimmt." Viele sind allerdings eher der Meinung, dass die Regulierung, etwa im Bereich Mobilfunk-Roaming, höchstens die absurd hohen Gewinnmargen der Konzerne in diesem Bereich ein wenig schmälert.
Was das hehre Ziel der bundesweiten Breitband-Verkabelung kosten und bringen würde, darüber gehen die Schätzungen auseinander. Obermann setzte, Zahlen des Branchenverbands Bitkom folgend, die Höhe der notwendigen Investitionen bei "40 bis 50 Milliarden Euro" an.
Deutlich billiger wäre die Lösung für das Problem der laut Merkel etwa 730.000 deutschen Haushalte, die derzeit noch gar keinen Zugang zu schnellen Internet-Verbindungen haben, nicht einmal zu normalem DSL. Man wolle, so die Kanzlerin, "sogenannte digitale Dividende" an die "Anbieter von Breitbandanschlüssen" verteilen, und zwar "sehr schnell". Der Begriff bezeichnet die Fernseh-Frequenzbereiche, die durch die Umstellung auf digital terrestrische Ausstrahlung frei werden. Auf diesen Frequenzen ließen sich auch Internet-Inhalte transportieren - allerdings müsste für den Rückkanal auch weiterhin eine kabelgebundene Verbindung bestehen.
TV-Frequenzen-Idee stößt auf den Widerstand der Sender
Das Problem mit dem einleuchtend klingenden Plan ist: Die TV-Anbieter haben gar keine Lust, die freiwerdenden Frequenzen so einfach herzugeben. Die Lobbyisten, allen voran die Vertreter von Sendeanstalten aus Deutschland, Frankreich und England, sperrten sich, als das EU-Parlament im September 2008 über die Verteilung der TV-Frequenzen abstimmen wollte.
Das Parlament verlegte sich schließlich auf den Vorschlag, in knapp zwei Jahren einen "Spektrum-Gipfel" zu organisieren, der den Streit 2010 beilegen soll. Merkels Versprechen, die digitale Dividende "schnell" zu verteilen, dürfte also schlicht am Arbeitstempo der europäischen Institutionen und dem Widerstand der TV-Lobby scheitern. Der deutsche Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) ließ denn auch mitteilen, mit der Vertagung würden nun "neben anderen Interessen auch die des Rundfunks hinreichend berücksichtigt".
Mobile Breitbandformate
Neben der Alternative Funknetz werde aber auch der Ausbau herkömmlicher DSL-Verbindungen gefördert, so Merkel nun im Podcast: "Zum Beispiel können im Konjunkturpaket Gelder dafür verwendet werden, Leerrohre zu verlegen und damit die Voraussetzungen für eine technische Anbindung im Breitbandbereich zu schaffen."
Nur ein vollständig vernetztes Deutschland könne gestärkt aus der derzeitigen Krise hervorgehen, sagte die Kanzlerin sinngemäß: "Was früher ein Elektrizitätsanschluss oder ein Wasser- oder Abwasseranschluss war, das wird in Zukunft auch ein Breitbandanschluss sein." Sie sei der Meinung, dass "die Zukunft der ländlichen Räume ganz wesentlich davon abhängt, dass die technischen Möglichkeiten dort dieselben sind wie in den städtischen Gebieten".
Damit hat die Kanzlerin zweifellos recht. Die Frage ist, ob sie in der Lage sein wird, ihre breitbandigen Versprechen auch einzulösen.