Chinas "Grüner Damm" Politpanne mit Porno-Blocker

Jugendschutz sollte es sein, ein politisches Fiasko wurde es: Chinas Regierung plante einen Porno-Blocker für alle Computer des Landes, der gleich noch unliebsame Seiten aus dem Netz tilgen sollte. Dann regte sich Widerstand - der bemerkenswert erfolgreich war.

"Grüner Damm" heißt der neueste Versuch der chinesischen Führung, das Internet zu zensieren - und im Gegensatz zu früheren Aktionen mündet er in ein politisches Fiasko.

Eine neue Vorschrift des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie verpflichtet Computerhändler, ab Juli nur noch Rechner mit der Filtersoftware zu verkaufen, die den malerisch klingenden Namen trägt. Das Programm soll über bestehende Netz-Blockaden hinaus Pornografie und andere "schädliche Inhalte" im Internet sperren - und hat damit eine heftige Debatte über Zensur und Eingriffe in das Privatleben der Bürger ausgelöst.

Internet-Café in Peking: Protest gegen neue Zensuraktion

Internet-Café in Peking: Protest gegen neue Zensuraktion

Foto: AP

Sogar amtlich kontrollierte Medien kritisierten die Regierung. Die populäre chinesische Jugendzeitung "Organ des Kommunistischen Jugendverbandes" zweifelte am Recht der Kontrolleure, so stark in das "private Leben der Gesellschaft " einzugreifen. Die einflussreiche Finanzzeitschrift "Caijing" nutzte auf ihrer Web-Seite die Gelegenheit, mehr Meinungsfreiheit zu verlangen: "Freie Rede und transparente Informationen sind die wichtigsten Elemente sozialer Gerechtigkeit. Deshalb sollten wir mit Internet-Regeln vorsichtiger umgehen."

Die Regierung muss sich außerdem die Frage gefallen lassen, ob bei der Auftragsvergabe alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Firma, die den Filter entwickelt hat, ist die Jinhui Computer System Engineering aus der Provinz Henan. Sie arbeitet offenbar seit Jahren mit Polizei und Militär zusammen.

Nicht nur Pornos werden blockiert

Der "Grüne Damm" soll Bilder, Texte und Web-Adressen identifizieren können. Erkenntnissen von Software-Entwicklern zufolge durchleuchtet sie dabei unter anderem auch E-Mail-Programme - weshalb sich viele Chinesen nun über den Drang der Partei empören, nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene "zu begleiten". Sie empfinden dies als Bevormundung. Kritiker befürchten vor allem, die Behörden könnten Informationen über angeklickte politisch kritische Web-Seiten sammeln. Chinesische Fachleute, die den Filter ausprobiert haben, fanden jedenfalls heraus, dass er nicht nur Porno-Web-Seiten blockiert, sondern auch Begriffe wie "Homosexualität" sperrt - was die Arbeit von Aids-Gruppen nahezu unmöglich macht.

Auch Web-Seiten mit Formulierungen der in China verbotenen Falun-Gong-Sekte wehrt der "Grüne Damm" ab. Selbst harmlose Begriffe aus buddhistischer Literatur können nicht aufgerufen werden. Der "4.6.", Datum des Tiananmen-Massakers vor 20 Jahren, wird ebenso herausgefiltert wie die Formulierung "Auf nach Peking" - offenkundig, um Bittsteller und Beschwerdeführer davon abzuhalten, Reisen in die Hauptstadt zu organisieren.

Gleichwohl haben die Programmierer viele Fehler gemacht. So funktioniert ihre Software nicht mit dem Browser Firefox, und auch bei der Farbanalyse hapert es. So blockierte der "Grüne Damm" zum Beispiel Web-Seiten mit Fotos von Schweinen und Babys. Dafür dürfen chinesische Internet-Surfer weiter nackte schwarze Schönheiten bewundern.

"Unsere Jugend beschützen"

Schon zu Jahresbeginn hatte Chinas Internet-Polizei bei einer "Anti-Porno-Kampagne" 1250 Web-Seiten mit "vulgärem Inhalt" geschlossen. 40 Personen wurden festgenommen, weil sie Pornos im Internet verbreitet hätten, heißt es.

Bürgerrechtler haben die Behörden inzwischen aufgefordert offenzulegen, auf welcher gesetzlichen Grundlage der neue Filterzwang eigentlich beruht. Auf einer "Anti-Grüner-Damm-Web-Seite" sammeln sich Gegner. Knapp 6000 Menschen haben eine Internet-Petition unterschrieben, bevor die entsprechende Web-Seite gesperrt wurde.

Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie scheint inzwischen erkannt zu haben, was für ein Desaster es angerichtet hat. Es sei keineswegs Pflicht für die Hersteller, das Programm zu installieren, ließ es verlautbaren. Es könne auch auf CD mitgeliefert werden. Jeder Computerbenutzer dürfe dann selbst entscheiden, ob er die Software anwendet. "Sie hat nur einen Zweck: Unsere Jugend zu beschützen."

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