BGH-Urteil zu Arztkritik Bewertungsportale müssen Belege liefern

Ärzte-Bewertungsportal Jameda
Im Streit eines Zahnarztes mit dem Ärztebewertungsportal Jameda hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Portalbetreibern heute verstärkte Prüfpflichten auferlegt. Diese dürften aber nicht so weit gehen, dass ein wirtschaftlicher Betrieb der Portale nicht mehr möglich ist (Az.: VI ZR 34/15).
In dem konkreten Fall hatte ein Zahnarzt von Jameda verlangt, eine schlechte Bewertung aus dem Angebot zu nehmen. Ein anonymer Nutzer hatte dem Kläger die Gesamtnote 4,8 gegeben, wobei er die Punkte "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis" jeweils mit der Schulnote 6 bewertet hatte. Der Arzt bestreitet, den Bewertenden behandelt zu haben. Jameda hatte die Bewertung zunächst gelöscht, nach einer Prüfung aber wieder online gestellt.
Der Streit zeigt ein Kernproblem vieler Bewertungsportale: Nutzer können dort anonym und ohne Beweispflicht Ärzte, Restaurants und anderes bewerten. Bei negativen Bewertungen ist es für die Betroffenen oft schwer, diese löschen zu lassen.
Gleichzeitig ist die Anonymität der Nutzer aber ein Kernpunkt für den Erfolg solcher Portale. Nur wer ohne Namensnennung eine Bewertung abgeben kann, tut dies auch gerne und häufig, ohne fürchten zu müssen, etwa künftig im Restaurant abgewiesen zu werden - oder beim Arzt länger im Wartezimmer zu sitzen.
In Streitfällen müssen Belege vorgelegt werden
Die Richter des BGH urteilten nun: "Betreiber eines Bewertungsportals tragen im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich." Die Anonymität der Nutzer wirke dabei verstärkend.
Im konkreten Fall hätten die Portalbetreiber nach der Beschwerde des betroffenen Arztes Kontakt zu dem bewertenden Nutzer aufnehmen und ihn auffordern sollen, eine möglichst genaue Beschreibung der fraglichen Behandlung abzugeben, so der BGH.
Zudem hätte der Nutzer Belege dafür vorbringen müssen, dass er tatsächlich von dem beanstandeten Arzt behandelt worden ist. Dazu hätte jener "Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien" vorlegen können. Anonymisierte Behandlungsunterlagen hätten dann sogar an den Kläger weitergeleitet werden müssen, so das Gericht laut BGH-Pressemitteilung.
Jameda-Chef Florian Weiß dankte dem BGH für die "Konkretisierung des Prüfprozesses von Arztbewertungen" und erklärte in einer Pressemitteilung, man werde diese Hinweise nun unmittelbar in die Ausgestaltung des Prüfprozesses einfließen lassen. Klar sei aber: "Patienten können auch weiterhin anonyme Bewertungen abgeben. Niemand muss befürchten, dass persönliche Informationen ohne eigene Einwilligung weitergegeben werden."
Mögliche Folgen für Bewertungsportale
Die Anwaltskanzlei Terhaag & Partner kommentiert das Urteil auf ihrer Website bereits. Nach Einschätzung der Rechtsanwälte müssen Betreiber von Bewertungsportalen künftig "viel genauer prüfen und Nachweise einholen, dass überhaupt eine Behandlung stattgefunden hat."
Ob dieses Prinzip auch auf andere Arten von Portalen übertragen werden kann, bei denen es nicht um Personen, sondern um Unternehmen oder Produkte geht, ist unklar. Wertet man den Richterspruch als Grundsatzurteil, würde das bedeuten, dass beispielsweise ein Hotelbewertungsprotal künftig nachprüfen müsste, ob ein bewertender Nutzer tatsächlich in dem Hotel übernachtet hat, das er bewertet. Klarheit wird möglicherweise die Urteilsbegründung in Langform bringen, die bislang noch nicht vorliegt.
Mit seiner Entscheidung hat der BGH eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben und den an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Update (01.03.16, 12:59): Wir haben dem Artikel einen Kommentar des Bewertungsportals Jameda hinzugefügt.
Das sollten Sie über den Fall Jameda wissen
Strittig ist bei dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, ob überhaupt und - wenn ja - wie das Bewertungsportal Jameda den Besuch des Patienten bei dem klagenden Arzt beweisen muss (Az.: VI ZR 34/15). Denkbar wäre etwa die Vorlage von Rezepten, Rechnungen oder Nachweisen von Terminvereinbarungen. Jameda hingegen fürchtet um die Anonymität seiner Nutzer: Von solchen Nachweisen, auch wenn sie anonymisiert würden, könne leicht auf die Identität des Nutzers geschlossen werden. Manche Patienten haben auch gar keinen Nachweis - "Kassenpatienten etwa bekommen keine Rechnung", gibt eine Jameda-Sprecherin zu bedenken.
Wer etwa Ärzte bewertet, will meist anonym bleiben. Nur dann stellt er seine Bewertung ins Netz. Je mehr Bewertungen wiederum in einem Portal hinterlegt sind, desto größer der Nutzen - sowohl für die User, als auch für die Betreiber solcher Internetdienste. "Gerade im sensiblen Gesundheitsbereich ist es wichtig, dass Patienten sich sicher sein können, dass ihre Anonymität zu jeder Zeit gewahrt ist", sagt dazu Jameda. Schließlich wolle niemand seinen Namen lesen, wenn er zum Beispiel bei einer Darmspiegelung war.
Das nun auch wieder nicht. Wenn jemand auf einer Plattform Falschbehauptungen aufstellt, kann der Betroffene diese beim Portalbetreiber melden. Der umstrittene Eintrag muss dann geprüft und - gegebenenfalls immer wieder - zeitnah gelöscht werden. Ergibt die Überprüfung keinen Verstoß gegen geltende Gesetze, darf der Beitrag aber wieder online gehen. Man kann den anonymen Kommentator jedoch auch anzeigen - etwa wegen Beleidigung. Sobald dann ein entsprechender richterlicher Beschluss vorliegt, muss der Betreiber die Daten des anonymen Bewerters herausrücken.
Am wichtigsten ist ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2014. Danach müssen Internetdienste die Daten anonymer Nutzer nur in ganz bestimmten Fällen herausgeben - nämlich nur dann, wenn Behörden ermitteln oder Urheberrechte durchgesetzt werden sollen. Es reicht nicht, wenn sich etwa ein bewerteter Arzt oder Handwerker in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt und deswegen Namen und Anschrift des Bewerters möchte.
Nein, auch dazu hat der BGH im September 2014 bereits gesprochen und es einem Gynäkologen nicht erlaubt, seine Daten aus dem Gesundheitsportal Jameda löschen zu lassen. Das öffentliche Interesse sei höher zu bewerten als das Recht des Arztes auf informelle Selbstbestimmung.