Vor Stichwahl um Präsidentenamt Soziale Medien in Brasilien müssen Falschinformationen binnen zwei Stunden löschen

Kannibalismus, Satanismus, Pädophilie: Die Lager von Bolsonaro und Lula werfen sich gegenseitig die übelsten Dinge vor. Das Oberste Wahlgericht will das unterbinden – was die Onlineplattformen beunruhigt.
Luiz Inácio Lula da Silva: Vom politischen Gegner Bolsonaro in die Nähe von Satanismus und Drogen gerückt

Luiz Inácio Lula da Silva: Vom politischen Gegner Bolsonaro in die Nähe von Satanismus und Drogen gerückt

Foto: Buda Mendes / Getty Images

Zehn Tage vor der umkämpften Stichwahl um die Präsidentschaft in Brasilien hat die höchste Wahlbehörde des Landes am Donnerstag neue Regeln verabschiedet, um Desinformation im Wahlkampf einzuschränken. Das Oberste Wahlgericht TSE verpflichtete die Betreiber von Onlineplattformen dazu, als falsch eingeschätzte Inhalte binnen zwei Stunden zu entfernen. Für jede Stunde, die betreffende Inhalte länger als die festgelegten zwei Stunden online bleiben, wurde eine Strafe zwischen 100.000 und 150.000 Real (20.000 bis 29.000 Euro) festgelegt.

Seit Beginn des Wahlkampfs für die Stichwahl habe es »eine starke Ausbreitung von nicht nur falschen Informationen«, sondern auch von Aggressivität und Hassrede in diesen Beiträgen gegeben, begründete TSE-Präsident Alexandre de Moraes den Schritt.

Die Falschinformationen würden eine »Zersetzung der Demokratie« zur Folge haben, warnte de Moraes, der sich am Donnerstag mit Vertretern der Wahlkampfteams von Amtsinhaber Jair Bolsonaro und Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva traf. Tags zuvor hatte er mit Vertretern von Facebook, Instagram, WhatsApp, Google, TikTok, LinkedIn, Telegram und YouTube gesprochen.

Unklar, was nach welchen Kriterien geprüft wird

Das TSE verlangte zudem, dass die beiden Wahlkampfteams eine Reihe von im Internet veröffentlichten Botschaften beseitigen. So sollte Bolsonaros Team Videos entfernen, die Lula in die Nähe von Satanismus, Abtreibungsbefürwortern und Drogen rückten und ihm vorwarfen, im Falle seiner Wahl Kirchen schließen zu wollen. Lulas Lager musste Material löschen, das den rechtsextremen Präsidenten in Verbindung zu Kannibalismus und Pädophilie bringt.

Die Plattformbetreiber äußerten sich der Zeitung »Folha de S. Paulo« zufolge  besorgt über die Regeln. Zum einen sei die Frist von zwei Stunden zu kurz, zum anderen bleibe der Prozess intransparent und damit anfällig für Missbrauch. Den neuen Regeln zufolge müsse das TSE zwar »in einer begründeten Entscheidung« bestimmen, welche Inhalte entfernt werden müssen. Doch es bleibe unklar, welche der von Nutzerinnen und Nutzern beim Gericht eingereichten Inhalte überprüft werden und nach welchen Kriterien. Die Unternehmen befürchten, dass der TSE-Präsident letztlich allein entscheide, was sie löschen müssen.

Die Stichwahl ist für den 30. Oktober angesetzt. Im ersten Wahlgang am 2. Oktober hatte Lula 48 Prozent der Stimmen erreicht, Bolsonaro kam auf 43 Prozent.

pbe/AFP
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