Internetkriminalität BKA-Chef Ziercke kritisiert Datenschutz

Nach Ansicht von BKA-Chef Ziercke behindern geltende Datenschutz-Regelungen den Kampf der Ermittler gegen Kriminalität und Terrorismus. Er fordert mehr Befugnisse für die Polizei.
BKS-Chef Jörg Ziercke: "Wir spüren einen hohen Rechtfertigungsdruck"

BKS-Chef Jörg Ziercke: "Wir spüren einen hohen Rechtfertigungsdruck"

Foto: Lukas Schulze/ dpa

Am Ende seiner zehnjährigen Amtszeit hat sich der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, für eine Erweiterung von Polizeibefugnissen ausgesprochen. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erklärte der oberste Kriminalbeamte: "Das Strafrecht wird an seine funktionalen Grenzen geführt. Durch die Debatte über Bürgerrechte und Datenschutz spüren wir einen hohen Rechtfertigungsdruck bei der Frage, was der Staat darf und was nicht."

Ziercke beklagt überdies, dass 70 Prozent der Fälle von Internetkriminalität derzeit nicht aufgeklärt werden könnten. Ursache seien die fehlende Vorratsdatenspeicherung und die Verschlüsselung der Internettelefonie. Dabei fordere nicht nur das BKA die Vorratsdatenspeicherung, auch Länderinnenminister, Staatsanwälte und Ermittler würden hier Handlungsbedarf anmelden.

Vielfach gebe es eine große Ablehnung gegenüber bestimmten Mitteln der Polizeiarbeit. "Wir brauchen darüber eine grundsätzliche Debatte", forderte Ziercke. Derzeit bestimme der mögliche Missbrauch von Daten die Diskussion. Stattdessen wäre eher eine grundsätzliche Debatte, etwa über Kontrollinstanzen, die Datenmissbrauch bei den Sicherheitsbehörden verhindern, sinnvoll.

Eine kommerzielle Software kann nicht verwendet werden

Diese sollten Fälle von Datenmissbrauch bei den Sicherheitsbehörden aufdecken und verhindern. Denkbar sei etwa ein Richtergremium, das in Fällen von Schwerstkriminalität bestimmte Maßnahmen überprüfen und billigen könnte. Dieses könnten etwa Vorratsdatenspeicherung, die Online-Durchsuchung oder die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) sein. Bei Letzterer geht es darum, mittels eines Trojaner-Einsatzes ("Bundestrojaner") etwa Internettelefonate zu überwachen, um gegen Kriminalität oder Terrorismus vorzugehen.

Eine entsprechende Software werde gerade vom BKA entwickelt. Sie müsse aber "hohen Anforderungen hinsichtlich Datenschutz und IT-Sicherheit sowie speziellen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen", so Ziercke weiter. Eine kommerzielle Software, die man bis zur Fertigstellung einer eigenen Lösung angeschafft habe, werde derzeit nicht verwendet, eben weil sie diesen Vorgaben nicht entspricht.

Im März 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die anlasslose Massenspeicherung von Telefon- und Internetdaten zur Strafverfolgung in einem Grundsatzurteil für unzulässig erklärt. Eine Sechsmonatsfrist sei für die Datenspeicherung unzulässig und dürfe in einer etwaigen Neufassung des entsprechenden Gesetzes nicht enthalten sein.

Der 67 Jahre alte Ziercke steht der Sicherheitsbehörde seit 2004 vor. Im November geht er in den Ruhestand.

meu/dpa
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