Appell des Apple-Gründers "Eure Zeit ist begrenzt"

Einmal überraschte Steve Jobs durch Offenheit: Der so auf Geheimhaltung und seine Privatsphäre bedachte Apple-Visionär wandte sich vor sechs Jahren an Studenten der US-Elite-Uni Stanford. Drei Geschichten erzählte er - eine handelte von Leben und Tod.

Es war heiß, kein Schatten im Stadion von Stanford, die Studenten hatten gesoffen, sie grinsten und kicherten, und darum dauerte es, bis sie verstanden, dass dort vorn ein Herrscher der westlichen Welt zum Geständnis schritt: Steve Jobs, damals Apple-Chef.

Seine Produkte, zu erkennen am angebissenen Apfel, sind Produkte, die die Menschheit verlangt, weil die Menschheit offenbar glaubt, dass diese Produkte das moderne Leben erleichtern, mehr noch: dass modernes Leben aus dem Besitz dieser Produkte besteht. Der Herrscher aber redet nicht über sich, normalerweise. Von Schwächen sagt er sowieso nichts. Damals in Stanford aber, im heißen Juni 2005, sprach er zu den Studenten in seltener Offenheit.

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Er sei schüchtern, sagten manche, die ihn gut kannten, noch zu seinen Lebzeiten. Nur dann sage er etwas, gütig lächelnd, wenn er etwas zu verkaufen habe, ein neues Telefon (iPhone), ein flaches Wunderding (iPad) oder eine neue Werbeplattform (iAd), oder wenn er einen neuen Rekordgewinn verkünden konnte. Ansonsten schweige er, und er fordere Schweigen von allen, die er in seine Nähe lasse, und es lässt sich nicht sagen, warum er an jenem Juni-Tag von Stanford gestand, was ihn trieb, was er fürchtete, was er dachte, nur dort, dieses Mal und nie wieder.

Drei Geschichten wolle er erzählen, nicht mehr, "no big deal", sagte Jobs, Bart- und Brillenträger, die Stirn hoch, er trug eine schwarze Robe, ein dünner Mann schon damals, nach seiner ersten Krebserkrankung. Nun ist er wohl an den Folgen der Krankheit gestorben. Er zitterte ein wenig, hob die Stimme, atmete schnell. Drei Geschichten, keine große Sache.

Die erste Geschichte solle vom Verbinden der Punkte handeln, sagte Jobs und erzählte, wie seine Mutter ihn aufgab, wie er adoptiert wurde, wie er sein Studium abbrach, wie er meilenweit für eine Suppe gehen musste, bis er einen Freund fand und eine Idee hatte. Die Punkte eines Lebens, sagte Jobs, seien immer erst im Rückblick zu verbinden, wir müssten vertrauen. Wir alle. Darauf, dass die Punkte sich zu einem Bild fügen werden, irgendwann, auf unseren Instinkt, das Schicksal.

Steve Jobs wippte nun nicht mehr auf und ab. Und die Studenten von Stanford blickten zur Bühne und hörten ihm zu.

Die zweite Geschichte handelte von Liebe und Verlust. Steve Jobs sagte, dass er als 20-Jähriger gefunden habe, was er liebe, Apple, sein Lebenswerk, und dass er als 30-Jähriger entlassen wurde, doch weitermachte in der Computer-Welt, weil er sie liebte. "Manchmal trifft euch das Leben mit einem Stein", sagte er den Studenten, "verliert euren Glauben nicht. Die einzige Weise, wie ihr eine großartige Leistung vollbringen könnt, ist, dass ihr liebt, was ihr tut." War das Poesie? Ethik gar? Küchenpsychologie? Und die dritte Geschichte? Die dritte Geschichte handelt von Leben und Tod.

Als junger Mann habe er ein Zitat gelesen, sagte Jobs: "Wenn du jeden Tag lebst, als sei er dein letzter, wirst du irgendwann recht haben." Seither frage er sich, ob er tue, was er tun wollte, falls heute sein letzter Tag sei, und falls die Antwort "nein" sei, ändere er den Plan. Er schluckte. Dann sagte Steve Jobs, dass er vor einem Jahr um 7.30 Uhr beim Arzt gewesen sei; die Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs, unheilbar, drei bis sechs Monate habe er noch, "bringen Sie Ihre persönlichen Dinge in Ordnung", hätten die Ärzte gesagt. "Ich lebte mit der Diagnose. Am selben Abend hatte ich noch eine Biopsie."

Die Ärzte führten die Schläuche ein, entnahmen Tumorzellen, untersuchten sie, dann weinten die Ärzte. Eine Operation könne ihn wohl doch heilen, er sei eine seltene Ausnahme, sagten sie. Gib es eine Moral? Es gibt immer eine Moral. "Eure Zeit ist begrenzt. Vergeudet sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben. Lasst euch nicht von Dogmen einengen - dem Resultat des Denkens anderer. Lasst den Lärm der Stimmen anderer nicht eure innere Stimme ersticken. Das Wichtigste: Folgt eurem Herzen und eurer Intuition, sie wissen bereits, was ihr wirklich werden wollt."

Und schließlich sprach er ein Schlusswort, damals vor sechs Jahren: "Bleibt hungrig. Bleibt tollkühn."

Auszug aus dem SPIEGEL 17/2010

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