Datenträgerspürhunde der Polizei Hol das Stickchen!

Der Schäferhund Herr Rossi sucht in Nordrhein-Westfalen nach versteckten Datenträgern
Foto: Marcel Kusch/ DPADigitale Beweise fallen heute bei fast jedem Verbrechen an. Speziell ausgebildete Hunde helfen Ermittlern inzwischen dabei, Geräte wie Handys, Tablets, USB-Sticks, Festplatten und andere Datenträger aufzuspüren, auf denen möglicherweise Beweismittel verborgen sind - und der Bedarf an Einsätzen der Tiere steigt.
Immer mehr Daten werden auf zunehmend kleineren Datenträgern gespeichert. "Visuell schwer erfassbare Verstecke wie Teppichleisten oder Fußböden werden von Ermittlern nicht oder nur im geringen Maß in Betracht gezogen", schreibt die Hundeführerin und Potsdamer Polizeikommissarin Lydia Marquardt in der Zeitschrift der Polizeigewerkschaft . Auch in zugestellten, unordentlichen oder sehr großen Räumlichkeiten könnten die Hunde helfen - oder wenn ein Verdächtiger sich der Beweismittel in unwegsamem Gelände entledigt hat, selbst in der Dunkelheit.
In Deutschland unterstützen mehrere Tausend Diensthunde die Polizei bei der Arbeit und identifizieren Drogen, Sprengstoff, Geld oder Menschen. Aber nur etwas mehr als eine Handvoll Hunde ist hierzulande bisher auf die Suche nach digitalen Beweismitteln spezialisiert. "Grundsätzlich fehlt das Wissen darüber - womöglich aus Unkenntnis -, dass solch eine Umsetzung überhaupt möglich ist, vielleicht auch noch die richtige Begeisterung für den in anderen Ländern bereits erfolgreichen Einsatz von Datenträgerspürhunden", schränkt Marquardt ein. "Trotz erster positiver Signale ist noch ein ordentliches Stück Überzeugungsarbeit zu leisten."
Erste Pilotprojekte mit Datenträgerspürhunden
Dennoch steigt die Zahl der Datenträgerspürhunde auch in Deutschland. Polizeikommissarin Marquardt hat für die Brandenburger Polizei im Rahmen eines Pilotprojekts den Datenträgerspürhund Ivo vom bronzenen Hirsch ausgebildet, der seit 2019 im Probeeinsatz ist.
Artus aus Sachsen ist der prominenteste und erfahrenste der deutschen Datenträgerspürhunde. Sein Diensthundeführer Jörg Siebert ist Amtsinspektor im Justizvollzugsdienst in der JVA in Zeitheim. Dort und in anderen Gefängnissen sucht er mit dem Hund regelmäßig Zellen und andere Räume nach verbotenen Handys ab. Artus wird aber auch bei Ermittlungen in ganz Deutschland eingesetzt. "In diesen Einsätzen konnten wichtige Datenträger aufgespürt werden, die den Ermittlern enorm weitergeholfen und unter anderem zur Festnahme verschiedener Tatverdächtiger geführt haben", sagt Siebert dem SPIEGEL.
Ende 2017 entdeckte Artus bei IS-Ermittlungen für das Bundeskriminalamt in Kiel zwei Handys, in einem Mordfall in Rostock spürte er ein Telefon in einem Zementsack auf. Im vergangenen Jahr hat der Hund im Missbrauchsfall auf dem Campingplatz in Lügde in Nordrhein-Westfalen nach elektronischen Beweismitteln gesucht und einen USB-Stick gefunden, der in einer Sesselritze versteckt war. Nordrhein-Westfalen hat nach dem Lügde-Fall aufgestockt und fünf Rauschgiftspürhunde - Herr Rossi, Ali Baba, Jupp, Odin und Theo - zu Datenträgerspürhunden weitergebildet - damit künftig kein Hund aus einem anderen Bundesland angefordert werden muss.
Duftspur eines USB-Sticks
Hunde haben feine Geruchssinne, die Gerüche intensiv wahrnehmen und auch voneinander trennen können - auch Micro-SIM-Karten oder USB-Sticks. "Wir gehen davon aus, dass der Spürhund einen speziellen Mischgeruch wahrnimmt, so verbaute seltene Erden und Legierungen, die nur Handys oder Datenträgern anhaften", sagt Hundeführer Jörg Siebert. In den USA hatte ein Chemiker aus dem Forensic Science Laboratory in Connecticut USB-Sticks, SD-Karten und Festplatten auf gemeinsame Merkmale untersucht und in allen Teilen die chemische Verbindung Triphenylphosphanoxid identifiziert - die Grundlage für die Ausbildung von Datenträgerspürhunden, die in den USA bereits 2012 begann.
Kleinere Geräte riechen allerdings weniger intensiv. Je kleiner das Objekt ist, desto schwieriger ist daher die Suche. Elektronische Geräte haben zudem einen geringeren Geruch als etwa Drogen - so muss der Hund näher an die Objekte herankommen und aufmerksamer schnuppern, um sie aufzuspüren. Auch andere starke Gerüche in der Umgebung können die Suche für die Tiere erschweren.
Eine klassische Karriere zum Datenträgerspürhund gibt es in Deutschland bisher noch nicht, Hunde in diesem Einsatzbereich sind anders als etwa in den USA noch ein relativ neues Phänomen. Der erste Datenträgerspürhund Deutschlands, Artus aus Sachsen, hat etwa eine Weiterbildung hinter sich: Er wurde 2011 als einziger Handyspürhund Deutschlands innerhalb von sechs Monaten in der Diensthundeschule der sächsischen Polizei ausgebildet. "Mit einem Handyspürhund sollten illegale Mobiltelefone in den Justizvollzugsanstalten nicht nur aufgespürt werden, sondern auch mit der regelmäßigen Absuche nach Mobiltelefonen in allen Bereichen einer JVA der Verfolgungsdruck erhöht werden", sagt Jörg Siebert. "Datenträger wurden im Laufe der Jahre nachkonditioniert."
Die Ausbildung und die Konditionierung auf einen bestimmten Geruch erfolgt ähnlich wie bei Rauschgift- und Sprengstoffspürhunden, Details will die Polizei nicht preisgeben. Ein wichtiger Unterschied zu anderen Diensthunden: Der Hundeführer muss mit seinem Tier mehr interagieren, da die elektronischen Geräte einen weniger starken Geruch haben. Belohnt werden die Tiere mit Spielzeug oder mit Leckerlis.
Der Hund lebt in der Familie des Diensthundeführers und ist in dessen soziales Umfeld integriert, begleitet den Diensthundeführer auch jenseits der Polizeiarbeit und fährt sogar mit in den Urlaub. "Auch in der Freizeit muss der Hund natürlich bewegt werden", sagt Jörg Siebert über seinen Alltag mit Artus. "Um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten, erhält er darüber hinaus hochwertiges Futter, Ausdauertraining und Kopfarbeit."