Werbung am Limit Tun Sie das bloß nicht!
Schon blöd, wenn der Staat einem das Geschäft vermasselt. Seit September 2003 gilt das neue Urheberrechtsgesetz - und seitdem darf Software einen vorhandenen Kopierschutz auf CDs und DVDs nicht mehr aushebeln. Bis zum letzten Tag hatten PC-Zeitschriften laut getönt: "So knacken Sie jeden Kopierschutz". Doch seit dem 13. September ist es ruhiger geworden um die Programme zum Klonen von Musik und Filmen.
Eingeweihte brennen natürlich trotzdem munter weiter. Die Hersteller der Kopierprogramme haben ihre Tools abgerüstet, so dass diese sich ganz offiziell an die Gesetze halten. Doch mit kleinen Zusatztools, die es teils sogar kostenlos im Internet gibt, klappt das Kopieren trotzdem.
Doch wie soll man das weniger bedarften PC-Benutzern beibringen? Bei DVD-Klonkursen an der Volkshochschule? Ein Bochumer Hersteller hat nun die Initiative ergriffen, um die Käufer seines Programms darüber aufzuklären, was verboten und was erlaubt ist.
Winken mit dem Zaunpfahl
Natürlich konnte er nicht sagen: Kaufen Sie unser Programm und besorgen Sie sich das Tool X aus dem Internet - dann kopieren Sie jede DVD. Die Firma schaltete vielmehr eine Anzeige und erklärte darin, dass man sich um Gottes Willen nicht das Programm X oder das Programm Y aus dem Internet herunterladen sollte, weil das ja seit neuestem verboten ist. Gleiches gelte für "so genannte Echtzeitentschlüssler" wie Z oder A, heißt es in der Anzeige weiter, diese seien "teilweise Freeware". Und auch "die Nutzung der im Internet kursierenden Schlüssel" C und D sei illegal - Zwinker, Zwinker, Zwinker.
Die ganzseitige Anzeige erschien in allen großen Computerzeitschriften von "Chip", "Computer Bild", "c't", "PC Welt" bis zu "PC Go!" und "PC Magazin". Abgelehnt wurde sie nach Angaben des Programmherstellers nirgends. Juristen halten das Ganze für zumindest grenzwertig. Das neue Urheberrechtsgesetz verbietet ausdrücklich Vertrieb und Werbung für Software, die Kopierschutz ausschaltet. Eventuell könnte sogar der Verlag mitbelangt werden, doch in den Anzeigenabteilungen der Zeitschriften hatte man diese Bedenken offenbar nicht.
Auch die Urheberrechtswächter aus der Film- und Musikbranche sehen die Sache erstaunlich gelassen. Die Anzeige biete "keine direkte Handlungsanweisung" erklärte etwa Jan Scharringhausen von der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Strafrechtlich gebe es wenig Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.
Bloß keinen Staub aufwirbeln?
Der Sprecher der Deutschen Phonoverbände, Hartmut Spiesecke, zeigt sich zwar erbost über die "dreiste Anzeige". Ob sein Verband dagegen vorgeht, ist jedoch noch offen. Die Sache werde von Juristen geprüft, so Spiesecke.
Vielleicht wollen Musik- und Filmindustrie ja auch einfach keinen weiteren Staub um die Sache aufwirbeln, damit die illegalen Tools nicht noch häufiger in der Presse genannt werden.
Der Bochumer Hersteller des Kopierprogramms wähnt sich auf der sicheren Seite. Die Urheberrechtsreform letzten Jahres habe eine "breite Verunsicherung bei den Anwendern hinterlassen", heißt es in einer Erklärung. Zahlreiche Fragen seien offen geblieben. Die leidige Frage, ob und was man denn nun kopieren dürfe, ohne illegal zu handeln, beschäftige viele Video-Fans.
"In unserer aktuellen Werbung präsentieren wir nicht nur unser neues Produkt, sondern holen das nach, was der Gesetzgeber bisher nur schwach umsetzte: klar zu sagen, was legal und was illegal ist." Ob das juristisch fragwürdige Marketing Erfolg hat?
Übrigens: Bei einem Test von 15 DVD-Kopierprogrammen der Zeitschrift "c't" landete die Vorgängerversion des umworbenen Tools nur im Mittelfeld. Die neue Version soll jedoch eine bessere Bildqualität liefern, verspricht zumindest der Hersteller. Und noch eine Anmerkung: Die in der Anzeige genannten Echtzeitentschlüsseler arbeiten nicht nur mit dem Klonprogramm aus Bochum (illegal) zusammen sondern auch mit anderen DVD-Kopier-Tools.