Beschädigtes Tiefseekabel Südafrika teilweise vom Internet abgekoppelt

Neotel-Fehlermeldung: Tiefseekabel gerissen, Internet weg
Für viele Fans und Reporter bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika geht derzeit wenig in Sachen Internet: E-Mail, Web-Surfen auf internationalen Seiten - viel funktioniert gar nicht oder kaum. Internationale Web-Dienste wie Google oder Facebook sind nicht zu erreichen, der Datenverkehr rund um das sportliche Großereignis bewegt sich stellenweise nur noch im Schritttempo. Auch SPIEGEL-ONLINE-Reporter Christian Gödecke war vom Netzausfall betroffen - er musste nach vielen vergeblichen Router-Neustarts auf eine teure drahtlose Internetverbindung umsteigen.
Der Grund: Eines der wichtigsten Seekabel, das Südafrika mit dem Rest der Welt verbindet, versagt derzeit den Dienst. Viele große Internetprovider sind auf die dürftigen Ausweichkapazitäten angewiesen, die in dem Land zur Verfügung stehen. Die Mitteilung auf der Website des Seekabel-Betreibers Seacom ist knapp und nüchtern. Man habe einen "unterseeischen Schaden" festgestellt, der für Dienstausfälle zwischen Mumbai in Indien und Mombasa in Kenia sorge. Ein Sprecher bestätigte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE: "Es hat zwischen Mumbai und Mombasa einen Kabelbruch gegeben." Betroffen seien davon Kunden "überall in Ost- und Südafrika".
Seacom-Manager Suveer Ramdhani erklärte im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE jedoch: "Kein Land ist vollständig down." Wie die Internetversorgung in einzelnen Ländern und innerhalb der Netze einzelner Provider organisiert sei, variiere stark. Vollständig ausgefallen sei die Internetverbindung nur bei einigen wenigen, sehr kleinen Providern, die keinerlei Alternativkapazitäten in Bereitschaft gehalten hätten.
"Wie mit einem 56-K-Modem"
Innerafrikanische Verbindungen sind offenbar nicht betroffen, aber internationale - was bedeutet, dass auch anderswo beheimatete Dienste wie Google, Facebook und viele andere von dem Ausfall betroffen sind - wenn man zu den Kunden gehört, die an Seacoms Kabel hängen. Und das sind viele Nutzer, auch wenn die genaue Zahl derzeit nicht zu erfahren ist. Über Twitter beschweren sich Nutzer mit dem Hashtag #Seacom über "Geschwindigkeiten wie mit dem 56-K-Modem, keine internationale Verbindung, keine E-Mail".
Bis das Kabel repariert ist, werden nach Seacoms Mitteilung sechs bis acht Tage vergehen. Wie lange der Reparaturprozess tatsächlich dauern wird, ist jedoch unklar, weil man "externe Faktoren wie die Reisedauer des Reparaturschiffs, die Witterungsbedingungen und die Zeit, die es dauern wird, das Kabel zu lokalisieren" nicht präzise voraussagen könne. Es handele sich wohl um keinen Riss im engeren Sinne, erklärte Ramdhani - denn die Datenverbindung ist zwar gekappt, Strom aber fließt durch das Kabel nach wie vor. Genaueres werde man erst wissen "wenn wir es vom Meeresgrund holen".
Nutzer aufgefordert, Proxyserver zu benutzen
Seacom versichert, man sei gemeinsam mit den eigenen Kunden darum bemüht, Alternativrouten zu öffnen, um die Internetversorgung trotz des Schadens sicherzustellen.
Zu diesen Kunden, und da beginnt für viele Süd- und Ostafrikaner das Problem, gehören viele der größten Provider der Region, etwa Neotel, MWeb und Internet Solutions. Weitere kleinere Provider wie Afrihost hängen ebenfalls von Seacom-Netzkapazität ab, kaufen ihre Bandbreite allerdings von Resellern. Die Reaktionen der Provider auf die Probleme fallen höchst unterschiedlich aus: Der kleinere Betreiber Afrihost etwa begrüßt Besucher der Unternehmens-Website mit einem großen roten Button, der direkt zu einer Sonderseite führt, in der das Problem erklärt und ein Lösungweg empfohlen wird: Die Nutzer, die Zugriff auf internationale Seiten brauchen, werden aufgefordert, dazu Proxyserver zu verwenden.
Der große Provider MWeb dagegen macht seine Kunden nur in einem Miniaturtext, gut versteckt auf den Hilfeseiten des Unternehmens, auf die Probleme aufmerksam. Nutzer sollten ihre Router neu starten, wird dort empfohlen, weil "alternatives Routing bereits installiert" sei. Weil die Ersatz-Datenleitungen aber offenbar deutlich dünner sind als die ausgefallenen, werde "P2P-Traffic blockiert, solange die Alternativrouten genutzt werden" - Tauschbörsennutzung ist also vorerst nicht möglich, weil die erfahrungsgemäß viel Bandbreite frisst. Neotel, ebenfalls einer der größten Provider Südafrikas, ist von Europa aus derzeit schlicht gar nicht zu erreichen: Statt der Unternehmens-Website bekamen europäische Surfer dort am Dienstagmorgen eine Fehlermeldung zu sehen.
Das größte Ersatzkabel ist derzeit noch nicht in Betrieb
Der Seacom-Sprecher erklärte im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE: "Alle unsere Kunden haben Konnektivitäts-Probleme." Wie gravierend die Auswirkungen für einzelne Endkunden wären, hänge aber von der internen Regelung der einzelnen Provider ab. Manche hätten für derartige Fälle mit entsprechenden Ersatzlösungen vorgesorgt, über andere Kabel oder Satellitenverbindungen. Andere seien schlechter vorbereitet.
Viele Alternativen gibt es für Süd- und Ostafrika generell nicht. Das sogenannte Sat-3-Kabel, das an der Küste Westafrikas entlang verläuft und Südafrika mit der Welt verbindet, ist zwar weiterhin funktionsfähig. Das geplante Unterseekabel namens "Eassy" ("East Africa Submarine Cable System"), das diverse Städte in Ost- und Südafrika mit Netzzugängen versorgen soll, ist derzeit noch nicht in Betrieb - es wäre die beste Alternative zu Seacoms Kabel gewesen. Selbst Seacom-Manager Ramdhani hofft auf das Konkurrenz-Kabel: "Ein Land braucht mindestens zwei Kabelsysteme, das haben wir immer gesagt."
Der offizielle Eassy-Start war bereits einmal verschoben worden und sollte eigentlich im Juni 2010 erfolgen. Nun, das erklärte der Eassy-Projektkoordinator John Sihra auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, sei der Start für den 15. Juli angesetzt - etwas zu spät also, um die Redundanz zur Verfügung zu stellen, die Ostafrikas Internet offenkundig so dringend benötigt. Derzeit, erklärte Sihra am Telefon, sehne man die Einweihung der neuen Leitung besonders herbei, "wir sind nämlich als Anbieter selbst von dem Seacom-Kabelbruch betroffen".
Reuters zufolge sind derzeit etwa zehn Projekte im Gange, die Afrika aus verschiedenen Richtungen mit anderen Kontinenten verbinden sollen.