Clean Reader Autoren wehren sich gegen Schimpfwortfilter

Die App Clean Reader: Mittlerweile bekommt sie nichts mehr zum "Reinigen"
"Lesen Sie Bücher, keine Schimpfwörter" - das ist die Aufforderung des E-Book-Leseprogramms Clean Reader. "Sauber, noch sauberer, blitzsauber" - mit diesen Einstellmöglichkeiten kann der empfindliche Leser seine Literatur mehr oder weniger gründlich von Schimpfwörtern, Fäkalsprache und sexuellen Begriffen befreien lassen.
Das im Februar veröffentlichte Programm für iOS und Android-Mobilgeräte bietet an, Literatur automatisch um anstößige Wörter zu bereinigen - das soll mit jedem Buch funktionieren, in der ersten Version jedoch nur in englischer Sprache.
Diese Idee fanden wiederum viele englischsprachige Autoren so anstößig, das eine rege Debatte um diese automatische Zensur entstand. Mit einer für den App-Anbieter heftigen Konsequenz: Die Liste der innerhalb der App angebotenen Titel ist neuerdings leer. Der E-Book-Verlag Inktera hat sich aus der Partnerschaft zurückgezogen.
Mit "Why I'm Saying Fuck you to Clean Reader" und zwei weiteren Blogbeiträgen regte sich die britische Schriftstellerin Joanne Harris wortreich über die App auf. In einem Tweet vom 25. März brachte Harris ihre Argumentation auf den Punkt: "Hassen Sie das Buch. Ignorieren Sie das Buch. Verbrennen Sie es. Zerreißen Sie es. Aber versuchen Sie nicht, es neu zu schreiben."
"Brüste" werden ersetzt, der "Orgasmus" darf bleiben
Prominente Autoren wie Margaret Atwood und Cory Doctorow schlossen sich an. In einem Gastartikel im "Guardian" schrieb Doctorow: "Autoren haben etwas gegen Clean Reader, weil die Leute, die diese App gemacht haben, eine dumme Vorstellung von Romanen haben. Ihr stumpfes 'Suchen und Ersetzen' wird der Literatur zweifellos Gewalt antun. Leser, die die App nutzen, treffen eine schlechte Wahl. Aber das können sie selbst entscheiden."
Wie von einem Algorithmus nicht anders zu erwarten, reicht die Reinigungskraft des Clean Reader aber ohnehin nicht in jede Ecke: Während das Programm "Boobs" (Brüste) recht konsequent aus Texten herausrezensierte, blieb zum Beispiel "rape" (Vergewaltigung) in den Texten drin. Jennifer Porter vom Blog Romance Novel News machte sich die Mühe, einige vom Clean Reader ersetzte Begriffe zu analysieren und aufzulisten. Aus "bitch" (Miststück) wird "witch" (Hexe), aus "sex" macht das Programm "love", der "blowjob" wird zu "pleasure".
Manche Begriffe findet die App überraschenderweise aber nicht anstößig. Porter listet verwundert auf: "orgasm, goddamnit, horniness, semen, suck, condom, manhood, clit, nipple, Good Lord, God, erotic, half-assed, naked, sensual and sexual." Clean Reader setzt hier auf den Reinlichkeitssinn der lesenden Crowd: Wer böse Begriffe entdeckt, die die Software übersehen hat, kann sie über ein Kontaktformular melden .