Bizarres Web Popoläres in Bronze

Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen Katie Holmes und Tom Cruise ja Eltern geworden sein. Die Klatschblatt-Welt fiebert der Enthüllung der Göre entgegen, als nahe ein neuer Messias. Derweil versteigert ein New Yorker Galerist ein erstes Suri-Werk bei eBay. Surial, sozusagen.

Was der Galerist David Kesting  da veranstaltet, ist so ungewöhnlich gar nicht. Natürlich hat der gute Mann dabei vor allem die Publicity im Sinn, doch die Bronze-Skulptur, die er zur Zeit bei eBay versteigert , bedient durchaus das Interesse zahlreicher Sammler. Kesting hofft, mit einer Art Suri-Koprolith bis zu 30.000 Dollar einnehmen zu können, die er dann - god bless the good man! - wohltätigen Zwecken spenden will.

Das bedarf der Erklärung gleich in zweifacher Hinsicht.

Erstes Fremdwort: "Suri"

Die sonst so wohlinformierte Wikipedia versagt vor dieser Herausforderung. "Suri" hält die deutsche Ausgabe des Community-Lexikons entweder für eine "Ethnie in Ostafrika", oder aber eine "Sprache in Ostafrika" - und die Frage, wer die wohl spricht , könnte man für 50 Euro bei Günther Jauch einflechten. Unterm Strich bleibt also eigentlich nur ein kümmerlicher Treffer, und das ist ja bekanntlich die Währung, in der zu rechnen wir uns alle im Internet gewöhnt haben.

Schlauer ist da natürlich wie immer Google. Knapp 7,2 Millionen Seiten zum Thema Suri  kennt die Wühlmaschine, was prinzipiell eher Käse ist, wie wir wiederum bei "Wer wird Millionär?" gelernt haben: Je weniger und blöder die Antwortvorgaben, desto größer die Chance selbst für Grenzdebile, es bis 5000 Euro zu schaffen. Reduzieren wir also die 7,2 Millionen Antwortvorgaben auf vier klitzekleine.

Antwort 1: Als "Suri" bezeichnet man eine besonders edle Vier-Prozent-Minderheit  unter den südamerikanischen Alpakas. Nur Kamele glauben übrigens, dass die Viecher Lamas sind, nur weil sie so aussehen. Alpakas im Allgemeinen und Suris im Besonderen sind natürlich Neuweltkamele, zu denen wiederum auch die Lamas zählen. Hätten Sie's gewusst? Ich nicht.

Antwort 2: Die Lautfolge "Suri" mit ihrer so zungenkonformen Abfolge von Konsonanten und Vokalen trägt natürlich in etlichen Sprachen Bedeutung. Im Hebräischen/Persischen soll das nach Informationen von Cruise/Holmes zum Beispiel "Prinzessin" oder "Rote Rose" bedeuten. Das widerspricht den Informationen von Menschen, die wissen, wovon sie reden. Die behaupten, "Sarah" trage diese Bedeutung, während "Suri" im Hebräischen "Dieb" oder spezifischer "Taschendieb" heiße.

Andere wiederum behaupten, die geläufigste Übersetzung laute "Hau ab!" (was verständlich wäre), im Aramäischen hingegen "Wohlhabend" (was definitiv zutrifft). Inzwischen aber gibt es eine Debatte darüber, ob es nicht vielmehr "Spitze Nase" bedeutet, wie die britische "Sun" herausgefunden haben will. Im Sanskrit steht Suri für "Mutter der Sonne". Ansonsten gibt es vor allem deshalb so viele Suris bei Google, weil die auch ein Paschtunischer Stamm sind, was das Wort für Hunderttausende zum Nachnamen macht.

Antwort 3: Alles, was aussprechbar ist, wird früher oder später auch zur Verkürzung komplexer Bezeichnungen benutzt. Suri beispielsweise steht auch für das "Summer undergraduate research internship" des Institutes für Nanotechnology der Purdue University in West Lafayette, Indiana.

Antwort 4: Mit "Suri" wird der angeblich vor rund vier Monaten unter mysteriösen Umständen geborene Nachwuchs von Katie Holmes und Tom Cruise bezeichnet. Die gelten spätestens seit Cruise bei Ophra Winfrey, Amerikas erfolgreichster Trash-Talkerin, und dabei gutturale Liebes-Bekenntnisse ausstieß, als Hollywoods bemerkenswertestes, zumindest aber merkwürdigstes Pärchen. Suri Cruise gilt zur Zeit als jüngste Anwärterin auf den Titel "Boulevard-Messias der Saison".

Baby-Baby, balla-balla

Dabei hat Suri bislang nur den Status eines Gerüchtes. Die Existenz der Göre wurde von der internationalen Boulevardpresse noch nicht per Foto beglaubigt, was natürlich ein Unding ist. Live-Kameraüberwachung wird heute bekanntlich ab Öffnung des Muttermundes, spätestens aber auf den letzten Zentimetern des Geburtskanals vorausgesetzt. Cruise und Holmes - bekennende Scientologen, was die Sache doppelt verdächtig macht - jedoch traten das verständliche öffentliche Interesse mit Füßen. So wirken die meisten bereits kursierenden Fotos eher wie Fälschungen.

Das alles leistet Theorien Vorschub, Cruise und Holmes könnten Schwangerschaft und Geburt nur vorgetäuscht haben. Allein Starfotografin Annie Leibowitz durfte sich im Auftrag von "Vanity Fair" schon mit einer Kamera bewaffnet dem magischen Kind nähern. Dieses Erlebnis habe sie dem Wahnsinn nahe gebracht, sagte Leibowitz nachher, was man - als boulevardesk verkürztes Zitat - als Nachweis von Suris messianischen Qualitäten deuten könnte. Leibowitz meinte das aber wohl anders: Papa Tom Cruise ging ihr einfach auf den Wecker.

Doch zurück zum Thema:

Zweites Fremdwort: Koprolith

Dieses deutlich schwerer auszusprechende Wörtchen ist aus den griechischen Worten "copros" und "lithos" zusammen gesetzt, was für "Kot" und "Stein" steht und sich so quasi selbst erklärt: Salopp gesagt ist ein Koprolith ein Stück versteinerter Scheiße. Das ist nicht anstößig, sondern interessant: Die ältesten Fundstücke bringen es auf ein Alter von über 400 Millionen Jahre. Und natürlich haben die Häufchen (von kleinen fossilen Meerestieren) bis Haufen (von Dinosauriern) eine Menge zu erzählen: Darüber zum Beispiel, was die Viecher nicht gut verdauen konnten. Mit Koprolithen lässt sich eine Menge beweisen.

Das weiß auch Leah Remini, weiblicher Star von "King of Queens" und nebenbei Teil der Scientology-Werbeabteilung rund um Cruise, John Travolta und Co.. Remini ist nicht nur die Tochter eines Asbest-Fabrikanten, sondern kennt sich auch mit Suri aus. Die Aktrice zählt zu den wenigen lebenden Zeugen dafür, dass Suri a) tatsächlich existiert, b) kein durch Erreichen höherer Daseinsstufen zum Über-Thetan mutierter Scientology-Messias ist oder andere Auffälligkeiten wie zum Beispiel Muttermale besitzt.

Reminis Zeugenaussage argumentiert auf einer Linie, die Suri Cruises enge Verwandtschaft mit der menschlichen Rasse unterstreicht: "Sie kackt in ihre Windeln, sie pinkelt da rein, sie schläft und wacht mehrere Male pro Nacht auf. Sie tut, was Babys so machen."

Wahnsinn. Alles ganz normal also. Wahrscheinlich haben sich Galerist David Kesting (falls Sie sich nicht mehr erinnern: siehe erster Absatz) und Künstler von Leahs Aussage inspirieren lassen. Das Suri-Kunstwerk "Baby Poop" thematisiert diesen absoluten Beweis für Suris Normalität: In Kestings New Yorker Galerie wurde am Mittwoch die Bronzeskulptur vorgestellt, die das erste Häufchen der kleinen Suri darstellen soll. Kesting: "Ein Bronzeguss des ersten Stuhlgangs eines Babys kann eine wertvolle Erinnerung für die Familie sein."

Schöpfer des Kunstwerkes ist übrigens derselbe Daniel Edwards, der erst kürzlich das menschliche Kulturerbe um eine Skulptur der nackten, schwangeren Britney Spears bereicherte. Ein Künstler mit einem Händchen für Popoläres, ganz ohne Frage.

P.S.: Wenige Stunden, nachdem die eBay-Auktion zu nachtschlafender Zeit gestartet wurde, überstiegen die Gebote schon 5000 Dollar.

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