Musiktausch im Internet Eltern haften nur ausnahmsweise für ihre Kinder

Eltern sind aus dem Schneider: Wenn der Nachwuchs illegal Dateien im Internet tauscht, können sie nur in Ausnahmefällen dafür belangt werden. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden. Auch zur Kontrolle der Internet-Aktivitäten ihrer Kinder gibt es keine generelle Pflicht.
Bundesgerichtshof: Eltern haften auch im Internet nicht automatisch für ihre Kinder

Bundesgerichtshof: Eltern haften auch im Internet nicht automatisch für ihre Kinder

Foto: dapd

Tausende Abmahnungen werden jede Woche verschickt, weil im Internet illegal Musik oder Filme getauscht wurden. Nicht selten sollen Eltern plötzlich viel Geld bezahlen, nachdem ihr Nachwuchs die fragliche Datei heruntergeladen hat, weil sie den Internetanschluss bereitstellen. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Eltern nur in Ausnahmefällen für ihre Kinder haften - und in der Regel nicht von den Rechteinhabern zur Kasse gebeten werden können.

Nach der Entscheidung des 1. Zivilsenats haften Eltern dann nicht für ihre Kinder, wenn sie diese nachdrücklich davor gewarnt haben, sich an Internet-Tauschbörsen zu beteiligen. Danach "genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht" regelmäßig bereits dadurch, "dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internet-Tauschbörsen belehren" - vorausgesetzt, es handle sich, wie im vorliegenden Fall, um ein "normal entwickeltes" Kind, "das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt".

"Wenn kein Anlass zum Misstrauen besteht, gebietet ihnen die Rechtsordnung nichts anderes", sagte der Senatsvorsitzende Joachim Bornkamm in seiner mündlichen Urteilsbegründung. Eine Verpflichtung, die Internetnutzung durch das Kind zu überwachen, den Rechner des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet ganz oder teilweise zu versperren, bestehe nur in Ausnahmefällen.

Zu einer solchen Kontrolle seien die Eltern "erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben" - etwa dann, so Bornkamm, wenn die Eltern eine erste Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzungen des Kindes bekommen haben.

"Lebensnah und realistisch"

Im vorliegenden Fall hatten die Eltern auf dem Computer ihres 13-jährigen Sohnes eine Windows-XP-Firewall eingerichtet und sogar das Aufspielen von Programmen durch ein passwortgeschütztes Sicherheitsprogramm zu verhindern versucht. Etwas Glück hatten die Eltern dagegen, weil die BGH-Richter die Frage, ob eventuell etwa der Vater des Kindes selbst auch Filesharing betrieben hatte, nicht mehr geklärt haben wollten; das Oberlandesgericht Köln hatte diese Frage zunächst offen gelassen.

Der BGH ging allerdings davon aus, dass sich nur der Sohn an den Tauschbörsen beteiligt hatte, so dass es für eine eventuelle - zusätzliche - Haftung der Eltern neben ihrem minderjährigen Sohn nur auf die Frage ankam, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hatten. Richter Bornkamm begründete die sehr elternfreundliche Entscheidung damit, dass die Antwort, welche elterlichen Maßnahmen in solchen Fällen zu verlangen seien, "lebensnah, realistisch und vom Erziehungsgedanken herzuleiten" sei.

Es sei "selbstverständlich", dass Kinder in diesem Alter "über einen Zugang zum Internet verfügen", und dass man ihnen "nicht von vornherein mit Misstrauen begegnen" dürfe und unterstellen, dass sie "entgegen dem, was geboten ist, Rechtsverletzungen begehen".

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren