Big Brother Award Negativpreis geht an Amazon und Microsoft

Lautsprecher Amazon Echo
Foto: Britta Pedersen/ dpaEs ist ein Preis, den niemand bekommen möchte: Mit dem Big Brother Award zeichnet der Verein Digitalcourage gemeinsam mit weiteren Organisationen jedes Jahr angebliche Datensünder aus. Die Preisträger haben nach Ansicht der Juroren besonders massiv gegen Datenschutz-Grundsätze verstoßen. Einer der Preisträger wirft nun aber den Machern des Preises selbst unsaubere Methoden vor - die Vorwürfe gegen ihn seien schlecht recherchiert worden.
Dieses Jahr geht der in sechs Kategorien verliehene Preis an folgende Preisträger:
- Soma Analytics für die Gesundheits-App Kelaa und das damit verbundene Kelaa Dashboard (Kategorie Gesundheit)
- Das Konzept der Smart City (Kategorie PR und Marketing)
- Microsoft Deutschland (Kategorie Technik)
- Cevisio Software und Systeme für die unter anderem in Flüchtlingsunterkünften eingesetzte Software Cevisio Quartiersmanagement (Kategorie Verwaltung)
- Amazons smarter Lautsprecher Alexa (Kategorie Verbraucherschutz)
- Die Fraktionen von CDU und Grünen im hessischen Landtag für das geplante neue Verfassungsschutzgesetz (Kategorie Politik)
Alexa, das "geschwätzige Lauschangriffdöschen"
In den Begründungen gehen die Laudatoren des Preises traditionell auf die genauen Gründe für ihre Wahl ein. Bei Amazons Alexa etwa moniert der Laudator, dass die Sprachaufnahmen von Alexa in der Cloud verarbeitet würden und auch Monate später noch abrufbar seien. Das "geschwätzige Lauschangriffdöschen" überwache alle Haushaltsmitglieder.
Die hessischen Politiker bekommen den Preis, weil der schwarz-grüne Gesetzentwurf zum Verfassungsschutzgesetz "eine gefährliche Anhäufung schwerwiegender Überwachungsbefugnisse" für den Staat vorsehe. Die konkreten Mittel bezeichnen die Verleiher des Big Brother Awards als "schweren Angriff auf Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechte."
Haben die Juroren ungenau gearbeitet?
Die Ausgezeichneten sehen die öffentlichen Vorwürfe der Verleiher naturgemäß nicht gern. Auf SPIEGEL-Anfragen an alle Ausgezeichneten äußerte sich beispielsweise Amazon und verteidigte seinen Lautsprecher: "Alle Daten sind während der Übertragung und in der Cloud verschlüsselt. Der Kunde behält jederzeit die volle Kontrolle über seine Sprachaufzeichnungen. Jede einzelne Aufnahme kann einfach über die Alexa App oder Amazon.de gelöscht werden."
Auch Microsoft betonte: Datenschutz sei ein wichtiges Ziel des Unternehmens, man gebe für Verbesserungen in diesem Bereich pro Jahr rund eine Milliarde Dollar aus.
Jürgen Frömmrich, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Hessen, zeigte sich überrascht vom Preis. Man habe von der Verleihung konkret an die Fraktion erst durch Anfragen von Journalisten erfahren.
Die Firma Soma Analytics aus der Nähe von München beschwert sich als Preisträgerin weitaus deutlicher über den Prozess, der zur Verleihung des Preises führt: "Wir wurden vor der Nominierung nicht kontaktiert, um die Richtigkeit der Gründe der Nominierung zu prüfen, auch wurden uns andere Gründe genannt als den Medienpartnern", heißt es in einer Stellungnahme von Geschäftsführer Johann Huber.
Er wirft den Machern des Big Brother Awards vor, unter anderem auf Basis von längst veralteten Informationen entschieden zu haben. So begründet der Verein den Preis für die Gesundheits-App Kelaa unter anderem damit, dass die App "anhand verschiedener Parameter (z.B. Aufgeregtheit der Stimme beim Telefonieren) den Gesundheits- und Vitalzustand des Nutzers" überwache. Auf SPIEGEL-Nachfrage verweist der Verein auf zwei Links von der Kelaa-Webseite als Quelle.
"Einfache Nachfrage der Organisatoren hätte genügt"
Huber hingegen schreibt: "Ein Blick in unsere öffentlich zugängliche Datenschutzerklärung hätte gezeigt, dass die Kelaa Smartphone-App keinen Zugang auf die Stimme beim Telefonieren zulässt." Gegenüber dem SPIEGEL verweist er auf einen anderen Soma-Link. Dies seien die aktuellen Nutzungsbedingungen .
Telefonie-Daten spielen demzufolge keine Rolle mehr für die Kelaa-App. Die nach Auskunft von Huber veraltete Information von 2013, die die Macher des Preises gefunden hatten, will er nun aktualisieren.
"Es wäre schön gewesen, wenn die Organisatoren eines Negativpreises, welcher starke Medienaufmerksamkeit bekommt, verifizierte Informationen verwendet hätten", sagt Kelaa-Macher Huber nun. "Eine einfache Nachfrage der Organisatoren hätte genügt, um dieses Missverständnis ins rechte Licht zu rücken."
Man habe in der Vergangenheit tatsächlich mit einem Tracking-Feature für Sprachanrufe experimentiert. Dies sei aber seinen Angaben zufolge wieder verworfen worden - "eben genau wegen Privacy-Bedenken". Auch die noch online zu findende Idee einer Stimmanalyse per Sprachaufzeichnung sei wieder verworfen worden und nie über "interne Tests" hinausgegangen.
Der Big Brother Award wird seit mehr als 15 Jahren verliehen, in der Vergangenheit wurden etwa ein Prototyp der sprechenden Spielzeugpuppe Hello Barbie oder der Bundesnachrichtendienst (BND) ausgezeichnet.