Cybercrime-Umfrage Online-Abzocke trifft Millionen deutscher Nutzer

Datendieb (Symbolbild): Zur Online-Abzocke gehören Abo-Fallen, Warenbetrug und Phishing
Foto: CorbisHamburg - Abo-Fallen, Warenbetrug und Phishing gehören seit Jahren zum Internet-Alltag. Obwohl all das seit mehr als einem Jahrzehnt läuft und Eingang in verschiedene Statistiken vom Kriminalitätsbericht des BKA bis zu Branchenerhebungen des Bitkom findet, ist nicht bekannt, wie viele Nutzer tatsächlich geschädigt werden.
In seinem neu aufgelegten Telekommunikationsmonitor wollte das Sozialforschungsinstitut Infas genau das wissen und stellte konkrete Fragen zu Cybercrime. Für diese größte repräsentative Untersuchung zum Telekommunikationsverhalten der volljährigen Bundesbürger wurden 17.000 Personen telefonisch befragt. Die Ergebnisse stützen viele öffentlich diskutierte Annahmen, aber sie bergen auch Überraschungen.
Kernergebnisse der Infas-Erhebung:
- 8,4 Millionen Deutsche sollen demnach in den vergangenen zwei Jahren Opfer eines Internetbetrugs geworden sein.
- 5,4 Millionen - das sind elf Prozent aller deutschen Internetnutzer - sind demnach auf eine Abo-Falle im Internet hereingefallen.
- 2,8 Millionen Online-Kunden haben bezahlte, im Web bestellte oder ersteigerte Ware nicht erhalten, sind also Opfer eines Warenbetrugs geworden.
- 1,5 Millionen Menschen wurden nach eigener Angabe Opfer einer Phishing-Falle.
Was auch diese Befragung nicht hergibt, ist die Antwort auf die Frage nach den totalen Schadenshöhen. Dass etwa 5,4 Millionen Deutsche auf Abo-Fallen hereinfielen, bedeutet durchaus nicht, dass sie auch alle bezahlt haben - bei vielen wird sich der Schaden auf den Ärger beschränken, mit Mahnungen eingedeckt zu werden.

Internet-Abzocke: 8,4 Millionen Opfer
Die Höhe der erfassten Zahlen ist trotzdem erschreckend: Sind sie korrekt, dann erwischt es jedes Jahr einen ganz erheblichen Teil der Nutzerschaft. Laut Bitkom sind rund 27 Millionen Deutsche Nutzer von Online-Einkaufsangeboten - und laut Infas werden 2,8 Millionen davon innerhalb von zwei Jahren zu Betrugsopfern.
Für die Verbraucherzentralen ist die Abzocke Alltag
Bei den Verbraucherzentralen entfallen auf Internet-Abzocke etwa "20 bis 30 Prozent aller Beratungen", sagt dazu Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale NRW, die im Monat rund 22.000 Beschwerden zum Thema Abo-Falle zählt. Bradler: "Konkrete Zahlen, wie viele Betroffene letztlich zahlen oder wie hoch der finanzielle Schaden ist, können wir nicht liefern. Wir beraten Abo-Fallen-Opfer in der Regel dahingehend, dass sie nicht zahlen sollen. In den allermeisten Fällen können wir keinen wirksamen Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrags feststellen."
Das bezieht sich allerdings auf den Teil der Nutzerschaft, der überhaupt Beratung sucht, wenn das Mahnschreiben eintrudelt. Dass es genügend Menschen gibt, die auf den Bluff hereinfallen, steht aber außer Frage: In allen Fällen, in denen der Justiz der Zugriff auf solche Abzocker gelang, entdeckten die Fahnder, dass Tausende von Betroffenen gezahlt hatten. Zuletzt gelang im Februar 2011 der Zugriff auf ein Betrügerpaar, das mit Freeware-Downloads und sinnfreien Testseiten rund 65.000 Menschen um einen mehrstelligen Millionenbetrag gebracht hatte.
Thomas Bradler: "Die 'erfolgreichsten' Abo-Fallen dürften die sein, in denen Routenplanung oder Freeware kostenpflichtig angeboten werden. Da die Verbraucher hier am allerwenigsten mit Kosten rechnen - normalerweise ist so etwas kostenfrei verfügbar -, fallen auch die meisten darauf rein. Zweifelhaften Ruhm haben aber auch Kostenfallen zu Mitfahrzentralen und Outlets."
Von wegen DAU: Erfahrung ist kein Schutz
Das überrascht auch, weil die grundsätzlichen Maschen eigentlich seit Jahren bekannt sind. Doch - und das ist das wohl überraschendste Ergebnis der Infas-Studie - Erfahrung schützt nicht vor Schaden.
Ob eine Person Opfer eines Internetbetrugs werde, hänge auch von der Intensität ihrer Online-Aktivitäten ab. Je häufiger jemand online Waren oder Dienstleistungen einkaufe, desto öfter habe er Erfahrungen mit Betrug beim Online-Shoppen gemacht. Ähnliches gelte für andere Betrugsmaschen. Unerfahrene Neulinge würden im Netz also nicht überdurchschnittlich oft "über den Tisch gezogen". Erfahrene und häufige Surfer, die die Gefahren eigentlich kennen dürften, treffe es öfter.
Beim Warenbetrug, der am schwersten zu erkennenden Abzock-Masche, sei dies ganz klar zu sehen: Bei den regelmäßigen Online-Käufern sei der Anteil der Geschädigten mit 16 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei Gelegenheitskäufern - Gelegenheit macht Abzock-Opfer. Und das alles sei dann noch nicht einmal von soziodemografischen Faktoren abhängig, es erwische alle mehr oder minder gleichmäßig.
"Der Zusammenhang zwischen Online-Aktivität und Betrugsrisiko", heißt es in einer für SPIEGEL ONLINE zusammengestellten Analyse des Zahlenmaterials, "lässt erwarten, dass die Zahl der Delikte in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen wird. Zum einen steigern viele Surfer ihre Online-Frequenz noch oder kaufen häufiger im Netz; zum anderen gewinnt das Internet nach wie vor neue Nutzer hinzu".