Börsengang Groupon ist kein Schnäppchen

Groupon: Schnäppchendienst mit wechselvoller Vita
Foto: Charles Rex Arbogast/ APAn Investitionsbereitschaft scheint kein Mangel zu herrschen. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge könnte der Schnäppchendienst Groupon, wenn er in der Nacht von Donnerstag auf Freitag deutscher Zeit an die Börse geht, sogar noch höher bewertet werden, als bislang angenommen. Die Agentur zitiert Analysten und ungenannte Personen, denen zufolge eine Groupon-Aktie am Freitag auf einen Preis von 19 oder gar 20 Dollar pro Stück kommen könnte. Scott Sweet von der Analystenfirma IPO Boutique sagte der Agentur: "Das Unternehmen ist mehrfach überzeichnet. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Groupon mehr als die bislang anvisierte Kursregion von 16 bis 18 Dollar erreicht."
Bei einem Preis von 20 Dollar je Aktie ergäbe sich eine Gesamtbewertung von 12,7 Milliarden Dollar für Groupon. Im Sommer 2010 hatte Google knapp sechs Milliarden für das Unternehmen geboten. Nun wird Google stattdessen zum mächtigen Konkurrenten, indem es einen eigenen Schnäppchendienst aufbaut und andere, kleinere Dienste aufkauft.
Groupon wirbt von lokalen Unternehmen Gutscheine ein, die dann per Newsletter an die eigenen Abonnenten verteilt werden. Lassen sich genügend Kunden auf einen bestimmten Rabatt ein - häufig geht es um Dienstleistungen wie Zähnebleichen, Haarentfernung oder Wellness-Wochenenden - wird der versprochene Preis an den Kunden weitergereicht. Nur wenn ein Deal tatsächlich zustandekommt, bekommt Groupon eine Marge vom Verkaufspreis vom Anbieter der Ware oder Dienstleistung.

Das Unternehmen wurde erst Ende 2008 gegründet und wuchs in atemberaubendem Tempo. Heute beschäftigt Groupon weltweit über 10.000 Menschen, die meisten davon sind Verkäufer: Sie sind dafür zuständig, bei lokalen Unternehmen die Deals einzuwerben, auf denen das Groupon-Modell basiert. Eine Weile war Groupon das am schnellsten wachsende Unternehmen in der Geschichte. Heute setzt Groupon mehr als eine Milliarde Dollar im Jahr um - macht bislang allerdings Verluste.
Enttäuschende Zahlen für Mobil-Dienst
Schnäppchendienste gelten auch deshalb als Hoffnungsträger, weil sie ideal geeignet scheinen, um Vermarktung auf Handys voranzutreiben: Der Tourist in der fremden Stadt hat Hunger, zückt sein Smartphone, entdeckt ein Angebot "Zwei Pizzas für den Preis von einer" in seiner Nähe, spaziert dorthin, bezahlt womöglich direkt mit seinem Handy. Eine so unmittelbare Umwandlung von Werbung in konkreten Umsatz ist der Traum vieler Vermarkter.
Groupon hat, um bei diesem Trend dabeizusein, in den USA den mobilen Dienst Groupon Now eingeführt. Das sei der Marktplatz der Zukunft, soll Gründer und CEO Andrew Mason bei einer Investoren-Roadshow im Vorfeld des Börsengangs immer wieder betont haben. Groupon sei kein Schnäppchendienst, sondern ein "lokaler Marktplatz für E-Commerce". Doch wenn die Zahlen stimmen, die der Schnäppchen-Aggregator Yipit kürzlich veröffentlichte, macht Groupon Now bislang gerade mal ein Prozent aller US-Umsätze des Unternehmens aus. Sechs Monate nach dem Start wäre das eine sehr enttäuschende Zahl.
Erlöse positiver erscheinen lassen
Groupon war 2009 und 2010 mit gewaltigen Wachstumsraten zum Hoffnungsträger, zum vermeintlichen Wunderkind der Netz-Branche geworden. In den letzten Monaten aber mehrten sich Zweifel und Kritik. Beispielsweise aufgrund der Tatsache, dass man bei Groupon eine selbst ausgedachte Kennzahl verwendete, um eigene Erlöse zu bewerten. Dabei wurden die Marketing-Ausgaben, die man dringend braucht, um die eigene Kundenbasis zu erweitern, nicht korrekt ausgewiesen. So sahen die Erlöse wesentlich positiver aus, als sie eigentlich waren.
Die Folge war eine Rüge der Börsenaufsicht, Groupon korrigierte seine Selbstdarstellung. Zudem verließen im Jahr 2011 gleich zwei Chief Operating Officers (COO) nacheinander das Unternehmen.
Außerdem gibt es Fundamentalkritik am Geschäftsmodell: In der Branche wird orakelt, kleine und mittlere Betriebe würden bald keine große Lust mehr auf Groupon-artige Deals haben. Aus Schnäppchenjägern - so der Sinn eines jeden Sonderangebotes - sollen Kunden werden. Hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich, dass genau diese Art von Verwandlung mit Groupon oft nicht funktioniert.
Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge hat Googles Groupon-Konkurrent DailyDeal gerade seine Geschäftsbedingungen geändert, um kleinen Unternehmen die Zusammenarbeit zu versüßen. Der Kampf um den lokalen Anzeigenmarkt auf mobilen Geräten hat gerade erst begonnen, und Google ist mit seinem Kartendienst und dem rasant wachsenden Handy-Betriebssystem Android in einer guten Ausgangsposition.
Modell lässt sich leicht kopieren
Ein weiterer Kritikpunkt am Modell Groupon ist, dass es sich sehr leicht kopieren lässt und das Newsletter-Angebot allein den Kunden nicht binden kann. Bei anderen Internetgeschäftsmodellen ist das anders. Facebook zu verlassen und ein anderes Social Network aufzusuchen, ist für den Nutzer mit viel Aufwand verbunden: Er müsste seinen gesamten digitalen Freundeskreis überreden, ihm zu folgen. Der Netzwerkeffekt sperrt den Nutzer gewissermaßen ein. Ein Geschäftsmodell wie Groupon jedoch hat nichts anzubieten, was den Nutzer abhalten könnte, morgen einen anderen, vergleichbaren Dienst in Anspruch zu nehmen - oder mehrere parallel zu nutzen.
Und diese vergleichbaren Dienste gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Den deutschen Groupon-Klon DailyDeal etwa hat sich Google gesichert, für angeblich 100 Millionen Euro. Überall auf der Welt gibt es ähnliche Dienste, etwa Meituan in China. In den USA und Europa geht die Zahl der Schnäppchendienste in die Dutzende, womöglich gibt es bereits Hunderte. Sie heißen BuyWithMe, LivingSocial, Twongo, CrowdSavings, Groop Swoop, Pricebunch ...
Die Zahl ist so groß und das Angebot so unübersichtlich, dass es mittlerweile Schnäppchen-Aggregatoren gibt, die den Output all der Schnäppchen-Sites zusammenfassen, etwa das erwähnte Yipit.com. Auch das Portal meinestadt.de der Holtzbrinck-Verlagsgruppe aggregiert mittlerweile Deals von verschiedenen Anbietern - auch von Groupon.
Einen Vorsprung hat der Platzhirsch derzeit allerdings: Sein gewaltiges Heer von Verkäufern. Um weiter zu expandieren, um auch nur annähernd so schnell weiterwachsen zu können, braucht Groupon aber dringend Geld - und das holt man sich jetzt eben an der Börse. Der Börsengang fällt nun jedoch bescheidener aus als ursprünglich geplant: Anfangs wollte das Unternehmen an der Börse 750 Millionen Dollar erzielen, jetzt werden nur noch 540 Millionen anvisiert. Insgesamt 30 Millionen Aktien will man ausgeben, nur einen sehr kleinen Prozentsatz aller Anteile in den Handel bringen.
Es wird nun damit gerechnet, dass der Preis für eine Groupon-Aktie am Ausgabetag zunächst steigen wird - so war das bei den meisten Tech-Börsengängen der vergangenen Monate. Etwa beim Business-Netzwerk LinkedIn und auch bei der Billig-Content-Fabrik Demand Media - letztere Aktien allerdings fielen anschließend tief und kosten heute deutlich weniger als am Tag des Börsengangs.