Wegen Spendenaktion Anonymous-Anhänger sagen sich von WikiLeaks los

Anonymous-Aktivist: "Wir müssen zeigen, dass wir zum Handeln entschlossen sind."
Foto: SUSANA VERA/ REUTERSEin Spendenaufruf auf der WikiLeaks-Website hat endgültig zum Zerwürfnis mit Anhängern des Web-Kollektivs Anonymous geführt. WikiLeaks-Gründer Julian Assange fordert in einem auf den US-Wahlkampf ausgerichteten Video dazu auf, die Plattform mit Geld zu unterstützen. Das Formular dazu prangt vor mehreren von WikiLeaks enthüllten Datenbeständen, ohne Spende, Twitter- oder Facebook-Nachricht gibt es keinen Zugriff, zumindest nicht über die WikiLeaks-Website.
Anhänger von Anonymous nehmen die umstrittene Spendenkampagne nun zum Anlass, um sich grundsätzlich über die Ausrichtung von WikiLeaks zu beklagen. Ihren Unmut erklären die Unbekannten in einem offenen Brief . In den vergangenen Monaten habe sich der Fokus von WikiLeaks verschoben - weg von der Veröffentlichung geheimer Regierungs- und Unternehmensinformationen, hin zu Julian Assange.
Sie seien interessiert an transparenten Regierungen, heißt es darin, und an der Enthüllung von der Öffentlichkeit vorenthaltenen Informationen. "Stattdessen hören wir nur von Julian Assange, etwa dass er mit Lady Gaga zu Abend gegessen hat." Man könne WikiLeaks deshalb nicht länger unterstützen. Die Unbekannten haben nach eigenen Angaben vor ihrer Stellungnahme mit etlichen Anhängern des Web-Kollektivs gesprochen: "Die große Mehrheit war von dieser aufdringlichen Aufforderung entsetzt."
"Operation Avenge Assange"
Der Bruch ist bemerkenswert, weil Anonymous-Aktivisten für WikiLeaks zum Teil hohe Risiken in Kauf genommen haben. Für die Enthüllungsplattform ist das Kollektiv einst in den Krieg gezogen. Die namenlosen Internetaktivisten starteten im Dezember 2010 Angriffe auf die Websites von Paypal, Mastercard und Visa, nachdem die Zahlungsdienstleister WikiLeaks die Zusammenarbeit aufgekündigt hatten.
Nach der Veröffentlichung von US-Botschaftsdepeschen und geheimen Berichten aus dem Irak-Krieg handelten die Unternehmen offenbar auf Druck der US-Regierung. In einem Aufruf von Anonymous hieß es damals:
"Warum sollten wir WikiLeaks unterstützen? WikiLeaks veröffentlicht geheime Informationen. Diese Art von Informationen, die der Regierung sagen: 'Hey! Sie können sich wehren, wenn sie wirklich wollen.' Regierungen versuchen derzeit, Websites zu zensieren, die sie nicht gutheißen. (...) Wir müssen der Welt zeigen, dass wir zum Handeln entschlossen sind."
Mit einer Software starteten die Anonymous-Aktivisten massenhafte Abfragen, Server der Unternehmen brachen unter den DDoS-Attacken stundenlang zusammen. Medien berichteten aufgeregt über einen "Cyberwar", Anonymous wurde weltweit bekannt. Für das lose Web-Kollektiv war es die zweite große Kampagne nach dem Start von Protesten gegen die Psychosekte Scientology ein Jahr zuvor.
Anonymous geht ins Gefängnis
Das FBI holte zum Gegenschlag aus. In den Niederlanden wurde ein 16-Jähriger festgenommen, der einen Chatserver bereitgestellt haben soll. Rund ein halbes Jahr später wurden 14 Anonymous-Aktivisten wegen "Operation Payback" und "Operation Avenge Assange" festgenommen.
Anonymous hatte sich zwischenzeitlich für eine gezielte Verbreitung und Auswertung von WikiLeaks-Informationen stark gemacht, zum Beispiel bei der "Operation Leakspin". Anonymous und WikiLeaks waren Verbündete in ihrem Kampf gegen Institutionen, für mehr Transparenz und die Verbreitung von Wissen.
"Das Ende einer Ära"
WikiLeaks geriet nach den Veröffentlichungen zunehmend unter Druck. Und damit nicht genug: Interne Streitereien und die Flucht von Julian Assange vor Strafverfolgung haben das Projekt WikiLeaks seitdem ausgezehrt. Ein anonymer Briefkasten auf der Website, um Dokumente einzureichen, wurde stillgelegt. Zuletzt sollte er Ende 2011 neu gestartet werden, das ist bis heute nicht passiert. Zuvor hatte WikiLeaks in einem dramatischen Appell wieder einmal mehr um Spenden geworben. Zwischenzeitlich arbeitete Julian Assange an seiner Biografie mit, moderierte für den russischen Auslandssender RT eine Talkshow und schrieb bei einem Buch über Internetfreiheit mit.
Mit dem prominenten Spendenbanner hat Assange nun etliche Anonymous-Anhänger vor den Kopf gestoßen. "Wir riskieren nicht Gefängnis, damit Zeug gegen Geld enthüllt wird", heißt es in einem Tweet . Der von mehr als einer Viertelmillion Twitter-Nutzern abonnierte Kanal AnonymousIRC meldete : "Das Ende einer Ära. Wir folgen @WikiLeaks nicht mehr und ziehen unsere Unterstützung zurück. Es war eine großartige Idee, ruiniert von Egos. Good Bye."
Kurze Zeit später veröffentlichten die Unbekannten ihren offenen Brief, um ihr Entsetzen in mehr als 140 Zeichen zu erklären.