Bürokultur und Bin Laden Hohn, Spott, Häme
Es gibt Büroalltagsszenen, die im Großen und Ganzen seit langer Zeit gleich ablaufen: Da kommen Kollegen tuschelnd zusammen, da werden subversive Dokumente weitergereicht, da bleibt dem einen das Lachen im Hals stecken, während der andere glucksend herausprustet. Früher einmal reichten sie heimlich Zettel weiter, später Kopien, noch später faxten sie. Heute mailt man.
Und ist das ein Fortschritt! Multimedial und hochglänzend geht's zur Sache. Gibt es Studien darüber, wie viel Prozent des täglichen Büro-Mail-Aufkommens aus komprimiertem Käse besteht?
Wenn es sie gab, dann kann man sie getrost in den Müll entsorgen. Denn seit den Terroranschlägen von New York und Washington ist vieles anders. Das Mailaufkommen ist gestiegen und wird weiter steigen (heute forderte der US-Kongress wegen der Anthrax-Briefe dazu auf, auf elektronische Post umzusteigen), und das Müll-Aufkommen hält da locker mit.
Der "Touristguy", die Fotomontage eines angeblichen Touristen auf dem World Trade Center, ist in dieser Hinsicht nur das prominenteste Beispiel. Es gibt andere, weit krassere, über die man so laut nicht redet. Manch einer macht sich Luft mit kruden Scherzen.
Gerade das zeigt, wie politisch dies alles ist: Das Lachen über oft hoffnungslos geschmacklose Scherze, die trotzdem politische Realitäten kommentieren, verdrängt die Angst, die Lähmung. Nährt auch die Wut, den Durchhaltewillen, den Trotz. Kaum 24 Stunden nach dem Kollaps des WTC tauchte erstmals ein Bild vom "neuen WTC" auf, dass dieses mit fünf Türmen zeigte: Der mittlere war deutlich länger als die anderen und ragte weit empor. So etwa wie ein "Effenberg-Finger" - man ahnt, wo der hinzeigen sollte.
Ein anderer schuf ein neues Design für die Barbie-Verpackung. Auch so was gibt es ja angeblich: Die brandneuen Modelle "Barbie Bin Laden" und "Barbie Taliban".
Herkunft? Unbekannt.
Verbreitung? Wahrscheinlich viele Millionen. Gag-Mails, gelungene wie geschmacklose, verbreiten sich minutenschnell rund um den Globus.
Manchmal gewinnen die Dinge dabei eine Eigendynamik. Nach wie vor ist die Identität des "Touristguy" ungeklärt. Nach einem Artikel vom 22. Oktober erreichte SPIEGEL ONLINE zwar eine Flut von Tipps und teils sehr konkreten Hinweisen. Doch nicht einmal wo er herkommt - aus Litauen, Brasilien oder New Jersey - ist bisher bekannt.
Wie der Kult um die "Tourist of Death"-Fotos begann, glaubt hingegen ein E-Mail-Autor namens "elwood" zu wissen: Er outet sich als Urheber der "Touristguy vor brennender Concorde"-Montage und hat eine Geschichte zu erzählen, wie so etwas heute um die Welt geht.
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