"Charlie-Hebdo"-Anschlag Facebook und YouTube zeigen Video vom Tod des Polizisten ungekürzt

Screenshot aus dem Amateurvideo: Viele Medien zeigten nur Ausschnitte des Clips
Foto: REUTERS TV / REUTERSEin Augenzeuge hat nach dem Anschlag auf die Redaktion des Magazins "Charlie Hebdo" gefilmt, wie einer der Angreifer aus nächster Nähe einen wehrlosen Polizisten erschießt. Am Freitag haben dem Mann Tausende unter dem Hashtag #jesuisahmed ihre Solidarität bekundet. Aufgrund der drastischen Gewaltdarstellung haben sich viele Medien dazu entschlossen, das Video gekürzt oder verpixelt zu zeigen. In den sozialen Netzwerken dagegen findet sich der Clip in voller Länge - inklusive der Schussszene.
Bei Facebook kursiert der Clip auch zwei Tage nach dem Anschlag. Wer das Video aus dem sozialen Netzwerk verbannen möchte, hat keine Chance. Mehrere Nutzer melden SPIEGEL ONLINE, dass sie vergeblich versucht haben, den Clip bei Facebook entfernen zu lassen. Die Aufforderungen an die Facebook-Mitarbeiter, das Video zu löschen, seien jedoch gescheitert. Wer im Auswahlmenü der "Video melden"-Funktion angibt, der Clip enthalte "Gewalt oder verletzendes Verhalten", kommt damit nicht durch.
Das Facebook-Prüfteam sieht das Video augenscheinlich nicht als Problem. In einer Nachricht an die Nutzer, die sich beschwert haben, heißt es: "Das Video wurde nicht entfernt." In der Begründung steht: "Wir haben das von dir wegen Darstellung drastischer Gewalt gemeldete Video geprüft und festgestellt, dass es nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt." Stattdessen solle man sich direkt an die Seite wenden, die das Video bei Facebook hochgeladen hat.
Keine Äußerung zum konkreten Video
In den erwähnten Gemeinschaftsstandards macht Facebook klar, dass es vor allem auf die Motive der Nutzer ankomme, wenn sie ein Video hochladen. Als "verstörend" empfundene Inhalte würden nicht gelöscht, wenn sie das Ziel haben, etwa Gewalt zu verurteilen, sagt ein Facebook-Sprecher gegenüber SPIEGEL ONLINE. "Wenn solche Inhalte aus sadistischem Vergnügen oder zum Zwecke der Gewaltverherrlichung geteilt werden, dann löscht Facebook sie."
Zum konkreten Video aus Paris will sich Facebook nicht äußern. Es heißt nur: "Ein Team in Dublin entscheidet über jedes gemeldete Video im Einzelfall." Es gebe keine Vorgaben zu einem bestimmten Clip, es komme immer auf den Zusammenhang an, in dem das Video bei Facebook geteilt werde. Beiträge, die gewaltverherrlichend, sadistisch oder rassistisch seien, würden sofort gelöscht.
Warnhinweis kennzeichnet das Video bei YouTube
Google dagegen hat für das Video aus Paris klare Regeln aufgestellt: Wenn der Clip ohne nachrichtlichen Kontext bei YouTube auftaucht, wird er gelöscht. Sobald die Bilder aber mit einem Sprecher oder einem Text nachrichtlich aufgearbeitet werden, darf das Video in voller Länge bei YouTube gezeigt werden. Laut einem Google-Sprecher wird der Clip dann mit einem Warnhinweis gekennzeichnet. Außerdem müssen die Nutzer nachweisen, dass sie älter sind als 18 Jahre.
Für Google ist das Video ein Grenzfall. Schließlich heißt es in den Richtlinien, dass es nicht in Ordnung sei, "gewalttätige oder blutige Inhalte zu posten, die in erster Linie schockieren, Aufsehen erregen oder respektlos" sind. Warum Google das gewalttätige Video in bestimmten Fällen trotzdem zeigt, erklärt das Unternehmen mit folgendem Zusatz: "Wenn ein Video übermäßig anschaulich oder aufwühlend ist, sollte es durch zusätzlichen Kontext und weitere Informationen entschärft werden."
Auch in den Nachrichtenredaktionen hatte das Video für Diskussionen gesorgt. Die meisten Portale haben sich letztlich dafür entschieden, das Video nicht zu zeigen oder zumindest entschärft zu zeigen. Auch SPIEGEL ONLINE hatte sich dagegen entschieden, die Tötungsszene aus dem Video zu zeigen.