Covid-19 Ärzte fordern mehr Einsatz der Tech-Konzerne gegen Falschmeldungen

"Aufhören, Lügen und Verdrehungen, die uns alle bedrohen, weiter anzufachen": Virologe Christian Drosten ist einer der Erstunterzeichner des offenen Briefs
Foto: Michael Kappeler/ dpaIn den sozialen Netzwerken kursieren seit Wochen Videos und Posts mit falschen oder irreführenden Informationen zur Coronakrise. Das Virus sei nicht gefährlicher als eine Grippe, hieß es da mitunter, oder Bleichmittel zu trinken helfe gegen Covid-19. Es sind Falschinformationen, die von Faktencheckern längst widerlegt wurden und die doch immer wieder von Nutzern auf Facebook, YouTube, Instagram oder TikTok verbreitet werden.
In einem offenen Brief an die Techkonzerne warnen nun zahlreiche führende Ärzte und Virologen, wie gefährlich solche Beiträge sein können. Fehlinformationen hätten dafür gesorgt, dass viele Menschen trotz lebensgefährlicher Symptome nicht ins Krankenhaus gekommen seien, sagte Rajeev Fernando vom New Yorker Stony Brook Southampton Hospital. "Für einige Menschen war es dann zu spät."
100 Ärzte, Krankenpfleger und Gesundheitsexperten sind an dem Brief beteiligt, aus Deutschland etwa zählen Melanie Brinkmann von der TU Braunschweig und Christian Drosten von der Charité zu den Erstunterzeichnern. Zusätzlich zur Covid-19-Pandemie gebe es nun auch noch eine weltweite "Infodemie", heißt es in dem Schreiben, das das Kampagnen-Netzwerk Avaaz am Donnerstagmittag auf Deutsch öffentlich machte .
Eine zentrale Forderung an die Tech-Konzerne ist, dass Onlineplattformen Richtigstellungen veröffentlichen sollen. "Das bedeutet, dass jede einzelne Person, die auf ihren Plattformen mit Gesundheitsfehlinformationen in Berührung gekommen ist, gewarnt und benachrichtigt wird, und dass eine gut konzipierte und unabhängig überprüfte Korrektur angezeigt wird", heißt es dazu im Brief.
Die zweite Forderung lautet, dass die Onlineplattformen ihre Empfehlungsalgorithmen anpassen sollten, um die Verbreitung falscher Informationen einzudämmen. Seiten, die wiederholt gefährliche Lügen verbreitet haben, sollten weniger häufig in den Feeds der Nutzer angezeigt werden, so die Verfasser: "Die Algorithmen konzentrieren sich derzeit mehr darauf, die Benutzer online zu halten, als ihre Gesundheit zu schützen."
Haben Sie mitbekommen, wie Freunde oder Verwandte durch Beiträge im Netz zu überzeugten Anhängern von Verschwörungserzählungen wurden? Werden solche Erlebnisse in der Coronakrise häufiger? Und haben Sie persönlich schon Dinge aus dem Netz geglaubt, die sich mittlerweile als falsch herausgestellt haben? Der SPIEGEL ist daran interessiert, besser zu verstehen, welche konkreten Folgen irreführende Online-Informationen im Alltag haben. Wenn Sie uns vertraulich davon berichten wollen, melden Sie sich gern über netzwelt.leserpost@spiegel.de
Facebook benachrichtigt Nutzer bei Falschmeldungen
Das Kampagnen-Netzwerk Avaaz war im April bei einer Analyse von Facebook-Beiträgen zu dem Schluss gekommen, dass trotz Maßnahmen des Onlinenetzwerks viele falsche Informationen ohne Warnhinweis auf der Plattform stehen geblieben seien.
Facebook hat inzwischen angekündigt, Nutzer benachrichtigen zu wollen, wenn sie in dem Onlinenetzwerk mit gefährlichen Falschinformationen rund um das Coronavirus interagiert haben. Dabei geht es um Beiträge, die entfernt wurden, weil sie Schaden anrichten könnten. Facebook zufolge wird den Nutzern allerdings nicht angezeigt, welche falschen Informationen genau den Hinweis ausgelöst haben.
Auch YouTube und Twitter geben Nutzern Hinweise auf die Seiten von Behörden und Faktencheckern. Allerdings werden nur selten konkrete Richtigstellungen neben Falschmeldungen angezeigt.