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Web-Horror: Sieben typische Creepypasta-Geschichten

Foto: Peter Schmidt/ creepythread

Gruselgeschichten im Netz Horror per Copy-and-paste

Verfluchte Videospiele, rätselhafte Selbstmorde: Unter dem Stichwort "Creepypasta" geistern seit Jahren Tausende Gruselgeschichten durch Internetforen. Zwei amerikanische Künstler haben dem Web-Horror nun einen Bildband gewidmet.

Irgendwo in Florida soll es eine einsame Straße geben, auf der man strandet, wenn man sich verfährt. Hier gibt es weder Handy- noch Radioempfang. An einer Kreuzung taucht dort manchmal ein komplett vermummter Mann auf, lediglich seine grünen Augen sind sichtbar. Und nur, wer sich genau an seine Anweisungen hält, kehrt lebend in die Zivilisation zurück.

Geschichten wie diese geistern immer wieder durchs Web, sie werden in Foren weitererzählt und verbreitet. Die kleinen Gruselgeschichten sind ein Internetphänomen namens Creepypasta - eine Kombination des englischen "creepy" (gruselig) und "copy and paste". Abseits des Mainstreams hat sich eine spezielle Horror-Spielart entwickelt - sie ist im Netz entstanden und auch nur selten darüber hinausgekommen.

Doch online, auf Plattformen wie Reddit  oder in speziellen Foren, ist Creepypasta sehr präsent. Immer wieder werden ältere Geschichten kopiert oder variiert, weitergesponnen oder gar in Videoform umgesetzt. Viele englischsprachige Creepypasta-Klassiker wurden ins Deutsche übersetzt, etwa im "Creepypasta Wiki ".

Selbstmord wegen eines "Pokémon"-Spiels

Anders als bei Urban Legends, modernen Mythen, ist bei Creepypasta-Geschichten meistens klar, dass sie fiktiv sind. Selten geht es um die Erlebnisse des Bekannten eines Bekannten, wie bei der Urban Legend vom Hund, der im Saturn-Geschäft stirbt . Stattdessen geht es um ein bewusstes Gruselerlebnis, um Leben und Tod.

Überraschend viele Texte drehen sich um verfluchte Technik: um nie ausgestrahlte Serienepisoden etwa oder gehackte Videospiele. In der Geschichte "Lavender Town Syndrome" beispielsweise geht es darum, dass sich in Japan 1996 zahlreiche Kinder umgebracht haben sollen, nachdem sie mit einem Musikstück aus dem ersten "Pokémon"-Spiel konfrontiert wurden .

"Creepypasta-Geschichten sind oft schlecht geschrieben und erinnern an Kettenbriefe, die früher unter Jugendlichen herumgingen", sagt Jensine Eckwall, eine amerikanische Illustratorin, "das lässt sie kitschig, aber auch authentisch wirken." Eckwall hat die Creepypasta-Szene gerade mit einem Buch gewürdigt, mit ihrem Künstler-Kollegen Peter Schmidt hat sie "/creepythread " veröffentlicht.

Für diesen Bildband haben 31 Zeichner populäre Creepypasta-Geschichten illustriert, sieben Motive davon zeigt unsere Fotostrecke. Thematisch reicht die Bandbreite dabei vom verfluchten Sonic-Spiel  bis zur Videoaufnahme von einem kleinen Jungen, der eigentlich von hinten aufgenommen wurde, sich aber langsam umdreht, wenn jemand das Band anschaut.

Folklore des 21. Jahrhunderts

Wie groß die Creepypasta-Szene ist, lässt sich schwer abschätzen. "Creepypasta-Geschichten gehören zum alten Internet", sagen die "/creepythread"-Macher, sie seien schwierig zu finden: "Natürlich stößt man bei einer Google-Suche nach 'Creepypasta' auf Archiv- und Best-of-Seiten, aber wenn man einmal alles über Slender Man  und Smile.jpg  gelesen hat, ist es nicht leicht, Anlaufstellen zu finden."

Mittlerweile widmen sich auch andere Künstler und Journalisten dem Web-Horror. Im Dezember etwa erschien im Kulturmagazin "Aeon Magazine" ein vielbeachteter Artikel zum Thema . Autor Will Wiles kam darin zu dem Schluss, dass die Creepypasta-Themen einen Einblick in die Ängste unserer Zeit liefern.

Viele der Texte spielen geschickt mit dem Medium Internet. "Ted the Caver " etwa, einer der bekanntesten Texte, zieht seine Faszination auch daraus, dass die Geschichte in Form von Blog-Einträgen erzählt wird. Und die Geschichte "Candle Cove " funktioniert in Foren, weil sie selbst im Stil einer Forendiskussion geschrieben wurde.

Eine Autorin des Blogs "io9" vertritt die These, Creepypasta sei eine Art Folklore des 21. Jahrhunderts. Die vorschriftliche, vorindustrielle Welt, "die Blütezeit der Folklore", sei in der Historie verschwunden, schreibt Annalee Newitz : "Aber im Internet haben die Creepypasta-Geschichten einige ihrer beständigsten Tropen wiedererfunden. Irgendwie ergeben Volksmärchen in unserer postindustriellen Welt wieder Sinn."

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