Blogger mit Abmahn-Angst 1600 Euro für ein Foto

"Iron Man" (Symbolbild): 1600 Euro für ein Bild mit Heldenkostüm
Foto: Industrial Light and Magic/ APEin Foto, zwei Sätze, noch ein Link dazu: fertig ist der Blog-Eintrag. Auf eigenen Websites, in sozialen Netzwerken wie Facebook, Pinterest oder Tumblr veröffentlichen Internetnutzer ihre Netzfundstücke. Sie gehen dabei auf Kollisionskurs mit Gesetzen und der klassischen Medienwelt, und manchmal knallt es.
Schon seit dem vordigitalen Zeitalter sorgen Bildagenturen dafür, dass Fotos verbreitet und bezahlt werden. Will etwa ein Verlag ein Bild nutzen, entrichtet er Lizenzgebühren. Gesetzlich ist alles geregelt, es gibt einen Urheber, der Nutzungsrechte verkaufen oder an eine Agentur übertragen kann, die sie wiederum zu Geld macht.
Dieses eingespielte System gibt es natürlich noch immer, und es weiß sich zu wehren, wenn Blogger oder andere die Verwertungskette umgehen und Bilder einfach ins Netz kleben. Blogger nennen das kuratieren, ihre Währung besteht aus Aufmerksamkeit und Links. Viele verdienen mit ihren winzigen Blogs und niedrigen Besucherzahlen zwar Geld, aber kaum nennenswerte Beträge. Sie sehen sich meist nicht als Konkurrenz zu den klassischen Medien.
1600 Euro für "Iron Man"
Abgemahnt werden sie trotzdem. Allein für ein geklautes Bild können dann 1600 Euro fällig werden, wie gerade Marco Friedersdorf erfahren musste. Er hatte in seinem Blog "Minds Delight" ein Foto veröffentlicht , auf dem ein chinesischer Künstler mit seinem "Iron Man"-Kostüm zu sehen war. Die Verwertungsrechte für das Bild liegen bei der Bildagentur HGM Press, die schon seit mehr als 25 Jahren in diesem Geschäft tätig ist und Material vom Hochglanzfoto bis zu Paparazzi-Bildern anbietet. Eine Anwaltskanzlei hat im Auftrag der Agentur schon mehrere Blogger abgemahnt - wie viele, darüber gibt HGM Press keine Auskunft. Mehrere Abmahnungen mussten später zurückgezogen werden, weil die Agentur die Bildrechte doch nicht oder nicht mehr hatte.
"1600 Euro, das ist mehr als das Nettoeinkommen von vielen Menschen. Das finde ich hart", sagt Friedersdorf. "Wir setzen uns juristisch einfach zur Wehr", sagt Hans-Gerd Michel von HGM Press. "Es kann nicht sein, dass in dieser Republik berechtigterweise geklaut werden darf. Nicht diejenigen, die ihre Rechtsposition durchsetzen, sind das Problem, sondern die, die klauen."
Zum Glück gibt es Gesetze
Für Menschen, die etwa von Bildrechten leben, ist der Blogger, der einfach ein Bild auf seine Seite setzt, ohne Nutzungsrechte zu klären oder Lizenzen zu zahlen, längst nicht mehr der freundliche Kurator von nebenan. Michel fürchtet Einbußen bei seinem Geschäft: Gut zahlende Kunden nähmen vom Kauf mancher Fotos Abstand, "weil sie die Fotos schon im Internet verbreitet finden". Oft würden Fotos von ausländischen Seiten unrechtmäßig herunterkopiert und auf diversen Webseiten unlizenziert in Deutschland veröffentlicht. Früher habe man weniger Abmahnungen verschickt, aber "mittlerweile wird immer massiver und von vielen Seitenbetreibern sehr professionell geklaut", so Michel.
Etliche Blogger dagegen sind sich kaum einer Schuld bewusst: Sie haben in ihren Augen niemandem etwas weggenommen, im Gegenteil, sie haben für Verbreitung gesorgt, für mehr Aufmerksamkeit. Sie haben dazu die Werkzeuge benutzt, die ihnen US-Unternehmen wie Google (Blogger) oder Automattic (Wordpress.com) anbieten. Man klickt auf ein Icon, gibt die Webadresse eines Bildes an, fertig. Kein Hinweis darauf, dass diese drei Klicks später Tausende Euro kosten können.
Es ist eine höchst emotionale Auseinandersetzung. Mancher Blogger hält so eine Bildagentur, die ihre Rechte mit einer kostenpflichtigen Abmahnung durchsetzt, für ein Unternehmen, das sich bloß bereichern will. René Walter von "Nerdcore" etwa beschimpft HGM Press mit drastischen Worten : Blogger würden zuerst helfen, einer Meldung Aufmerksamkeit zu bringen, ein paar Jahre später werde man dann nachträglich abgemahnt. Michel weist das zurück, spricht von "Diffamierungen und verzerrten Darstellungen": "Fakt ist, dass HGM Press in zeitlichem Vorlauf über die Rechte verfügt und nicht - wie in Blogs dargestellt - sich extra für Abmahnungen um die Rechte bemüht."
Blogger löschen Archive
Wer ein Bild im Internet veröffentlicht oder "teilt", wie es im Facebook-Jargon heißt, muss die Rechte daran besitzen. Das dürfte bei selbstgemachten Fotos der Fall sein, ansonsten muss die Genehmigung des Urhebers oder des Rechteinhabers vorliegen. Es gibt Seminare zu "Social Media Recht", in denen Anwälte vorrechnen, dass die typische Facebook-Seite eines Teenagers mehr als zehntausend Euro Abmahngebühren "wert" sei .
Manche Blogger tauschen nun Tipps, wie man einer Abmahnung entgehen können soll: Bilder bloggen, die nicht von Profi-Fotokünstlern gemacht wurden. Nichts mit Prominenten. Nichts aus Deutschland. Eine Garantie ist das nicht - und manchmal meldet sich ein Rechteinhaber. Dann kann es teuer werden. Nun löschen mehrere deutsche Blogger ihre jahrelang aufgebauten Websites oder entfernen alle Fotos . Ihre Angst: Dass in ihren Blogarchiven Zeitbomben lauern, die nur darauf warten, finanzielle Löcher ins Budget zu reißen.
Mit nicht kostenpflichtigen Hinweisen auf widerrechtliche Bildnutzung hat HGM Press nach eigenen Angaben keine guten Erfahrungen gemacht. "Wir haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, Verstöße direkt zu klären. Jedoch sind wir am Ende auf unseren Kosten und entstandenen Schäden sitzen geblieben und haben für die Verwendung keinen Cent gesehen", sagt Michel. Nun wird abgemahnt.
An der Frontstellung zwischen denen, die mit dem Vertrieb von Medieninhalten Geld verdienen und jenen, die "Teilen" für ein Grundrecht halten, wird sich vorerst wohl nichts ändern.
Mit Werbung auf seinem Blog "Minds Delight" verdient Blogger Friedersdorf nach eigenen Angaben alle paar Monate 200 Euro. Nach der Abmahnung wegen des unlizenzierten Bildes bat er seine Leser um Hilfe. Binnen zwei Tagen kamen mehr als 2000 Euro an Spenden zusammen.