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Spielertreffen: Die Lan-Party ist vorbei

Foto: Mathias Hamann

Aus für Lan-Treffen Endzeitstimmung auf der Daddelparty

Die Lan-Party stirbt aus, die Zahl der Daddelgipfel nimmt seit Jahren stetig ab. Statt in der Turnhalle treffen sich die Zocker heute im Web. Was bleibt, ist ein Haufen unverwüstlicher Nostalgiker, die den alten Zeiten nachtrauern.
Von Mathias Hamann

Freunde treffen - erst mit der virtuellen Wumme und dann in echt auf ein Bierchen: Das macht den Charme einer Lan-Party aus. Jene Daddelevents, wo meist junge Männer friedlich ein Wochenende durchspielen.

Doch die Zahl der Treffen nimmt ab. Die Webseite lanparty.de verzeichnet für das Jahr 2000 in ihrer Datenbank 1513 Zocker-Feste, ein Jahr später sind es gar 1640. Doch seitdem geht die Zahl zurück, für 2009 finden sich nur noch 374 Einträge.

Oliver Jennings ist ein typischer Veranstalter der Daddel-Feten. Der 29-Jährige ist ein gemütlicher Mann, arbeitet als IT-Berater in Berlin. Jedes Jahr kehrt er nach Fürstenberg zurück. Hier, im Norden Brandenburgs, ging er zur Schule. Und hier organisiert er seit rund 10 Jahren eine Lan-Party, die Lan-4u.

Womöglich nicht mehr lange. "Es könnte die letzte Lan-4u sein", sagt Jenning.

Es begann einst in der Garage der Eltern: Kumpels schleppten ihre PCs zu ihm, verstöpselten sie mit Netzwerkkabeln zu einem Local Area Network - kurz Lan. Funktionierte das Lan, zockten die Freunde ein Wochenende durch, Ego-Shooter wie "Counter-Strike" oder Strategiespiele wie "Starcraft". Für Strom gaben sie ihm fünf Mark, Essen brachte der Pizza-Service oder Mama Jenning kochte. Geschlafen wurde neben dem Rechner, wenn überhaupt.

So ist das bis heute geblieben: Private Lan-Partys gehören nach wie vor zum Standard-Wochenend-Entertainment zahlloser Daddel-Fans. Zeitweilig aber schien es, als wüchse sich der Spaß zu mehr aus, zu einer regelrechten Bewegung mit großen Events. Nicht nur Oliver Jenning erkennt zunehmend, dass das wohl ein Irrtum war - die Massen-Lan-Party stirbt aus.

Nicht genügend Konkurrenten

Beim Rundgang zeigt Oliver Jenning die Luftmatratzen der Zocker und ihre Schlafsäcke. Er expandierte: Von der Garage in die Mehrzweckhalle, aus dem Alleinorganisator wurde ein Team, statt Mutti kochte ein Caterer, nicht mehr fünf Mark, sondern bis zu 30 Euro Eintritt kostete die Teilnahme. Dafür gab es für die Sieger nicht nur Schulterklopfen, sondern Firmen spendeten Preise.

"Im Jahr 2005 war der Höhepunkt, alle drei Hallenteile gebucht mit 410 Teilnehmern und fünf Partys im Jahr", erinnert sich Jenning. Computerspiele-Gigant Electronic Arts stellte sogar eigene Leute ab, um Games auf Lan-Partys zu präsentieren. Professionelle Zocker reisten an, um Punkte für Computerspielligen zu ergattern. Auch beim jüngsten Treffen Mitte September war auch ein Team da, verschwand aber gleich wieder: "Nicht genügend Konkurrenten", sagt Oliver Jenning.

Die tummeln sich lieber im Internet, zum Beispiel bei der Electronic Sports League. Die ESL sieht sich als die Bundesliga der Computerspiele und organisiert die meisten ihrer Matches Online.

Aktuelle Spiele wie "Starcraft II" verzichten außerdem auf den Lan-Modus. Hier können Maus-Generäle ihre Pixel-Armeen nur noch via Internet gegeneinander antreten lassen. "Wir müssten also eine dicke Internetleitung haben, damit die Leute das auf einer Lan-Party zocken können", sagt Oliver Jenning, "und unsere Mehrzweckhalle hat keinen Internetanschluss."

Quatschen statt zocken

Über die Jahre sanken die Preise für DSL-Anschlüsse, ein Monat Internetflat kostet heute so viel wie einmal Eintritt zu einer Lan-Party. Warum also Rechner und Schlafsack einpacken, Mama oder Papa um Fahrdienste anhauen, wenn es doch viel bequemer von zu Hause geht? Kein Wunder, dass der Nachwuchs fehlt. Auch in Fürstenberg: Kaum Teenager in der Halle, die meisten der 140 Leute sind zwischen Mitte zwanzig und dreißig.

Die kommen aus anderen Gründen als zum Zocken. "Ich kann hier mit meinen Kumpels quatschen", sagt Marvin Rosenthal. Der 25-Jährige sitzt vor einem roten Banner in der Ecke der Halle. Darauf prangt der Name seiner Mannschaft, seines Teams oder, wie man in der Szene sagt: seines Clans.

"Chronisch kranke Zocker" nennt sich Marvin Rosenthals Clan (die Mitglieder sind kerngesund), sie gelten auf der Lan4U als Stammgäste. Organisator Oliver Jenning begrüßen sie mit Handschlag. "Wir wohnen und arbeiten in ganz Deutschland verstreut, spielen gelegentlich online miteinander", sagt der gar nicht so chronische Zocker Rosenthal. "Bei einer Lan-Party sehen wir uns endlich mal wieder persönlich." Dafür schläft er ein Wochenende in einer Halle voller Rechner: "Das gehört dazu."

Letzte Lan-4u in der elterlichen Garage

Besonders die mittelgroßen Veranstaltungen, mit bis zu 400 Teilnehmern, wie die Fürstenberger Lan-4u, sterben aus. Andere Daddelfeste verstehen sich mehr als Festival, wie die Dreamhack, eine Art "Woodstock ohne Schlamm und Drogen" zu dem jedes Jahr Tausende nach Schweden reisen.

"Lan-Partys an sich sind kein Publikumsmagnet mehr", bestätigt Marco Grimm vom Veranstalter der NorthCon . Diese Party soll im Dezember 4000 Zocker nach Neumünster locken, man setzt auf Preisgeld und Festivalcharakter. Mehr als 5500 Euro in sechs Wettbewerben gibt es, zudem "Non-PC-Aktivitäten" wie Bingo, Karaoke oder Riesenschach. Bisher verkauften sich 800 Tickets, "zwei Monate vorher eine gute Zahl", sagt Marco Grimm. Er räumt aber ein: "Wenn wir die Marke 3000 Teilnehmer nicht erreichen, müssen wir die Fortführung der NorthCon ernsthaft in Frage stellen."

Die Angst vor der Niedergang zeigt sich auch bei der Lan-4u in Fürstenberg. Es ertönt eine Stimme: "Pizza für Platz 20b ist da." Die Leute bestellen wieder Pizza beim Lieferdienst - wie damals, in den Anfangstagen. Der Catering-Service hat dieses Jahr abgesagt, es lohnt sich nicht. Veranstalter Jenning rechnete mit 400 Teilnehmern, 140 kamen letztlich, dadurch macht er immerhin kein Minus. Das Risiko will er trotzdem nicht mehr auf sich nehmen und macht Schluss.

Wirklich? "Es soll noch mal eine letzte Lan-4u geben", hat er sich inzwischen überlegt. Vielleicht wieder in der elterlichen Garage? Jenning schmunzelt: "Mal sehen."

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