Abgesang Bye bye Konr@d

Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr stellt seine "Sonderreihe" Konr@d ein. Redaktionsleiter David Pfeifer spricht davon, dass der Titel nun in den "Stern" integriert werde. "Die Zeit für intelligente Titel über das Internet ist vorbei", sagt Pfeifer. "Oder sie ist noch gar nicht gekommen."

Am Ende stand der Kehrbesen. Seit langem raunte es in der Gerüchteküche, Bernd Kundrun, Zeitungsvorstand von Gruner + Jahr und designierter Vorstandsvorsitzender, plane ein Großreinemachen, bevor er den Chefsessel einnehmen werde. "Konr@d" , Ableger des "Stern" mit dem verheißenden Untertitel "Der Mensch in der digitalen Welt", rangierte offenbar ganz oben auf der Liste. "Am Ende", sagt Konr@d-Redaktionsleiter David Pfeifer, "ging es nur noch um die Entscheidung, entweder ein Monatsmagazin daraus zu machen, oder Konr@d in den 'Stern' zu integrieren". Der Ausgang ist nun bekannt.

Das Licht der Welt erblickte Konr@d Ende August 1997. "Begleiten Sie uns ins 21. Jahrhundert" warb der "Stern" damals - nun werden wir wohl allein gehen müssen. Dabei hatte die ganze Sache recht vielversprechend angefangen.

Konr@d war ein "jetzt-erst-recht"-Produkt: Gruner + Jahr hatte sich an der geplanten deutschen Ausgabe des amerikanischen Kultmagazins "Wired" beteiligen wollen, doch die Verhandlungen zwischen den Verlagen scheiterten im Oktober 1996. Gruner + Jahr beschloss, selbst ein Pendant zur amerikanischen "Cyber-Bibel" ins Leben zu rufen und gewann als Mastermind Peter Glaser, der dem Magazin einen fulminanten Start bescherte. Mit der ersten Ausgabe von "Konr@d" gelang Gruner + Jahr ein wahrhaft intelligenter Online-Titel, wie es ihn seit dem Ableben des Cyber-Magazins "Pl@net" nicht mehr gegeben hatte. Doch es stimmte etwas nicht im Konzept des "Stern"-Ablegers.

Ein Jahr zuvor hatte Erwin Jurtschitsch, maßgeblich beteiligt am Aufbau von Stern Online und später "Konr@d", die Auflagenhöhe eines möglichen "deutschen Wired" mit "circa 60.000" angegeben. Als "Konr@d an den Start ging, wollte man mehr: da sollten es schon 120.000 werden. "Konr@d" schaffte die Hürde, stieg zeitweise auf über 200.000 Exemplare  - und sollte gewinnbringend Rahm abschöpfen vom Cyberboom. Am Ende hatte "Konr@d" angeblich noch eine Auflage von 115.000 Exemplaren.

Dass "Konr@d" scheiterte, lag auch an schwankenden inhaltlichen Qualitäten, mit echten Sternstunden und abgrundtiefen Themen-Tälern. Doch wichtiger war am Ende die Erscheinungsweise: Konr@d schaffte es nie, öfter als alle zwei Monate zu erscheinen. Es entstand kein Rythmus, weder für Anzeigenkunden, noch für die Leser. Der neue "Konr@d" geriet zu einer sporadischen Überraschung am Zeitungskiosk: "Ach, gibt es wieder einen neuen?"

Auch die Anzeigenerlöse hielten nicht, was Gruner + Jahr sich versprochen hatte: Das Modell waren Computer-Zeitschriften wie "c't", die mit einer Ausgabe mehr als drei Millionen Mark Werbeumsatz generieren. Und dann kam neue Konkurrenz. Zeitgleich zu "Konr@d" war "TV Tod@y Online" gestartet, später umbenannt in "Online Tod@y". Die "kleine Schwester" aus dem Magazinverlag am Fleetrand - eine hundertprozentige Gruner + Jahr-Tochter - schöpfte Leserschaft bei den pragmatisch orientierten Nutzwert-Suchern ab. Das ärgerte vielleicht, tat aber nicht weh: Zu unterschiedlich schienen die Zielgruppen. Doch dann kam die Verlagsgruppe Milchstraße.

Sie schaffte es, mit einem knallbunten, Fun-orientierten Magazin den Markt aufzurollen. "Tomorrow" räumte ab, und war dank eines geschickten Marketings von der ersten Ausgabe an bekannter, als es Konr@d je wurde.

Die Schlacht war verloren, als "Konr@d" den Fehdehandschuh nicht aufnahm. Statt auf Textqualität gegen die Bilderflut der Konkurrenz zu setzen, verflachte das Blatt zusehends. Renommierte Autoren fanden sich immer seltener im Magazin, auch Peter Glaser zog sich immer mehr zurück. Mit einem Mal füllten Reportagen über "die größte Spielhalle der Welt" die Seiten, mit vielen, vielen Teenie-Bildern. Die 12. Ausgabe war keine Glücksnummer, sie leitete das Ende ein. Auf ihrem Titelbild knieten drei geklonte Nackte, doch even Sex did not sell. Obwohl der Sex-Artikel durchaus zu den Highlights gehörte. "Entweder", sagt Pfeifer, "ist die Zeit für intelligente Online-Magazine vorbei, oder sie ist noch gar nicht gekommen". Ein Tag, nachdem das Ende von "Konr@d" verkündet wurde, erschien die letzte Ausgabe, die Unglücksnummer 13.

Pfeifer geht nun zum "Stern", als Leiter eines Ressorts "Konr@d", integriert ins Mutterblatt. Die ganze Redaktion geht mit, dazu einige der Autoren. Pfeifer: "Wäre doch Wahnsinn, wenn man die Kompetenz, die man aufgebaut hat, jetzt einfach ziehen ließe." Doch wieviele Seiten diese Kompetenz künftig noch füllen wird, steht in den Sternen. "Langfristig bleibt nicht viel", fürchtet Pfeifer. Das mache die Redaktion schon traurig, "aber für die Leute ist es ja nicht gerade von Schaden, zum 'Stern' zu gehen." Wohl wahr, und trotzdem schade.

Frank Patalong

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