Anwalt des mutmaßlichen Cyber-Bankräubers "Er ist sehr clever"

Er soll der Drahtzieher eines internationalen Cyber-Bankraubs gewesen sein: Der Hacker Ercan Findikoglu sitzt in Frankfurt in Auslieferungshaft. Im Interview sagt sein Anwalt, warum sich der Türke vor einem Prozess in den USA fürchtet.
Mutmaßlicher Cyber-Bankräuber Findikoglu: Im Netz nannte er sich "Predator"

Mutmaßlicher Cyber-Bankräuber Findikoglu: Im Netz nannte er sich "Predator"

Foto: SPIEGEL ONLINE

Die Liste seiner mutmaßlichen Verbrechen ist lang: Verschwörung zum Zugriff auf Computer, Bankbetrug, Geldwäsche, Behinderung der Justiz - um nur einige der insgesamt 18 Vorwürfe zu nennen, die US-amerikanische Behörden dem Hacker Ercan Findikoglu, 32, machen.

Nach Informationen des SPIEGEL gilt der Türke dem ermittelnden Secret Service als Drahtzieher eines globalen Cyber-Bankraubs von gewaltigem Ausmaß. Im Februar 2013 erbeutete eine Bande von Kriminellen mit einer manipulierten Kreditkarte knapp 40 Millionen Dollar, zuvor hatten sie sich in das System eines Bankdienstleisters gehackt und Daten gestohlen. (Die ganze Geschichte lesen Sie hier im aktuellen SPIEGEL.)

Seit seiner Festnahme vor einigen Monaten sitzt der Familienvater - bislang unbemerkt von der Öffentlichkeit - in Frankfurt am Main in Haft. Sowohl die USA als auch die Türkei fordern seine Auslieferung. Findikoglus Anwalt Oliver Wallasch will eine Überstellung in die Vereinigten Staaten jedoch unbedingt verhindern.

Der Jurist hat in der Sache bereits das Bundesverfassungsgericht angerufen und will notfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE verrät Wallasch, weshalb sein Mandant in die Heimat will.

Zur Person
Foto: Frank Rumpenhorst/ picture alliance / dpa

Oliver Wallasch, 45, ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und etablierter Strafverteidiger. Unter anderem vertritt er im Prozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" vor dem Oberlandesgericht München derzeit die Nebenklage.Kanzlei Wallasch & Koch 

SPIEGEL ONLINE: Ihr Mandant Ercan Findikoglu soll einen globalen Bankraub organisiert haben. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Wallasch: Gar nichts. Ich vertrete ihn in einem Auslieferungsverfahren. Es geht um die Frage, ob er in die USA oder in die Türkei gebracht wird. Mit dem Tatverdacht gegen ihn befasst sich das Gericht nicht - und ich daher auch nicht.

SPIEGEL ONLINE: Die Ermittlungsbehörden zeichnen das Bild eines Computergenies, eines hochbegabten Hackers, der sich im Netz unter anderem "Predator" nannte. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?

Wallasch: Mein Mandant ist in der Türkei wegen Hackings schon einmal zu 22 Jahren Haft verurteilt worden, allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Deutlich wird im Gespräch mit ihm, dass er überaus clever ist. Da er aber keinen Computer in seiner Zelle hat, vermag ich nicht zu beurteilen, ob er über besondere Fähigkeiten im Umgang mit solchen Geräten verfügt.

SPIEGEL ONLINE: Wie zeigt sich seine Cleverness?

Wallasch: Er spricht beispielsweise fließend Englisch. Außerdem versteht er selbst juristische Detailfragen des Auslieferungsverfahrens beeindruckend schnell. Das ist nicht selbstverständlich.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Mandant soll in die USA abgeschoben werden, hat das Oberlandesgericht Frankfurt befunden. Sind Sie damit einverstanden?

Wallasch: Nein, ganz und gar nicht. Wir haben einen Eilantrag zum Bundesverfassungsgericht gestellt, um das zu verhindern.

SPIEGEL ONLINE: Warum?

Wallasch: Eine Maximalstrafe von fast 250 Jahren, die meinem Mandanten in den USA droht, ist unverhältnismäßig und verstößt gegen die Menschenrechtskonvention. Hinzu kommt, dass es einen Teil der Delikte, die ihm vorgeworfen werden, in Deutschland gar nicht gibt. Hier wird der Grundsatz der doppelten Strafbarkeit verletzt.

SPIEGEL ONLINE: Gab es bereits vergleichbare Fälle?

Wallasch: Das Bundesverfassungsgericht ist in Auslieferungsverfahren, insbesondere mit den USA, sehr zurückhaltend. Es gibt eine Entscheidung, die sich mit dem Thema befasst. Darin fordert Karlsruhe, bei künftigen Fällen die Verhältnismäßigkeit der in Amerika zu erwartenden Strafe zu überprüfen. Das ist hier durchaus angebracht.

SPIEGEL ONLINE: Was wollen Sie für Ihren Mandanten erreichen?

Wallasch: Ich will, dass die Unzulässigkeit der Auslieferung an die USA festgestellt wird. Zugleich ist mein Mandant bereit, sich in die Türkei überstellen zu lassen, wo es ebenfalls ein Verfahren gegen ihn geben soll. Sollte das Bundesverfassungsgericht eine Auslieferung nach Amerika für zulässig halten, werde ich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen.

SPIEGEL ONLINE: Wie ist die Polizei ihm überhaupt auf die Schliche gekommen?

Wallasch: Es hat eine intensive Zusammenarbeit zwischen den US-Behörden und dem Bundeskriminalamt gegeben. Dabei wurde wohl auch der E-Mail-Kontakt meines Mandanten überwacht. Nachdem er sich in das W-Lan-Netz eines Frankfurter Hotels eingewählt hatte, wurde er ziemlich zügig festgenommen.

SPIEGEL ONLINE: Weshalb war Ihr Mandant in Deutschland?

Wallasch: Das weiß ich nicht genau. Er hat aber offenbar auch einen Freund besucht.

SPIEGEL ONLINE: Hat Ercan Findikoglu Angst, in die USA ausgeliefert zu werden?

Wallasch: Mein Mandant fürchtet, in den USA keinen fairen Prozess zu bekommen, weil Geheimdienstinformationen und anonyme Zeugen gegen ihn verwendet werden sollen. Ja, er hat durchaus Angst, in die USA gehen zu müssen.

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