CCC-Aktion Hacker-Club veröffentlicht Schäubles Fingerabdruck

Der Chaos Computer Club und Wolfgang Schäuble sind natürliche Gegner. In ihrem Magazin publizieren die Hacker jetzt einen Fingerabdruck des Bundesinnenministers - mitsamt einer Folie, die als Attrappe ausreichen soll, um Fingerabdruck-Scanner zu täuschen.

Die "Datenschleuder" ist eine auf den ersten Blick recht unscheinbare kleine Zeitschrift mit internen Vereinsinfos, mit Beiträgen aus dem politischen Grundsatzreferat und allerlei Technikinfos, die unkundige Leser schnell überfordern. "Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende", so der Untertitel, erscheint eher unregelmäßig. Die aktuelle Ausgabe aber hat es in sich. Der Chaos Computer Club (CCC) protestiert seit Jahren gegen die Erfassung biometrischer Daten und ihre Aufnahme in Personaldokumente. Die Beigabe zur neuen "Datenschleuder", die gerade an die Mitglieder geht: ein Bild des Fingerabdrucks von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Und dazu auch noch eine Folie mit Schäubles Abdruck.

Mit etwas Geschick könne man diesen Abdruck durchaus auf die eigene Fingerkuppe bringen, erklärte CCC-Sprecher Frank Rosengart SPIEGEL ONLINE: "Man legt die Plastikfolie auf den Tisch, streicht etwas Holzleim darüber und wartet, bis der Leim antrocknet. Die entstehende gummiartige Schicht ist dann die Attrappe, die man mit einem hautfreundlichen Spezialkleber auf den eigenen Finger klebt." Das sei "keine Geheimwissenschaft, sondern in wenigen Minuten machbar - und schon hat man eine zweite Identität, zum Beispiel die von Herrn Schäuble".

Damit könne man Fingerabdruck-Scanner täuschen, behauptet der CCC und hat gleich einige Empfehlungen für mögliche Einsätze parat: "Erkennungsdienstliche Behandlungen, die Einreise in die USA, die Zwischenlandung in Heathrow, aber auch im örtlichen Supermarkt und - prophylaktisch - beim Berühren möglichst vieler Glasflächen", zählt Clubsprecher Dirk Engling auf. Mit dem Fingerabdruck als Identifizierung könne man in den ersten deutschen Läden bereits einkaufen, ergänzt sein Kollege Frank Rosengart, von Beruf Softwareentwickler und seit 15 Jahren im CCC. Und auch Grenzkontrollen lassen sich mit dem angeklebten Fingerabdruck überwinden - jedenfalls bei einer gewissen Passfoto-Ähnlichkeit mit einer anderen Person.

"Yps" mit Gimmick, "Datenschleuder" mit Folie

Schäubles Fingerabdruck ist echt. Das beteuert jedenfalls der Club: "Nach einer Podiumsdiskussion mit dem Innenminister hat einer unserer Sympathisanten mit spitzen Fingern Schäubles Wasserglas von der Bühne genommen und uns übergeben", erzählt Rosengart. Daraufhin sei vom Abdruck von Schäubles rechtem Zeigefinger eine Attrappe produziert worden: "Datenschleuder" mit Gimmick sozusagen. Die Club-Zeitschrift hat eine Auflage von rund 4000 Exemplaren und auf ihrer letzten Seite diesmal ein "biometrisches Sammelalbum - ganz wie früher bei den Fußballer-Sammelalben", so Rosengart.

Schäubles Fingerabdruck ist der erste Eintrag. Aber dabei will der CCC es nicht belassen, sondern auch die Fingerabdrücke anderer Politiker erfassen, darunter die von Schäubles Vorgänger Otto Schily, Kanzlerin Angela Merkel, Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein sowie Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts.

Das muss keine leere Drohung bleiben - immerhin enthält die "Datenschleuder" auch gleich eine kleine Anleitung, wie der Leser Fingerabdrücke fachgerecht sichern und der Redaktion senden kann. Eine Videoanleitung gibt es zudem auf der CCC-Homepage.

Ein reiner Jux ist die Aktion keineswegs, im Gegenteil: Seit vielen Jahren kämpft der Club gegen die Datensammelwut des Staates und gegen die Erfassung biometrischer Merkmale. Wer etwa einen neuen Reisepass beantragt, muss bereits seit November vergangenen Jahres seine Fingerabdrücke abgeben; so wird es demnächst wohl auch beim Personalausweis kommen.

Wird Schäuble sich wehren?

"Mit dem Schäuble-Fingerabdruck wollen wir eine Debatte über ständige Eingriffe in die Privatsphäre anstoßen", begründet Rosengart die Aktion. Rechtlich ist das durchaus heikel. Der Club hatte zwar vorab juristischen Rat gesucht und sieht keine Handhabe gegen die Veröffentlichung, aber Ulrich Wehner von der Berliner Anwaltskanzlei Buchheim und Partner schätzt das anders ein: "Beim Einsammeln der Fingerabdrücke und deren Verwendung bis hin zur Herstellung einer Fingerabdruckattrappe besteht die Gefahr, eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat zu begehen", sagte er dem Internetdienst Heise online. Wehner attestierte dem CCC aber einen eindrucksvollen Beitrag zum Dauerstreitthema innere Sicherheit: "Wenn Bürger und Journalisten das tun, was staatlicherseits millionenfach und zunehmend durch Erhebung und Verwendung biometrischer Daten geschieht, steht unter Umständen der Staatsanwalt vor der Tür."

Sollte es tatsächlich zu einer Strafanzeige kommen, wäre der Verein gar nicht böse: "Wir haben ja eine gewisse Erfahrung mit solchen juristischen Auseinandersetzungen", sagt Frank Rosengart gelassen, "und der Staat greift schließlich ständig in die Persönlichkeitsrechte seiner Bürger ein." Aus seiner Sicht würde ein Eingreifen Schäubles die vom CCC gewünschte Debatte nur befeuern. Zudem könne niemand die "Datenschleuder" mehr einkassieren, "die Hefte sind längst gedruckt und werden unsere Mitglieder in den nächsten Tagen per Post erreichen", erklärt Rosengart.

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