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Klage gegen Google und Co: Der Kampf der Bettina Wulff

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Bettina Wulff gegen Google Attacke auf den Algorithmus

Ehemalige First Lady gegen Internetgigant: Bettina Wulff will mit ihrer juristischen Offensive erreichen, dass Google ihren Namen nicht mehr mit Worten wie "Escort" und "Prostituierte" verknüpft. Der Konzern weigert sich - die Suchmaschine orientiere sich nur an den Interessen der Nutzer.

Was jetzt passiert, ist natürlich klar: Viele Internetnutzer werden in den Suchschlitz bei Google "Bettina Wulff" eingeben, dann werden automatisch die Wörter "Escort" und "Prostituierte" erscheinen. Und weil viele Nutzer genau darauf klicken, wird der Algorithmus der Suchmaschine weiterhin diese Wörter anzeigen. Zumal jetzt fast alle Medien darüber berichten.

Es ist ein Kreislauf negativer Aufmerksamkeit, den Bettina Wulff zu durchbrechen sucht, indem sie eine juristische Offensive startet. Am Freitag hat sie beim Hamburger Landgericht Klage gegen Günther Jauch und Google eingereicht. Sie wehrt sich gegen Gerüchte und Denunziationen über ihr angebliches Vorleben im Rotlichtmilieu und hat sogar eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, wonach alle Behauptungen darüber falsch seien, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Im Streit mit Günther Jauch hatte sie nach SPIEGEL-Informationen bereits Erfolg: Der Moderator willigte über seinen Anwalt ein, die Anspielungen nicht zu wiederholen.

Die öffentlichkeitswirksamen Klagen sind Teil einer schon länger laufenden Operation: Bereits während der Monate zuvor hatte Wulff erreicht, dass 34 deutsche und ausländische Blogger und Medien Unterlassungserklärungen abgaben, darunter die "Berliner Zeitung" und der "Stern". Ihr Rechtsanwalt Gernot Lehr bestätigte, "dass zahlreiche Verlage, Journalisten und Internet-Aktivisten Unterlassungserklärungen unverzüglich nach Aufforderung abgegeben haben, ohne auch nur zu versuchen, die falschen Darstellungen zu rechtfertigen". Außerdem sei in einigen Fällen Schmerzensgeld durchgesetzt worden.

Wie aber steht es um die sogenannte Autocomplete- oder Suggest-Funktion von Suchmaschinen? Aus Sicht von Google handelt es sich nicht um Behauptungen, sondern lediglich um beliebte Suchwörter, die der Algorithmus automatisch auswertet und anbietet. "Google schlägt diese Begriffe nicht selbst vor - sämtliche in Autovervollständigung angezeigten Begriffe wurden zuvor von Google-Nutzern eingegeben", so ein Sprecher. Das sei keine Meinungsäußerung, sondern ein Spiegelbild bisheriger Suchanfragen.

Aus Sicht von Bettina Wulff sind die vorgeschlagenen Wörter Angriffe auf ihr Ansehen, die sie abwehren muss und deren Erscheinen Google unterbinden soll.

Zählen automatische Vorschläge als eigener oder als fremder Inhalt?

Rechtlich entscheidend wird letztlich sein: Sind die Google-Vorschläge als fremde oder eigene Inhalte zu sehen? Denn Suchmaschinen können nur eingeschränkt belangt werden, wenn sie lediglich auf fremde Inhalte verlinken und in den sogenannten Snippets kurz zusammenfassen. Für das, was sie durchleiten, sind sie grundsätzlich nicht verantwortlich. Bei eigenen Inhalten ist das anders, für die kann ein Anbieter belangt werden.

"Wie das Verfahren von Bettina Wulff gegen Google ausgeht, ist offen", sagt der Berliner Anwalt Thorsten Feldmann, spezialisiert auf Medienrecht. "Aber die Google-Vorschläge sind aus meiner Sicht mehr als bloße Links, sie sind schlagwortartig zusammengefasste Fremdinhalte." Schließlich würden die Wörter von Googles Servern generiert, wenn auch automatisch. Dafür könnte der Konzern unter Umständen verantwortlich gemacht werden, zumal er das Suchverhalten der Nutzer beeinflusst. Das Argument geht so: Bei Snippets findet der Nutzer, was er sucht, bei Google-Suggest wird er erst auf die Suche gebracht.

Ein Google-Sprecher verweist darauf, dass das Unternehmen in mehreren anderen Fällen in Deutschland erfolgreich war, in einem Fall sogar in zweiter Instanz. Zum Beispiel wollte ein Kläger dagegen vorgehen, dass sein Name automatisch mit Scientology verknüpft wurde - Google habe sich durchgesetzt. Man sei mit Wulffs Anwälten schon länger im Gespräch über angezeigte Suchergebnisse gewesen, Google löscht auf Aufforderung Inhalte aus seinem Zwischenspeicher. Vor der Klage zur Autovervollständigung habe es jedoch keinen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegeben.

In anderen Ländern hingegen musste der Konzern in ähnlichen Fällen Niederlagen einstecken. Ein Italiener bekam recht, weil hinter seinem Namen im Suchschlitz automatisch die Wörter "Betrug" und "Betrüger" auftauchten. Google müsse die Autocomplete-Vorschläge filtern, beschloss ein Mailänder Gericht. Einen ähnlichen Fall gab es in Frankreich: Hinter dem Namen eines Mannes erschienen automatisch Wörter wie "Satanist" und "Vergewaltiger". Auch er konnte sich vor Gericht durchsetzen.

Die Autocomplete-Funktion von Google nervt aber nicht nur Prominente wie Bettina Wulff oder unbekannte Menschen, die ihren Ruf bedroht sehen. Sie nervt auch Musik- und Filmfirmen, die Angst vor illegalen Downloads haben. So knöpfte sich der britische Musik-Branchenverband bereits im Jahr 2010 die Suchmaschinen vor: Google und Co. seien die beliebtesten Instrumente beim Auffinden geklauter Dateien, ein Großteil der Zugriffe finde über Google statt. Um der Piraterie in den Suchresultaten beizukommen, sollte die Autocomplete-Funktion keine Begriffe mehr vorschlagen, die mit Copyright-Verletzungen zusammenhängen.

Bettina Wulffs Kampf um ihren Ruf gelangt nun zu einem Zeitpunkt in die Öffentlichkeit, da die ehemalige First Lady für sich selbst einen Neubeginn vorbereitet. So hat sie sich offensichtlich beruflich neu orientiert und sich mit einer PR-Agentur selbständig gemacht. "Ich fühle mich frei, weil ich mein eigener Chef bin", sagte sie dem "Focus". Und auch publizistisch will Wulff in die Offensive gehen. Noch im September soll ein Buch über ihr Leben erscheinen.

Schon jetzt schlägt Google "Biographie" vor, wenn man Bettina Wulff und den Buchstaben B eintippt. Allerdings erscheint auch das Wort "Bordell".

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